Locarno#76 Geisterhaft

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Ab-und-zu App

 

Tatsächlich funktioniert seit heute früh die Festival-App, also vorausgesetzt man findet draussen wirklich stabiles WLAN. Sprich: Die App ist für den Gebrauch nicht wirklich geeignet. In jeder Warteschlange, in jedem Kinosaal unterhalten sich Menschen darüber, wie diese App nicht funktioniert, wie sie teilweise verhindert, dass man gebuchte Vorstellungen besuchen kann. Der Ärger darüber variiert von: Blödsinn bis zu: Wieso bekommen Leute Geld, die so einen Schrott entwickeln.
Dafür ist die Regenwahrscheinlichkeit rechtzeitig zum Wochenende ordentlich gesunken, der Samstag verspricht sonnig und schön zu werden.

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Am Eröffnungsabend haben tatsächlich 2.300 Personen auf der Piazza dem Regen getrotzt. Laut künstlerischem Leiter Giona Nazzaro sind bisher fast alle Vorstellungen in Kinos nahezu ausverkauft.

 

 

 

 

 

Wasser und Geister

 

Hao jiu bu jian (Dreaming & Dying) von Nelson Yeo zu verstehen ist nicht ganz einfach.
Die Geschichte mäandert in variablen Kreisen. Zunächst scheint man ein Treffen von Schulfreunden zu sehen. Die Beziehungen der drei scheinen allerdings schwierig: Sie verheiratet mit Ihm, verliebt in den anderen, der wiederum verliebt in ihren Ehemann ist. Und dann ist da noch das Märchen vom Meermann, der, egal wen er liebt, heimwehkrank nach dem Wasser ist, aber unsere zerstörte Umwelt macht jegliche Rückkehr schwierig. Dann gibt es den Fisch, der vom Ehepaar in einer Zeremonie durch den Dschungel ins Wasser getragen werden soll. Aber wer ist der Fisch? Verliebt in den Mann, durch alle Schichten der Zeit gekommen, um diese Liebe einzulösen, oder nur um zu sterben? Und wer ist die Meerfrau? Alles ist mit allem verbunden, das trifft es wohl am besten. Wirklich super sind die sehr grafisch komponierten 4:3 Bilder, die mittels Kamerabewegungen ein neues, anderes Bild der Situation ergeben. Eine eigenwillige Parabel auf die Liebe, die Welt, die Fische, das Meer.

 

Weitere Geister

 

Auch in den Kurzfilmen heute tummeln sich diverse Geister.
In Night Shift von Kayije Kagame und Hugo Radi ist das Geisterhafte noch nicht ganz sichtbar. Gäbe es nicht am Anfang eine Tafel, die von der Nachtlampe für die Geister des Theaters berichtet, würde sich das nicht erschliessen. Auch nicht ganz klar ist, warum der Film im sich füllenden Theater beginnt, also alles andere als leer und unheimlich, um dann im nächtlichen Naturkundemuseum zu landen. Hier dreht eine Nachtwächterin ihre Runden, seltsame Geräusche verführen zu Geister-Assoziationen, mehr aber auch nicht. Auf jeden Fall aber sehr schön gedreht.

iNTELLIGENCE von Jeanne Frenkel und Cosme Castro ist da schon expliziter. Der Film lässt Realfiguren auf animiertem Hintergrund agieren und schafft so eine irreale Ebene, die gut zum Thema passt. Eine Firma bietet an, aus persönlichen Erinnerungen einen Geist zu kreieren, der dann nach dem Tod der Erinnernden an die Hinterbliebenen geht. Ein desillusionierter Zeitungsredakteur nimmt das Angebot angesichts seines nahenden, frühen Todes an. Und selbst jetzt, wo er alles, was er fühlt, sagen könnte, schweigt er zu seinen wahren Gedanken, offenbart sich nicht mal für den Geist seiner Erinnerung. Unheimlich.

Scorched Earth von Markela Kontaratou ist eher eine Zombie-Geschichte. In einem Wutanfall tötet ein Mann seine Freundin, die Nachbarin beobachtet das Geschehen. Sie sucht und findet die Stelle, wo die Frau verscharrt wurde, und gräbt sie aus, doch da öffnet diese die Augen.

