Locarno #72 Wünschen erlaubt

(c) ch.dériaz

Der Regen war dem Festival auf jeden Fall gewogen, statt die Eröffnung zu stören, hat er sich am Spätnachmittag verzogen.

Lili Hinstin, Marco Solari
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Festivalpräsident Marco Solari eröffnete wortgewaltig, politisch und kämpferisch und wünscht sich für das Festival von Locarno, in Zeiten der schamlosen Lügen durch und mit Bildern und Inhalten, einen Ort der Wahrhaftigkeit, der Sicherheit in unsicheren Zeiten. Bundesrat Alain Berset wünscht sich gar das Subversive des Kinos auf die Leinwand. Die kommenden zehn Tage werden zeigen, ob und wieviel die Filme einen, aufrütteln, verwirren und beeindrucken können.

 

Einen starken, fröhlich stimmenden Eindruck scheint die neue künstlerische Leiterin Lili Hinstin auf ihr Team schon mal gemacht zu haben, wer von ihr spricht, tut das mit einer fast leuchtenden Begeisterung. Gewünscht ist, dass sie das Festival erneuert, verjüngt, für eine junge Generation attraktiv macht, ohne die alte zu vergrämen. Vermutlich ist das viel weniger schwierig, als es klingt.
Hinstin war am Eröffnungsabend kompetent, freundlich, witzig und entspannt, wechselte vom muttersprachlichen Französisch ins Italienische, und liess sich auch durch die Suche nach dem richtigen Wort nicht aus dem Konzept bringen. Ihr Programmkonzept soll auch ihrem Wunsch nach Vielfalt gerecht werden. Auffällig ist schon mal, dass die Filme dieses Jahr auch aus weniger bekannten Filmregionen stammen.

Eine gute Wahl war es auf der Piazza Grande mit Magari (Schön wär’s) von Ginevra Elkann zu eröffnen, einer Familiengeschichte, die ohne Kitsch und fade Klischees auskommt. Stattdessen bietet der Film drei junge Darsteller, die die grosse Leinwand dominieren und einfach umwerfend sind. Facettenreich und glaubwürdig spielen sie drei Geschwister zwischen ihren geschiedenen Eltern, zwischen der neuen Familie und der alten, zwischen Kindheit und zarten Erwachsenwerden, in einer Zeit also, als das Wünschen noch geholfen hat.
Ein schöner Start für die „Leopardenjagd“  war das auf alle Fälle.

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