#Locarno Keine Macht den Monstern

 

 

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Umwelt

 

Einige Filme, die sich mit Umweltthemen befassen und ein weiterer Hitze-Tag in Locarno. Am Nachmittag zeigt ein Thermometer kuschelige 38°, in den Kinosälen bleibt es dank Klimaanlage kühl, bis kalt.

 

Bildverliebt

 

Fogo do vento von Marta Mateus ist eine Ansammlung allegorischer Bilder, christlicher Motive und Metaphern. Weinreben, Landarbeiter, hartes Licht, scharfe Schatten, Wein, der in den Boden versickert, grosse Korkeichen und ein schwarzer Stier, der marodierend Angst verbreitet. Die Menschen deklamieren, wie der Chor im griechischen Drama, Phrasen, die von Ausbeutung und Unterdrückung reden, vage auch von der Geschichte Portugals. Und auch wenn jedes einzelne Bild wirklich extrem schön ist, 72 Minuten können verdammt lang sein, wenn man so einem Quatsch zu sieht.

 

 

Wasser

Fario von Lucie Prost ist ein bisschen ein Ökokrimi und ein bisschen eine Geschichte vom Heimkommen.
Eigentlich fährt Léo aus Berlin nur zurück nach Frankreich, um den Verkauf von Land an die Gemeinde zu besiegeln. Die Minengesellschaft, die Probebohrungen für seltene Erden macht, scheint alle relevanten Papiere zu haben und Umweltauflagen zu befolgen, aber sie braucht das Land der Bauern.
Im Ort sind die Leute gespalten in Verkäufer und Nicht-Verkäufer. Aber geht wirklich alles mit rechten Dingen zu? Léo, wie fast alle seine Freunde beruflich mit Wasseranalysen vertraut, findet, dass die Forellen im Fluss sich seltsam verhalten, und leuchten sollten sie eigentlich auch nicht. Oder sind es die Drogen in seinem Kopf, die ihm einen Streich spielen?  Der Film findet eine Balance zwischen Ökokrimi, Bauernsterben und den Problemen junger Erwachsenen, atmosphärisch schöne Landschaften, Halluzination in Bilder übersetzt und dynamische Partysequenzen, alles greift fliessend ineinander.

 

 

 

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Experimente

Heute wieder ein extrem starkes Kurzfilmprogramm. Alle Filme auf die eine oder andere Weise experimentell, experimentierend.

Der Film Razeh-del der Iranerin Maryam Tafakory ist ein unglaublich tolles Werk.
Er zeigt das Unzeigbare, Unmachbare: iranische Frauen in der Kunst, im Film, als Darstellerinnen, als Regisseurinnen. Mit Mitteln der Überlagerung, Bildverfremdung, dem Neuschnitt von Filmausschnitten, zeigt er, was nicht möglich ist. Kunstschulen, die Frauen nicht aufnehmen, Filme, die so lange zensiert werden, bis nichts mehr von ihnen übrigbleibt, und Frauen, die wenn, dann nur als angemalte Puppen auftreten, oder als Opfer, die am Schluss im Film meistens nicht überleben. Sehr eindrucksvoll.

looking she said I forget von Naomi Pacifique thematisiert die Suche nach einer neuen Form von Leben, von Liebe, von Miteinander jenseits der Konventionen. Viel Blau, viele Momente der Verirrung und Verwirrung, sehr schön.

Revier von Felix Scherrer. Eine fast poetische Annäherung an die Macht der Polizei auch in der Schweiz. Beeindruckend einfach in den Mitteln, dicht in der Ausführung.

Gwe-in esi jeongche (The masked Monster) von Syeyoung Park ist ein Horror-Märchen in Schwarzweiss-Bildern. Ohne Dialog, nur mit Zwischentiteln und rhythmischer Perkussion ist das Märchen packend und böse, grausam und klug und sehr schön gedreht.

 

 

Miese Typen

Wenn man einen Preis vergeben könnte für die Darstellung der ekelhaftesten Typen, dann gewinnt Crickets, It’s Your Turn von Olga Korotko haushoch.
Der kasachische Film zeigt eine Gruppe von Freunden, sexistisch, misogyn, widerlich, die sich gegenseitig in ihrem Tun befeuern und beklatschen. Dummerweise gerät eine junge Frau in diese Gruppe. Obwohl ihr bei jeder Begegnung klar sein müsste, dass sie dort in Gefahr ist, glaubt sie den Beteuerungen des einen Kerls, der sie in die Gruppe hereingebracht hat, dass alles nur Spass ist, die Typen in Wahrheit ganz liebe Männer sind. Wie die Regisseurin die Steigerung der Gewalt zeigt, ist beeindruckend und beunruhigend. Die Spirale schraubt sich immer weiter hoch, die Ausweglosigkeit wird immer deutlicher, und trotzdem hofft und bangt man mit der jungen Frau. Genau wie sie weigert sich der Zuschauer zu glauben, was offensichtlich ist. Bis zum bösen Ende. Ein Film, in dem sich der Horror und die Ausweglosigkeit langsam einschleichen, um dafür nicht mehr wegzugehen.

 

 

 

Claude Barras mit Keria und Orang-Utan
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Coole Kinder

 Kinder an die Macht wäre vielleicht Claude Barras’ neuem Animationsfilm Sauvages voranzustellen.
Der Kampf zweier Kinder und eines Orang-Utan-Babys um den Urwald in Borneo. Sie sind kulleräugig und niedlich, aber nicht zu unterschätzen: Keria und ihr Cousin Selaï legen sich mit einem Palmöl-Unternehmen an, das den Wald und Lebensraum der Nomaden abzuholzen droht. Dass die kleine Keria dabei auch gleich mehr von ihren nomadischen Wurzeln erfährt und ihr Selaï dabei gewissenhaft zur Seite steht, rundet die Abenteuergeschichte kulturell ab. Mut, Zivilcourage und Respekt vor Natur und Kreatur ergeben eine echte „Heldenreise“ in Stop-Motion, kindgerecht, aber auch für Erwachsene wunderschön anzusehen.

 

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Das waren viele Monster für einen Festivaltag, einige konnten aufgehalten werden, immerhin.