Pássaro Memória (A Bird Called Memory) von Leonardo Martinelli bietet eher keine Geister, es sei denn, der verlorene Vogel namens Memory ginge als Geist durch. Eine etwas versponnene Geschichte mit Tanzeinlagen, die angeblich von Ausgrenzung erzählt.

 

 

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Retrokitsch

 

Die ersten 30, vielleicht 40 Sekunden von Romain de Saint-Blanquats La Morsure sind vielversprechend. Rasanter Schnitt, Bilder, die neugierig machen, die Dramaturgie eines Horrorfilms. Aber dann?
Angesiedelt 1967 – auch wieder ein Trick, um ein altmodisches Frauenbild zu verkaufen? – in einer Klosterschule, in der Françoise, eine 15-Jährige, mit Pendeln und überbordender Phantasie von ihrem nahen Tod zu erahnen glaubt. Alle Bilder, alle Dialoge sind billige Stereotypen von erwachender Sexualität bei einem jungen Mädchen, und das alles völlig humorbefreit. Von Minute zu Minute gräbt sich die Geschichte tiefer in diese altmodischen, kitschigen und überholten Vorstellungen ein. Zu allem Überfluss wird eine Figur, die bis dahin Maurice gerufen wurde, plötzlich als Daniel bezeichnet. Auch das Benzin, dass er aus einem Tank geklaut hat, um sein Moped wieder fahrbereit zu bekommen, bleibt – damit das anfangs erträumte Feuer möglich wird – in den Händen anderer, obwohl er mit dem Moped vermeintlich Hilfe holen ist. Das sind so plumpe Fehler, dass man eigentlich nur lachen kann, geht aber nicht vor lauter Kopfschütteln über den freudschen Retrokitsch.

 

Schuldfrage

 

Die Piazza ist am Festival-Samstag eigentlich immer sehr gut besucht, diesmal werden kurz vor Beginn die sich immer noch nachdrängenden Zuschauer nur noch in kleinen Gruppen, und nur nachdem Plätze gezählt wurden, reingelassen. Das klingt eindeutig nach 8.000 Zuschauern. Aber einen Film, der die Goldenen Palme gewonnen hat, gibt es auch nicht oft auf der Piazza.
Anatomie d’une chute von Justine Trie hält, was man sich von ihm verspricht. Er ist spannend, extrem gut erzählt und irre gut gespielt. Was bei diesem Gerichtsdrama, wenn man es so nennen mag, besonders gelungen ist, ist die Ungewissheit, in der der Zuschauer bis zum Schluss bleibt. Alle Möglichkeiten sind offen, alles kann passiert sein. Die einzigen Momente, in denen man wirklich Partei beziehen möchte, sind bei den immer kruder werdenden Aussagen des Staatsanwalts, aber dann wieder: wer weiss? Der Film kam auf der Piazza gut an, wenn auch nicht frenetisch bejubelt. Für einen Publikumspreis braucht es vielleicht doch noch andere Zutaten.

 

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Es gehen auch in diesem Jahr Stühle auf der Piazza zu Bruch.
Manches bleibt verlässlich immer gleich.

Konsequenzen

 

Bei vormittags schon knallender Sonne auf ins wohl hässlichste Kino des Festivals. L’altra Sala hat den Charme einer Lagerhalle und Sitze noch unbequemer als die Plastikstühle der Piazza. Der Saal ist trotz allem brechend voll.

 

 

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The Vanishing Soldier von Dani Rosenberg ist ein beeindruckender Film, der in schnellem, fast leichtem Rhythmus Schweres erzählt. Der 18-jährige Shlomi, Soldat in Gaza, verlässt während eines Einsatztes seine Einheit. Ohne auch nur eine Minuten an Konsequenzen zu denken, rennt, springt und duckt er sich erst nach Hause und dann zu seiner Freundin nach Tel Aviv. Und während er noch alles für einen grossen Spass und eine noch grössere Liebeserklärung hält, läuft im Hintergrund der politische Apparat an. Die Armeeführung geht davon aus, dass er entführt wurde, mit allen drastischen Konsequenzen der israelischen Politik. Shlomis Chancen, aus dieser Situation zu kommen, werden immer schlechter, die Reaktionen der Armee werden unterdessen immer härter. Als er sieht, was seine unbedachte Aktion an Leid und Tod nach sich zieht, ist es zu spät, irgendetwas sinnvoll zu ändern. Am Beispiel einer persönlichen Dummheit erzählt die Geschichte das gesamte Dilemma des täglichen Konflikts in Israel.

