59.Solothurner Filmtage Heimat

 

(c) ch.dériaz

 

 

 

Farbspiele

 

Bei eisiger Kälte geht es morgens zur Früh-Vorstellung. Der Saal ist selbst um 9:15 sehr gut gefüllt. Die Belohnung fürs frühe Aufstehen lässt nicht auf sich warten.

Blackbird Blackbird Blackberry von Elene Naveriani ist so weit der schönste Film im Programm. Zu schade, dass er nicht in der Auswahl zum Hauptpreis steht.
Wie bei Naverianis letztem Film Wet Sand spielen auch hier Farben und Bildausschnitte eine zentrale Rolle, und begeistern und verzaubern jenseits der wunderbaren Geschichte. Ein kleines Dorf, irgendwo in Georgien, die Zeit ist daran vorbeigegangen, ein kleiner Laden für Seifen und Waschmittel, eine Frau, fast fünfzig, alleinstehend, zufrieden. Etero ist selbst dann mit sich und der Welt im Reinen, wenn sie von ihren Freundinnen übel verspottet wird. Unerwartet, und ganz schön spät im Leben, platzt die erste Liebe in ihr Leben, Gefühle, die sie so nicht kennt und über die sie auch nicht sprechen kann und mag. Jede Einstellung in diesem Film möchte man als Postkarte oder als Poster an die Wand hängen. Naveriani gestaltet ihre Szenen wie Gemälde, wählt Farben und Ausschnitte, jedes kleinste Detail gehört zur Inszenierung, kein Zufall, keine unnötige Bewegung. Die Farben der Orte spiegeln die Gefühle der Protagonistin wider. So dominieren in ihrem Zuhause warme Erdtöne wie bei niederländischen Meistern, bei den Dorffrauen sind es eher helle Töne, die nie ganz zusammenpassen. Das lesbische Paar in der nächsten Stadt wiederum ist in leuchtendes Pastell gehüllt wird, passend zur liebevollen Atmosphäre, die dort herrscht und mit der Etero dort empfangen wird. Der Film lässt offen, ob man am Anfang des Films bereits das Ende vorhersieht, oder ob das nur eine mögliche Vision von Etero ist; man kann also wahlweise traurig oder eher beschwingt den Saal verlassen. Beglückt ist man auf jeden Fall.

 

(c) ch.dériaz

 

 

Klamauk

 

Wer behauptet, dass Schweizer keinen Humor haben, oder nicht über sich lachen können, sollte Bon Schuur Ticino von Peter Luisi sehen. Der Film war im vorgegangen Jahr einer der erfolgreichsten in der Schweiz. Dabei veralbert er einige der „heiligen Kühe“ der Schweiz: die direkte Demokratie und die Viersprachigkeit. Eine Volksabstimmung bringt scheinbar den Willen zutage, dass in der Schweiz nur noch eine Sprache, und zwar Französisch, gesprochen werden soll. Besonders im Tessin wehrt sich die Bevölkerung dagegen, es formiert sich Widerstand, die Grenzen zum Rest der Schweiz werden geschlossen, ein Bürgerkrieg droht. Aber ein Polizist aus der Deutschschweiz, sein merkwürdiger welscher Kollege und eine Tessiner Wirtin decken in letzter Minuten die Geschichte auf. Es gab viel Gelächter und Szenenapplaus im restlos vollen Saal. Allerdings ist das ein Film, der es wohl eher nicht über die nahen Grenzen schaffen wird, zu viele Sprachen, zu viele Interna. Aber sehr lustig.

 

Heimat? – Heimaten?

 

Gibt es einen Plural zu Heimat, fragt der Regisseur am Anfang einen seiner Protagonisten. In Echte Schweizer versucht Luka Popadić diese und andere Fragen zu klären. Selbst stellt er sich im Film vor als: serbischer Regisseur und Schweizer Hauptmann. Und damit ist das Thema etabliert: Schweizer, deren Eltern als Gastarbeiter oder als Flüchtlinge in die Schweiz kamen, die in der Schweizer Armee nicht nur die Rekrutenschule gemacht haben, sondern auch Offiziere sind. Sie haben serbischen, tamilischen, tunesischen familiären Hintergrund, aber sie sind eben auch Schweizer, mit allem, was für sie dazu gehört, und das ist auch die Landesverteidigung. Der Film zeigt sie zu Hause und in ihrer Eigenschaft als Offiziere, lässt sie über die Ambivalenz ihrer Herkunft und ihrer Heimat sinnieren. Und darüber, dass die Schweiz wohl trotzdem noch nicht so weit ist, etwa einen muslimischen General oder Bundesrat zu bestellen.
Sie sind echte Schweizer, auch wenn man ihnen das ohne Uniform manchmal abspricht.
Es wäre spannend gewesen, auch bei diesem „Heimatfilm“ die Reaktion des Publikums mitzubekommen, aber der Saal war restlos voll, daher blieb nur das Sichten am Computer, fern jeder Reaktion.

 

 

(c) ch.dériaz

 

 

Leichtigkeit

 

Zum Abschluss des Tages, noch ein Film mit einer Frau, die mit sich im Reinen ist, und sich gegen ihre Umgebung behauptet. Le vent qui siffle dans les grues von Jeanne Waltz ist die Geschichte von zwei Familien und der scheinbaren Unvereinbarkeit ihrer Lebenswelten. Eine Liebesgeschichte, der soziale und ethnische Unterschiede im Weg zu stehen scheinen. Aber hauptsächlich ist es die Geschichte von Milenie, die ein bisschen verrückt, ein bisschen wortkarg, ein wenig anders ist, aber die mit ungebremster Lebensfreude alle Hürden und alle Gemeinheiten seitens ihrer Familie einfach überspringt, als wäre nichts im Weg gewesen. Sie ist dabei entwaffnend ehrlich, selbstlos und arglos. Der Film, macht trotz einiger böser Wendungen die Leichtigkeit und Sorglosigkeit der jungen Frau spürbar, setzt sie in Bilder um und ist einfach schön.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

7 + acht =