Noch ein paar Filme bis zum Ende
Die letzten Filme vor der abendlichen Preisverleihung, oder eher Preisbekanntgabe, denn auch hier sind, trotz moderater Öffnung, die Filmemacher ausschliesslich per Video-Stream zugeschaltet.
Das Problem der Untertitel bei Experimentalfilmen
In Non-Stop von Aitziber Olaskoaga soll das Nichtsichtbare gezeigt werden, ohne es zeigen zu dürfen, ohne Bilder, ohne Interviews, nichts findet statt.
Der Film versucht das auf experimentale Weise zu thematisieren. Ein Hochsicherheitsgefängnis der spanischen Nach-Franco-Zeit zu zeigen, zu hinterfragen, endet darin zu zeigen, dass man nichts zeigen darf. Das Problem, vieles, das ungezeigt bleibt, wird beschrieben, auf Baskisch, im Off. Während meistens weite Landschaft oder ein ratloses Team zu sehen ist.
Das mag, wenn man Baskisch versteht, funktionieren, weil zwei Sinne angesprochen werden, Hören und Sehen, und im Zuschauer ein Bild mit Mehrwert entstehen kann. In einer untertitelten Version scheitert das Konzept; Untertitel und Filmbilder beschäftigen gleichzeitig den Sehsinn, das Suggestive verschwindet. Schade.
Schwer zu sagen, wie dieses Problem, also die Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit, Untertitel zu lesen, und der Idee der Filmemacher, zu lösen ist. Untertitel sind im Allgemeinen ja eine gute Sache, Filme sollen auf jeden Fall in ihren Originalversionen angeschaut werden. Aber in einigen Grenzbereichen funktioniert das Konzept der Filme plötzlich nicht mehr und lässt ratlose Zuschauer zurück.
Klassisches Dokumentarkino
Dann noch zwei ganz klassisch gestaltete Dokumentarfilme, die Empathie und Interesse des Zuschauers zu wecken verstehen:
My Place Is Here (Io resto) von Michele Aiello zeigt in ruhigen, klaren Bildern den Alltag in einem Krankenhaus in Brescia im März 2020. Die Kamera beobachtet, und zeigt die Ruhe und Präzision, mit der auf der Covid Station gearbeitet wird, mit wieviel Zuwendung, trotz der vielen Arbeit, die Patienten behandelt werden. Und trotzdem erkennt man den Alptraum, in dem alle, Kranke wie Ärzte und Pflegende, sich bewegen: Bilder wie aus einem alten Science-Fiction-Film.
Die Schönheit des Verwelkenden zeigen Svetlana Rodina & Laurent Stoop
in Ostrov – Lost Island.
Die Insel Ostrov im Kaspischen Meer ist ein versunkenes, verwildertes Paradies. Die paar Hundert Bewohner, Verlierer nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, leben von illegalem Fischfang und am Rand des Existenzminimums. Während die Älteren Putin verehren, in dem sie die Verkörperung einstiger Grösse der Sowjetunion sehen, schauen die Jungen verloren in eine komplett ungewisse Zukunft. In wunderbaren Bildern erzählt der Film von dieser fremden Welt.
Zu guter Letzt
Den Hauptpreis der 52. Ausgabe von Visions du Réel bekam Jessica Beshir für ihren Film Faya Dayi.
Ein episches, assoziatives Gedicht in wunderbaren Schwarz-Weiss Bildern. Bei aller Schönheit zeigt der Film den Verlust, den eine Gegend erfährt, wenn Gewalt, nachlässige Politik und schwindende Ressourcen vorherrschen, und dann Drogen, Mythen und (Aber)Glauben um sich greifen. Der Kath-Anbau und – Handel führt in Äthiopien zu einer um sich selbst kreisende Pseudowirtschaft, in der der einzelne entweder versinkt oder sich durch Flucht versucht zu entziehen; beides gefährlich.
So endet diese Hybrid-Ausgabe in Nyon auf einer düster verträumten Note, bleibt zu hoffen, dass im kommenden Jahr alle wieder in die Kinos kommen können.
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