Rabiat

Eine bunte Mischung, visuell und thematisch, bietet die heutige Ausgabe der Kurzfilme.
Rainer, a Vicious Dog in a Skull Valley von Bertrand Mandico ist ein sehr artifizieller Film. Auf einer Bühne in künstliches Blut und Gedärm getaucht, proben – oder leben – mehrere Darstellerinnen eine krude, weibliche Version von Conan der Barbar. Dazwischen, die hundsköpfige Kriegsphotographin Rainer, eine Dämonin, die einen Pakt vorschlägt, der nicht funktioniert. Sehr bunt, sehr schräg.

O gün bu gündür, uçuyorum (Ever Since, I Have Been Flying) von Aylin Gökmen. Ein Bericht über die Folter von Kurden. Erzählt grösstenteils im Off, zu Bildern kurdischer Landschaft und Menschen, die im Verlauf des Berichts immer mehr verschwimmen und immer abstrakter werden.
Faire un enfant von Eric K. Boulianne zeigt die vielfachen (Fehl)Versuche eines Paars, ein Kind zu machen und dabei ein Paar zu bleiben. Komisch, tragisch und liebevoll.
Der Animationsfilm De Imperio von Alessandro Novelli zeigt Humanoide, irgendwo im Universum, die kleinere, graphische Formen terrorisieren und zerstören. Bis eine neue humanoide Form auftaucht, ein nicht endenwollender Kreislauf. Sehr reduziert gezeichnet und doch schön.

 

 

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Veränderungen

Sweet Dreams von Ena Sendijarević erzählt von den letzten Wochen einer niederländischen Zuckerplantage in Indonesien um 1900. Als der alte Besitzer stirbt, will sein Sohn nur noch alles los werden und schnellst möglich zurück nach Holland. Die alte Mutter weigert sich, was sie aufgebaut haben, zu verlassen, die indonesischen Arbeiter streiken, und dann ist da noch das uneheliche Kind des alten Besitzers mit einer einheimischen Hausangestellten. In exakt kadrierten, oft achsensymmetrischen 4:3 Bildern entwickelt sich der gesamte Irrsinn einer überholten Zeit. Absolut sehenswert.

 

 

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Klassiker

 

Der Sonntag auf der Piazza verspricht: klassisches Drama ins Heute verlegt.
Nichts weniger als Shakespeares Othello hat Regisseur Edoardo Leo dafür ins Jahr 2001 und ins Mafiamillieu verlegt. Das klingt erstmal gar nicht schlecht.

Woran Non sono quello che sono – The Tragedy of Othello di W. Shakespeare krankt, ist vermutlich die Werktreue. Übersteigerte Männlichkeit, Rassismus, mieser Umgang mit Frauen, das alles passt im Prinzip gut zu einer Mafia-Geschichte, aber nicht so. Die Figuren behandeln tatsächlich nur den Shakespeare-Stoff, es gibt keinen wirklichen Hintergrund, in den das alles eingebettet ist, keine Anhaltspunkte, warum die Figuren handeln, wie sie handeln. Und so wird der Originaltext in römischem Dialekt präsentiert, in schönen Bildern, die eine kaputte Welt zeigen, aber zum Teil  so unüberlegt und sinnlos hektisch geschnitten sind, dass man die Freude an ihnen verliert. Den Faden der Geschichte hat man da schon lange verloren, und Publikum berühren kann man so auch nicht. Nach dem ersten Drittel sind dann auch relativ viele Zuschauer von der Piazza verschwunden. Schade um die an sich gute Idee.

