#Locarno75_Familienstress

 

neue Stühle
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Die Stühle

 

Es sieht so aus, als habe sich das Festival zum 75. Geburtstag einen Satz neuer Stühle für die Piazza geschenkt. Bisher ist zumindest keiner während der Vorführung zerbrochen. Die ikonischen gelben und schwarzen Plastikstühle sehen auch irgendwie frischer aus, bequemer sind sie allerdings nicht gewordenen.

 

Sternenstaub

 

Bei einigen Filmen fragt man sich schon, was die Auswahlkommission sich beim Programmieren gedacht hat. Bei Fragments from heaven von Adnane Baraka zum Beispiel. Ausgehend von einem Meteoriten, der irgendwo in der marokkanischen Wüste aufgeschlagen ist, ist der Film eine lange, elegische Meditation über die Zeit, das Dasein und dessen Sinnlosigkeit. Eine Zeitlang sind die zerklüfteten, verwitterten Gesichter der lokalen Hirten, vor ebenso verwitterter und zerklüfteter Landschaft, reizvoll anzusehen. Ihre Suche nach Fragmenten des Meteoriten, ihre Gedanken, die fast gehaucht, als Off-Texte, über den Bildern liegen, das alles trägt einen Moment, nutzt sich aber rasch ab. Anfangs gibt es noch einen Parallelstrang, in dem an der Uni über die Beschaffenheit von Meteoriten geforscht, aber auch philosophiert, wird. Aber dieser Strang endet recht abrupt, dient nur als eine Art metaphysischem Stichwortgeber: Wir sind alle Sternenstaub und Leben ist ein Kreislauf.
So weit ist der Film nur etwas langweilig. Kurz vor Ende wird er dann tatsächlich ärgerlich, als eine minutenlange Sequenz mit eruptierender Sonnenoberfläche, kollidierenden Steinen im All und nerviger Musik eingeschoben wird, nur um dann doch wieder bei den Hirten in der Wüste zu landen. Der Kreis der sinnfreien Bewegungen geschlossen.

 

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Das Ich

 

Zur Belohnung dann ein ganz starkes, tolles Kurzfilmprogramm.
Rien ne sera plus comme avant von Elina Löwensohn sind drei Kurzfilme in einem, ein filmisches Triptychon, gedreht in 8- und 16 mm. Sie treibt dabei eine Art Schabernack auf visueller und akustischer Ebene. Texte, die wie surrealistische Gedichte klingen, begleiten suggestive Bilder, die das Ich infrage stellen, und die über den Schnitt einen dramatischen Bogen bekommen. Das ist schön und lustig und ein wenig befremdlich.
Dancing colors von M.Reza Fahriyansyah erzählt auf einfühlsame und heitere Art von der mangelnden Akzeptanz von Homosexualität in Indonesien. Ein islamischer Geistlicher verspricht den Eltern eines schwulen Teenagers, mittels Hokuspokus den bösen Djin zu exorzieren und den Jungen so zu heilen. Wäre die Geschichte nicht so federleicht und auch mit Witz inszeniert, wäre das gruselig.
Kinderzeichnungen, die auf halluzinogenen Drogen eine Party feiern. Anders kann man die Farb- und Fantasieexplosion in Mini-mini-pokke no okina niwa de von YUKI Yoko nicht beschreiben. Unfassbar gut!
Asterión von Francesco Montagner ist wieder ein 8 mm Film.
Ein Stier in der Arena: er schnauft, rennt gegen die Banden an, ein Abbild von Männlichkeit. Gedreht und geschnitten, dass der, nicht gezeigte, Kampf zu jeder Sekunde präsent ist. Der zweite Teil des Films zeigt das Abtasten und Zerlegen des toten Tierkörpers, um letztlich in eine Art Metamorphose mit dem ihn zerlegenden Menschen zu treten. Sehr spannungsgeladen und komplett ohne Ton, wodurch die Bilder noch näher gehen.
Douwe Dijkstras Spezialität sind filmische Satiren mit viel Greenscreen-Einsatz.
In
Buurman Abdi erzählt er die Geschichte seines Nachbarn, der als Kind aus Somalia nach Holland geflohen ist, dort dann im Gefängnis landet, um schliesslich als Kunstschmied wieder auf die Füsse zu kommen. Man sieht, wie Regisseur, Nachbar und Helfer Mogadischu nachbauen, in diesem Setting spielen, erzählen, erfinden. Ein Film, der Filmtricks verrät, eine ernste Geschichte erzählt und dabei extrem lustig ist.

 

Vater und Tochter

 

Tengo sueños eléctricos von Valentina Maurel ist ein Film voller unterdrückter Gefühle, mit einer Familie in Auflösung. Die komplett fehlende Impulskontrolle des Vaters hat vermutlich die Ehe zerstört, in der Folge sind alle Beteiligten, Katze inklusive, in emotionalem Chaos. Während die kleine Tochter bei jedem Gewaltausbruch des Vaters vor Angst in die Hose pinkelt, versucht ihre 16-jährige Schwester den Kontakt beizubehalten, sogar zu intensivieren. Ihre Gefühlswelt, altersbedingt, in komplettem Aufruhr kollidiert mit dem Freiheitswunsch des Vaters, der Sorge der Mutter und den Wünschen der kleinen Schwester. Hin- und hergerissen zwischen Kindsein und Erwachsenwerden, alleingelassen und der Sicherheit durch die Eltern beraubt, lebt sie Schmerz, Auflösung und Ablösung und auch, ein bisschen, den Umgang mit Gewalt.

