58.Solothurner Filmtage Archive

 

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Bilder zeigen oder nicht

 

Eine spannende Diskussion am Morgen bei Fare Cinema: Film in Kriegszeiten, als Gäste Jan Baumgartner, Regisseur, und Werner von Gent, Journalist.
Die Frage: was zeigt man in Konflikten, in Kriegen für Bilder, warum lässt man welche Bilder weg? Und wie weit darf man sich als Berichterstatter, als Filmemacher von den Ereignissen einnehmen lassen. Tatsächlich muss diese Frage jeden Tag, jedes Mal neu mit sich und seinem (professionellen) Gewissen ausgemacht werden.
Eine Frage, die auch unterschiedlich behandelt werden muss, je nachdem, ob man für eine aktuelle Berichterstattung arbeitet, oder, im Nachhinein, einen Dokumentarfilm über Teilaspekte der Konflikte macht.
Diese Verantwortung sollte indes für jeden Film gelten. Denn egal, was das Thema, was die Machart ist, alles, was gezeigt wird, alles, was weggelassen wird, macht einen Eindruck auf die Zuschauenden. Ein Eindruck, der dann wieder zur Meinungsbildung beiträgt.

 

 

Freiheit der anderen

 

The Mies van der Rohes von Sabine Gisiger erzählt von den Frauen der Familie Mies van der Rohe, genauer, hauptsächlich von der Tochter Giorgina, einer Tänzerin und Schauspielerin. Die Idee dabei: die spannenden Figuren aus dem nahen Umfeld des berühmten Mannes eine eigene Bühne zu geben. Das funktioniert nur zum Teil. Der Vater bleibt sehr präsent im Film, nicht so sehr in seiner „Funktion“ als Architekt, aber als Mensch, dessen Entscheidungen und Wege das Leben seiner Frau, seiner Töchter doch sehr gelenkt und beeinflusst haben.
Ganz interessant ist die künstlerische Entscheidung, Giorgina Mies van der Rohe, nicht nur eine Stimme – auf Basis ihrer Briefe und Texte – zu geben, sondern ihr in der Person von Katharina Thalbach auch ein Gesicht, einen Körper zu geben.
Eine fiktive Interviewsituation verleiht der realen Giorgina Dichte und Kontur. Dazwischen sehr viele, sehr gute Archivbilder, Photos und Briefe, aber deutlich zu viel Musik. Klarerweise wäre es viel Arbeit, eine Tonspur zu den Archivfilmen zu kreieren, aber die fast ständig vorhandene Musik ermüdet und nimmt dem Film eine Sachlichkeit, die zwischen den inszenierten Szenen durchaus gut wäre.

 

 

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Archivbilder

 

Die Reihe Fokus zeigt internationale Filme, mit jährlich wechselnden Schwerpunkten, die dann auch als Basis für Diskussionsrunden dienen. In diesem Jahr liegt der Fokus auf der Verwendung von Archivmaterial in Filmen.
Der deutsche Film Liebe, D-Mark und Tod von Cem Kaya wird in dieser Reihe gezeigt. Mit Musik als rotem Faden durchläuft der Film die 60-jährige Geschichte der türkischen Migration nach Deutschland. Das ist sowohl extrem witzig, als auch, so auf 90 Minuten reduziert, sehr erschreckend. Er mischt dabei TV Berichte über die ersten Gastarbeiter mit den frühen Konzerten, die teilweise in Werkshallen stattfanden, fügt Interviews mit den Künstlern heute dazu, und schafft so ein soziologisch-kulturelles Gesamtbild, das viele Facetten hat, das nachdenklich, aber eben auch Spass macht.
Die Zusammenstellung der Bilder und der Musik ist dabei rhythmisch-virtuos und deckt trotzdem das Thema sachlich genug ab. Musikalisch ist von türkischer Folklore, Popsongs, Protestchansons und Rap alles vertreten.
Und ein mal mehr muss man die Qualität des analogen Archivmaterials hervorheben.

 

Altlasten

 

Hitlers Tod wird gerade im Radio bekannt gegeben, da steht der Schweizer Botschafter in Deutschland und verbrennt Akten, so beginnt A Forgotten Man von Laurent Nègre.
Der Botschafter verlässt Deutschland mit einer sprichwörtlichen Leiche im Keller. Der in sehr kontrastreichem Schwarz-Weiss gedrehte Film zeigt die kurze Zeit nach der Rückkehr des Botschafters. Zeigt, wie ihn das Gewissen mehr und mehr plagt, wie er zwar versucht zu rechtfertigen, dass er in seinem diplomatischen Amt immer nur im Sinne der offiziellen Position der Schweiz agiert hat, aber es dämmert ihm in Form von Visionen, dass er vielleicht nicht ganz so exakt am Buchstaben seines Dienstes hätte kleben müssen. Und er stellt fest, dass er für die Politik zu Hause als Bauernopfer herhalten muss. Weder seine Dienste noch seine Beteuerungen werden mehr gebraucht. Die Geschichte bleibt sehr im privaten Umfeld und in der persönlichen Verarbeitung, und wirkt so um so nachdrücklicher.
Dieser Film ist für den Publikumspreis wählbar und brachte viel Applaus.

 

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