#Locarno Das Wochenende

Berge und See Im Regen

 

Dunkle Wolken über Locarno
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Samstag in Locarno, das erste Festivalwochenende und dann das: Schwere dunkle Wolken hängen sowohl über dem See als auch über den Bergen. Wenn es noch nicht regnet, dann kann es nicht mehr lange dauern.
Zeit sich in einem Kinosaal in Sicherheit zu bringen.

Mis hermanos suñan despiertos von Claudia Huaiquimilla ist eine Anklage gegen das menschenverachtende Jugendjustizsystem Chiles. Ein Gefängnis für jugendliche Straftäter, die meisten eher 14/15 Jahre alt, Kinder eigentlich. Kinder aus den unteren sozialen Schichten, Kinder, die nicht mal mehr Träume haben, weil es für sie anscheinend nichts mehr zu träumen oder zu hoffen gibt. Sie werden weggesperrt, verwahrt, verwaltet, aber mehr nicht, und jedes dieser Kinder, dass das System nicht lebend verlässt, gilt den Behörden als ein Problem weniger, das gelöst werden müsste. Auf diesem faktischen Hintergrund baut die Regisseurin ihren Spielfilm, mit teilweise Amateurdarstellern, sie erzählt langsam, so, dass sich der Zuschauer der Verzweiflung und Mutlosigkeit der Insassen nicht entziehen kann. Kurze Phasen, in denen der eine oder andere es doch wagt zu träumen, mischen sich mit dem Alltag. Was bleibt, neben der Aussicht auf Nichts, ist eine starke Bindung und Solidarität unter den Kindern. Ein sehr schöner, schwerer Film.

In der Theorie wäre genug Zeit gewesen, von einem Kino zum anderen zu gehen, in der Praxis endete der erste Film, als der zweite anfängt. Ein dummer Rechenfehler. Daher: Programm im Gehen umdisponieren, Karte stornieren, neue Karte für andere Vorstellung reservieren, parallel in einen Keks beissen. Festivalalltag.

 

Kurzfilme – Dinge und Maschinen

 

Il faut fabriquer ses cadeaux von Cyril Schäublin zeigt die schöne neue Welt des virtuellen Erlebens. Allerdings mehr in der Theorie, in den Gesprächen darüber, als in der Praxis. Menschen in Betonlandschaft reden über holographisches Küssen, oder über Passwörter, um die Gedanken anderer zu erreichen. Schräg, ein bisschen beängstigend und ein bisschen zu wenig Film.

Dokumentarisch und komisch ist Ding von Pascale Egli und Aurelio Ghiradelli. Zwei Frauen, die ihre emotionale Liebe nicht auf Menschen oder Tiere richten, sondern auf Dinge, ernsthaft, ohne Zynismus. Die eine verliebt sich immer wieder in verschiede Dinge, mal in einen Kran, in einen Drucker etc., ihre aktuelle Liebesbeziehung gilt der Terrassenecke ihrer Nachbarn. Die andere liebt schon immer die schön geschnitzten Notenständer von Bechstein-Flügeln, dafür ist sie auch bereit zu stehlen, damit ihr Geliebter bei ihr sein kann. Es gibt wirklich mehr auf der Welt, als man sich vorstellen kann.

Im Animationsfilm Night lässt Ahmad Saleh die allegorische Nacht sich um Verletzte und Trauernde des Krieges kümmern. Sie schenkt Schlaf, sie schenkt Ruhe und damit die Chance auf Resilienz. Sehr schön gemacht.

A máquina infernal von Francis Vogner Dos Reis ist eine als Horrorfilm gezeigte Kapitalismuskritik. Die Maschinen einer fast ruinierten Metallfabrik grunzen, gurgelen und schnappen sich nach und nach die Arbeiter. Eine sehr schöne Arbeit mit den üblichen Geräuschen und Bildmotiven des Horrorfilms in einem Setting, das den Horror aus seiner Struktur bezieht.

