#Visions du Réel Kraft der Bilder

 

(c) Visions du Réel

 

 

Kurzes über Hunde

 

Vorteile, wenn man einem Festival online folgt: kein Stress bei der Buchung von Tickets, kein Rennen von Kino zu Kino, kein Anstellen vor Toilettentüren, regelmässiges Essen. Dafür muss man mehr Disziplin haben, nicht auf das Brummen des Handys reagieren, die Aussenwelt aussen lassen, konzentriert schauen, ohne die Hilfe, die ein dunkles Kino bietet.
Aber man schaut, was man will, wann man will. Das ist schon auch alles schön.
Am Morgen also als Erstes ein Kurzfilm über Galgos.


La Merveilleuse douleur du Gênet
von Olivia Ginevra Calcaterra
Der Film setzt diese schönen, schlanken Hunde in sehr schönen Bildern in Szene. Bilder, die aber sofort, wenn auch subtil, das Leiden offenlegen: fast immer ist vor den Hundeköpfen ein Gitter, ein Zaun, ein Maulkorb. Sie sind Gefangene eines „Sports“, den sie nur sehr kurz ausüben, um dann einfach weggeworfen zu werden. Auch diesen Aspekt, in Form von Hunderettung, zeigt der Film. Alles bleibt unaufgeregt, fast poetisch, und lässt doch keine Zweifel am Leiden der Kreaturen. Bloss schade, dass, zumindest am Rechner, der gesamte Film asynchron ist.

 

Abbild und Wirklichkeit

 

And the King Said, What a FANTASTIC MACHINE von Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck

(c) ch.dériaz

Mit einem Rundgang von den ersten Photos und Filmaufnahmen bis zur Bilderflut, die heute minütlich generiert wird, erzählt der Film von unserer Wahrnehmung. Was glauben wir zu sehen, was halten wir für real, wo dichtet unser Hirn etwas dazu?
Die Regisseure habe da eine echte Fleissarbeit geleistet, alleine das Zusammentragen und Montieren der vielen Bilder, Filmausschnitte und Clips beeindruckt. Beeindruckt und erschüttert gleichermassen, denn was immer auf einem Bild zu sehen ist, es fehlt immer das, was ausserhalb des Ausschnitts ist, der Kontext. Somit sind wir bereit zu glauben, was wir sehen, weil unser Hirn so funktioniert, aber wir sind nur selten bereit zu ergründen, was sich genau daneben befunden haben mag. Nichts anderes als die Glaubwürdigkeit unsere Wahrnehmung steht hier auf dem Prüfstand, diese Diskussion ist alt, zu finden auch in Platons Höhlengleichnis.

 

Wie gemalt

 

Manchmal reichen reale Filmbilder nicht, um zu erzählen, was erzählt werden muss, das ist der Moment, wo die Animation, mit ihren viele verschiedenen Ausdrucksformen, zum Zug kommt.
Zwei ganz unterschiedliche, aber jeweils sehr gelungene Beispiele:


Dear Daughter
von Hsu Pan Naing

Die brutalen Fakten von Menschenhandel, der jährlich Frauen aus Myanmar nach China zwangsverheiratet, in zarte, poetische, schwarzweisse Aquarellbilder getaucht. Hart, grausam und wunderschön.

 

Amani, Behind the Lines von Alaa Amer und Alisar Hasan

Ein Portrait der syrischen Cartoonistin Amani aus Idlib. Sie ist eine der ganz wenigen Frauen, deren Cartoons gezeigt, gedruckt und ausgestellt werden, allerdings lastet auch auf ihr immer mehr Druck. Sie zeichnet nicht nur gegen Krieg, Bomben und Angst an, sondern auch gegen die Unterdrückung der syrischen Frau. Der Film zeigt sie in ihrem häuslichen Umfeld, in sehr rohen, direkten Bildern, mit wenig Licht, wenn es aber um Ängste, Gefühle und Träume geht, wechselt der Film in die Animation. Ein künstlerischer Spagat, der gut funktioniert, der Amani und ihre Welt wirklich umfassend zu zeigen vermag.