Wünsche
Samstag 9:45, für Hotel Sinestra von Michiel ten Horn sind viele Kinder mit ihren Eltern ins Kino gekommen.
Zu sehen gibt es ein opulent ausgestattetes Märchen vor schöner Bergkulisse.
Der Film spielt sämtliche Register, die ein lehrreiches Märchen braucht:
der magische Ort, das Geheimnis, die Wünsche und dann die Erkenntnis, dass man beim Wünschen sehr, sehr vorsichtig sein muss.
Dazwischen: Kinder mit grosser Spielfreude, besonders, wenn sie, nachdem die Eltern weggewünscht wurden, das Hotel mit viel Kreativität verwüsten. Vielleicht ist es insgesamt ein wenig zu viel weihnachtlicher Zuckerguss, ein wenig zu sehr lehrreich, aber vielleicht ist das für die Zielgruppe auch genau richtig dosiert. Irritierend, aber wohl auch nur, wenn man nicht mehr zur Zielgruppe gehört, der komplett nachsychronisierte Film. Regie und Darsteller sind aus Holland, Filmsprache ist Schweizerdeutsch. Koproduktionen mit anderen Ländern sind einfach unausweichlich, vor allem, wenn man mit einem grossen Budget arbeiten will und eine möglichst grosse Reichweite erzielen möchte.
Fondue-Folter
Der zweite Film des Tages ist echtes Kontrastprogramm.
Mad Heidi von Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein ist definitiv kein Kinderfilm, ist mit Crowdfunding finanziert, ist laut, blutig und grell.
Die beiden Regisseure nehmen alles an Schweiz-Klischees, Genre-Bildern und Filmreferenzen in ihre Geschichte, und kochen daraus ein fabelhaft albernes Spektakel.
Heidis blutiger Kampf gegen den bösen Käse-Führer, der die Schweiz in eine faschistische Operettendiktatur verwandelt hat, hat alles: Gewalt, Irrsinn, Sex und Moral.
„Tod dem Vaterland – lang lebe das Mutterland“, heisst der Schlachtruf im Film, Rebellen haben hier hohes Ansehen, und so steckt in dem ganzen grellen Spass auch wieder etwas sehr Schweizerisches.
Dass alle Darsteller fröhlich Englisch sprechen (nicht synchronisiert) funktioniert im übrigen erstaunlich gut und hilft einem solchen Projekt auch auf ausländische Leinwände, wo der Film auch schon gelaufen ist.
Hier kann Mad Heidi gegen Gebühr gestreamt werden.
Zu viel des Guten
La dérive des continents (au sud) von Lionel Baier will eine Politsatire mit Parallelen ins Private, zur Verdeutlichung der Probleme in der Politik, sein. Zumindest ist das Baiers Erklärung beim Filmgespräch.
Das klingt schon nach sehr viel auf einmal, und es klingt auch wie eine sehr komplizierte Erklärung.
Der Film häuft Geschichten übereinander: EU-Politik, Migrationsproblematik, Mutter-Sohn Entfremdung, eine lesbische Liebesbeziehung, Corona und als Kirsche auf dem Kuchen noch ein Meteoriteneinschlag. Das ist einfach zu viel des Guten.
Die Idee, aus der eine hübsche Politsatire werden könnte, ist gut.
Der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin wollen einen spontanen Besuch in einem sizilianischen Flüchtlingslager machen. Aber, ihren vorausreisenden Koordinatoren ist das Lager zu schön, zu ordentlich, und der senegalesische Flüchtling spricht zu perfekt Französisch. Also muss die EU Verantwortliche vor Ort alles etwas schmutziger gestalten, damit am Ende Deutschland und Frankreich mit grosser Geste das Lager verbessern können.
So weit, prima Idee.
Aber die vielen Schichten an Zusatzthemen verwässern die Satire, und tatsächlich verschlafen sie auch alle Möglichkeiten der Zuspitzung. Am Ende darf sich alles, für alle, ausser für die Flüchtlinge, im Wohlgefallen eines Happy Ends auflösen. Das ist zu dick aufgetragen und zu wenig Politsatire.
Vater und Sohn
Mit dem Traktor von Nord nach Süd durch Israel, das klingt nach einer lustigen Filmidee. In Le voyage à Eilat von Yona Rozenkier wird aber trotz einiger witziger Ideen insgesamt zu viel und zu Absehbares geredet. Der alte mürrische Vater, der auch nicht gerade fröhliche Sohn, ein Traktor Jahrgang ’63, eine Reise durch ganz Israel, es wäre alles da für Spass mit Tiefgang. Was am Ende aber dabei herauskommt, ist eine Geschichte vom Vorwerfen, Verzeihen, Versöhnen und ein bisschen auch vom Reisen. Der Film hat seine guten Momente, aber er schleppt sich dann doch mit allzu Bekanntem über seine Länge.
Alle Samstagsvorstellungen waren extrem gut besucht, und auch der Sonntag verspricht viel Publikum, immerhin waren heute früh, 3 Minuten nach dem Freischalten der Buchungen, einige Filme schon ausreserviert.