 

 

Schockieren – oder nicht

 

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Angekündigt mit: Einige Bilder könnten sensible Zuschauer schockieren:
After Blue (Paradis sale) von Bertrand Mandico.
Was im Film diesen Warnhinweis rechtfertigt, erschliesst sich nicht. Angedeutete Selbstbefriedigung bei Frauen? Angedeuteter Sex zwischen Frauen? Die zwei vage erkennbaren verrotteten Leichen?
Ansonsten gibt es eine Szenerie, die an das Albumcover House of the Holy von Led Zeppelin erinnert, alles etwas verwaschen, verwunschen und in einem esoterischen Duktus. Ein Planet, auf dem nur Frauen leben, wo alles besser werden soll, als es auf der Erde war. Dazu sexuelles Begehren, ein bisschen „Heldinnenreise“, eine verschwurbelte Mischung aus Märchen, Mystik, Western und Sciencefiction und, um die 70er Jahre Bildästhetik komplett zu machen, Kaleidoskopeffekte bei Bildüberlagerungen, nicht zu vergessen: 130 lange Minuten durchgehend Musik .
Wenn das ein radikaler Film sein soll, dann hat die Kunst noch einen weiten Weg vor sich. Während der Vorstellung sind immer wieder Zuschauer rausgegangen, die eher gelangweilt als schockiert waren.

 

Monster

 

Beim Rausgehen ist klar, auf der Piazza Grande wird es am Abend nicht nur ungemütlich, sondern wirklich grausig.
Nach kurzer Pause also in die Schlange am Fevi stellen, und schauen, ob mit der Reservierung für die Piazza, wie versprochen, auch ein Platz im Fevi sicher ist.
Und ja, es funktioniert.

Die Uraufführung des Schweizer Films Monte Verità von Stefan Jäger zieht am Samstag Abend viel Publikum an. Zunächst aber gibt es einen Ehrenleopard für die Produzentin Gale Anne Hurd, eine Ehrung, die auch die Zuschauer begeistert. Monte Verità hält nicht, was er verspricht. Weder zeigt er wirklich Einsichten in das, Anfang des 20.Jahrhunderts, als radikal und innovativ geltende Sanatorium, Zufluchtsstätte für Anthroposophen, noch zeigt der Film ein Bild von sich aus den Korsetten – auch des Patriarchats – befreienden Frauen. Statt dessen, wenig packende Handlung, Darsteller, die nicht wirklich ihr Potenzial zeigen können, Musik, die mit dem Zaunpfahl winkend darauf hinweist, welche Gefühle gerade angebracht wären. Das ist schade, denn das Projekt, mit österreichischer und deutscher Beteiligung, war sicher teuer, da wäre viel mehr möglich gewesen.

Um Mitternacht dann, als Belohnung: The Terminator.
Auf der Piazza Grande wäre das sicher noch besser gewesen, aber auch im Fevi Kino ist die Leinwand sehr gross und der Sound super.
Und um zwei Uhr morgens hat dann auch endlich der Regen aufgehört.

 

 

Weite Landschaften

 

Piazza mit PardoKuh
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Noch türmen sich Wolkenberge über dem See, aber sie scheinen keine Regen zu bringen, rein dekorativ also.

Wolken über weiter Landschaft gibt es in Zahori von Mari Alessansrini. Die weite, karge Landschaft Patagoniens, wo die wenigen Menschen, die dort leben, von der Weite verschluckt werden. Eine zarte Geschichte vom Erwachsenwerden der jungen Mora, aber auch von den Kämpfen für Träume und gegen die gnadenlose Natur. Die Wege der einzelnen Figuren kreuzen sich, verbinden sich für einen Moment und driften wieder auseinander, als würde der ständig herrschende Wind sie verblasen. Der Film schafft, dass diese kargen Geschichten eine Spannung erzeugen und Interesse für die Figuren hervorrufen.

 

Kurzfilme – schwere Kost

 

Man trifft sich immer zweimal? Kaum sind die 130 mühsamen Minuten von gestern verdaut, kommt Bertrand Mandico mit einem 37 Minuten Kurzfilm schon wieder auf die Leinwand. In Dead Flash verbrät er hauptsächlich Reste aus anderen seiner Filme, was im Prinzip gut werden könnte. Wird es in diesem Fall aber nicht. Die erste Hälfte besteht wieder aus esoterischen 70er Jahre Effekten, kombiniert mit Takes, die sicher zu After Blue gehören, der zweite Teil für sich wäre sogar witzig, wenn er für sich allein stünde. Als Einheit ergibt das alles überhaupt keinen Sinn, keinen Fluss, und keinen Charme.

