#Locarno77 Liebe

 

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Zeitlos

Das Locarno Filmfestival als Zeitblase.
Wochentage, Datum, alles verschwimmt, es bleibt nur der Blick auf die nächsten Vorführungen. Da kann man dann schon ziemlich blöd an einem Feiertag vor dem geschlossenen Supermarkt stehen, und nicht verstehen, was da los ist.

 

Liebe verträumt

Olivia & Las Nubes von Tomás Pichardo-Espaillat ist ein faszinierender Animationsfilm. Der Film zeigt eine ganze Palette von verschiedenen Animationstechniken, vermischt Super 8 Filmmaterial mit Stop-Motion und Zeichnungen der verschiedensten Stile. Heraus kommt eine surreale, verträumte Geschichte über die Unmöglichkeiten der Liebe. Der schnelle Erzählrhythmus zwingt einen, den Geist fliessen zu lassen, und sich in Folge ganz auf den Film und seine irren Bilder einzulassen.

 

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Freundschaft

Akiplėša (Toxic) von Saulė Bliuvaitė ist eine ziemlich grimmige Geschichte von jungen Mädchen, die mit allen Mitteln aus ihrem abgerockten Zuhause irgendwo in der litauischen Provinz rauskommen wollen.
Marija, die Neue, wird zunächst von den lokalen Mädchen wegen ihres leichten Hinkens abgelehnt und beklaut. Aber an Orten, wo es nicht viel Abwechslung gibt, sind alle Allianzen und Freundschaften willkommen, und so wird sie schnell Kristinas beste Freundin. Beide versuchen einen vermeintlichen Model-Kurs gut abzuschliessen, und sich für die angepriesenen Reisen ins Ausland zu qualifizieren. Ein Teufelskreis aus Essensverweigerung, Fressattacken, Drogen und im Darknet erworbenen Bandwürmern, die Versprechen, das Gewicht von innen „wegzufressen“, entsteht. Ein Film über toxische Weltbilder, giftige Substanzen und über unwahrscheinliche, enge Freundschaften, die überleben helfen.

 

Fremd

Es gilt, ein verpasstes Kurzfilmprogramm nachzuholen, aber wirklich toll ist es leider nicht. Dafür ist das kleine Kino sehr voll.

My Life is Wind (a letter) von Anahita Ghazvinizadeh ist der beste Film des Programms.
Eine junge Frau aus einem nicht näher benannten arabischen Land kommt in den USA im Mittlerenwesten an. Niemand von der Flüchtlingsorganisation spricht Arabisch, also verbringt sie ihre ersten Tage schweigend. Während sie in ihrem Kopf einen Brief an die Zuhause gebliebene Grossmutter verfasst. So erfährt man stückweise ihre tragische Geschichte, lernt ihre Träume, ihre Ängste kennen. Parallel dazu, um sie herum ein lautes, fremdes Leben. Sehr schön gemacht.

Dull Spots of Greenish Colours von Sasha Svirsky ist ein experimenteller Animationsfilm. Vage meint man zu verstehen, dass es um Kritik an Politik, um Krieg, um Machtmissbrauch geht. Aber wirklich sicher ist das nicht.

The Nature of Dogs von Pom Bunsermvicha ist einfach nur uninteressant.
Eine Familie mit kleinem Hund kommt in einem schönen Ferienressort an. Als der Hund verschwindet, entsteht ein ziemlich sinnloser Streit um ganz allgemeine Verhaltensweisen der einzelnen Familienmitglieder. Ein Ausflug zu einer buddhistischen Grotte sorgt für Ruhe, irgendwie. Und der kleine Hund ist auch wieder da.

The Form von Melika Pazouki ist hübsch, lustig und kurzweilig.
Eine iranische Schülerin macht sich im Klo der Schule zurecht für eine Verabredung mit einem Mann, den sie nicht kennt. Ihre Freundin gibt Ratschläge und wird später alle Details wissen wollen. Aber der Mann versetzt sie.

 

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Liebe komisch

 

Ein fast kurzer Abend auf der Piazza, niemand wird geehrt, das macht den Ablauf vor dem Film deutlich flotter.
Schon bei der Präsentation ihres Films sind Regisseurin Alice Lowe und einige der Schauspieler ziemlich witzig. Was aber dann in Timestalker alles abläuft, ist komödiantischer Science-Fiction Spass mit vielen schrägen Kostümen und reichlich verspritztem Blut.
Die Geschichte startet im späten 17. Jahrhundert, Agnes (von der Regisseurin selbst genial gespielt) sieht Alex zum ersten Mal, mit reichlich Weichzeichner wird ihr plötzlicher Anfall von Liebe fröhlich übertrieben sichtbar. Aber der Zustand hält nicht lang, und schon ist Agnes einen bösen, blutigen Tod gestorben.
Nächster Halt: 100 Jahre später. Und dann noch mal 100 Jahre später.
Immer wieder treffen die beiden aufeinander, immer wieder ist Agnes wie hypnotisiert und Alex ein Idiot. Neben Agnes und Alex „reisen“ noch drei weitere Figuren durch die Jahrhunderte, in immer gleichen Verstrickungen. Der Film ist wirklich extrem lustig und dabei sehr klug und gut gemacht.
Beste Unterhaltung.

 

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