Dihay von Lucia Martinez Garcia ist ein experimenteller Dokumentarfilm. Die Regisseurin kündigt ihn an, als „ das in die Welt Kommen meiner kleinen Schwester“, und so irritiert ganz zu Anfang, dass man einen Jungendlichen sieht, der sich sehr schön und weiblich schminkt und zurecht macht. Vom kleinen Bruder zur kleinen Schwester in assoziativen Bildern. Hübsch.

Mask von Nava Rezvani ist der einzige narrative Film dieser Auswahl. Eine junge Iranerin lässt sich, auf Betreiben ihres Freundes, die Lippen aufspritzen. Als dieser das Resultat sieht, reagiert er nicht erfreut, sondern aggressiv-ablehnend. Eine Geschichte über das schwierige Selbstverständnis iranischer Frauen.

The Sunset Special von Nicolas Gebbe ist als Kurzfilm aus einer Multimediaarbeit hervorgegangen und arbeitet mit diversen Computersimulationen, Überlagerungen und Versatzstücken aus der Welt der Werbung. Etwas lang, aber nicht uninteressant.

 

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Die Taschenkontrollen haben sich tatsächlich beruhigt, es wird reingeschaut, mal ordentlich, mal nur ein kleiner Blick , aber es gibt keine tägliche Diskussionen mehr. Sehr angenehm, das Kontrollballett ist auch so reichhaltig genug.

 

 

Viel Action, viel Blut

 

Vengeance is mine, all others pay cash
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Seperti Dendam, Rindu Harus Dibayar Tuntas (Mein ist die Rache, alle anderen zahlen bar) von Edwin ist so etwas wie ein indonesischer Tarantino-Film. Kickboxen nach Strassenregeln, grosse Gefühle, Rache, Missbrauch, aber auch Witz, alles drin. Ein junges Paar mischt die fiesen Typen ihrer Gegend auf, angetrieben werden beide von sexuellem Missbrauch und Traumatisierung in früher Kindheit. Dieser Hintergrund und der Hang, sich mit allem und jedem zu prügeln, bringt sie zusammen, belastet aber im Alltag schwer die Beziehung. Brutal, blutig und auch sehr warmherzig.
Im übrigen gab es zu diesem Film keinen Warnhinweis…

 

Leinwandansichten
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Anlässlich des 70. Geburtstages der UN Flüchtlingskonvention, ist Gillian Triggs, beim UNHCR für Flüchtlingsangelegenheiten zuständig, auf der Piazza Grande zu Besuch, nicht um einen Leoparden in Empfang zu nehmen, sondern um für die Notwendigkeit der Flüchtlingskonvention zu sprechen. Und aufzurufen, auch von Seiten der Kunst, das Thema zu behandeln, weil auf diesem Weg möglicherweise mehr Empathie und Verständnis geschaffen werden kann.
Und dann muss man eigentlich hart schneiden, um auf den Film des Abends zu kommen.

Die Piazza füllt sich
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Der Jordanische Film The Alleys von Bassel Ghandur ist kein freundliches Wohlfühlmärchen. Der Mikrokosmos eines Stadtviertels in Amman, „Kleine Leute“ leben dort, Einzelhändler, Friseur, aber auch der lokale Mafiaboss und seine Leute, man kennt sich seit Generationen, und trotzdem, oder gerade deshalb, hat der Klatsch im Viertel einen hohen Stellenwert und ist gleichzeitig brandgefährlich. Aus diesem Klatsch, angefacht durch eine Erpressung wegen einer ausserehehlichen Beziehung, entsteht immer düsterer werdende Gewalt. Rache für dies, die wiederum Rache für jenes auslöst, und die Verhältnisse werden immer verworrener, auch deshalb weil sich immer jemand findet, der Teile der Wahrheit verschleiern oder beschönigen möchte. Ein ausgefeiltes Drama, actionreich auch ohne Verfolgungsjagden, eher lakonisch wie Filme des Neorealismus. Sehr spannend, sehr gut, aber auch sehr blutig. Auf jeden Fall beachtlich für einen Erstlingsfilm.