 

 

Komödien

 

Fürs Erste ist der Regen vorbei, einem entspannten Abend auf der Piazza steht also nichts im Weg.
Seit letztem Jahr wird der Locarno Kids Award vergeben. Dieses Jahr geht der Preis an die indische Regisseurin Gitanjali Rao. Eine Ehrung für ihr gesamtes Filmschaffen, vergeben von Kindern und Jugendlichen, die in speziellen Workshops und Schulung lernen, filmische Ausdrucksformen einzuordnen, zu begreifen und zu bewerten.
Gezeigt wird zu diesem Anlass ihr erster animierter Kurzfilm Printed Rainbow.  Rao hat für diesen Film jedes Einzelbild selber gemalt, weshalb die Herstellung dann drei Jahre gedauert hat – für 15 Minuten Film. Das Ergebnis ist optisch und inhaltlich ein schwebender Traum von grosser Schönheit und Tiefe.

 

 

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Danach die Komödie Last Dance von Delphine Lehericey. Ein freundlicher Film um einen Mann, der plötzlich seine Frau verliert. Während seine Kinder, Enkel und die Nachbarin einen Plan machen, damit sich immer jemand um ihn kümmert, löst er ein Versprechen ein, das er und seine Frau sich gegeben haben: Der, der zurückbleibt, macht das zu Ende, was der andere zum Zeitpunkt seines Todes angefangen hat.
In seinem Fall heisst das, sich einer Tanzgruppe aus Laien und Profis anzuschliessen, und an dem Stück weiter zu arbeiten, an dem seine Frau arbeitete. Das ist hübsch, und auch berührend. Allerdings sagt er nichts davon seiner Familie. Missverständnisse und die daraus entstehende Komik sind also vorprogrammiert. Wie bei vielen Komödien, ist die Diskrepanz zwischen Wissen und Nichtwissen der einzige Drehpunkt, um den herum sich die Komödie entwickelt, was doch irgendwie nicht genug ist, um wirklich komisch zu sein.
Dem Publikum hat es gefallen, es war der bisher lauteste und enthusiastischste Applaus.

 

 

Dekorative Wolken über dem See

 

 

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Die Hälfte des Festivals  ist bereits vorbei. Ob schon Leoparden dabei waren? Schwer zu sagen. Weiterhin ein Ärgernis:
Fehlende WLAN-Abdeckung auch in der, von einem Kapselhersteller betriebenen, Presse Lounge. Das ist wirklich ärgerlich, der Platz ist, besonders morgens, angenehm schattig, mit bequemen Sesseln, in denen man gut sitzen und schreiben kann. Nachdem Swisscom einer der Sponsoren ist, ist es wirklich mehr als unverständlich, warum es nicht machbar sein soll, ein flächendeckendes Netz anzubieten.

 

Haufenweise Lügen

 

Der Film Astrakan von David Depesseville schafft etwas unglaubliches: er zerstört sich mit den letzten Szenen selbst. Erzählt wird vom jungen Samuel, der bei einer Pflegefamilie, mit zwei eigenen Söhnen, im ländlichen Frankreich lebt. Auch wenn die Pflegeeltern mehrfach betonen, dass ihnen der Junge ans Herz gewachsen ist, machen sie ebenso deutlich, dass sie das staatliche Pflegegeld brauchen. Es herrscht ein verzweifelt-archaisches Klima, wo schnell zum Gürtel gegriffen wird, um zu strafen, wo der Onkel den Neffen, mutmasslich, missbraucht, die Mitschülerin ihre Promiskuität an Samuel auslebt, Kätzchen erschlagen werden, aber immer wieder eifrig zur Jungfrau Maria gebetet wird. Diese explosive Stimmung muss irgendwann zum Knall führen. Der Film erzählt all das in schönen, analog gedrehten, Bildern, manchmal meint man in einem alten holländischen Bild zu sein. Aber am Ende, nach dem Knall, wird noch einmal ein religiöser „Heiler“ gerufen, und in einer langen Folge von Bildern werden die unterdrückten, verheimlichten Geschehnisse – ein wenig – aufgedeckt, untermalt von Bachs Agnus Dei. Der Gipfel und die Zerstörung des Films ist erreicht, als in dieser (sinnlosen) Sequenz die Pflegemutter, namens Marie(!), ein schwarzes Lamm an ihre entblössten Brüste hält. Mehr Zerstörung eines bis dahin guten Films, der eben genau von all dem nicht Gesagten, nicht Gezeigten lebt, geht kaum noch.

 

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Krieg und Liebe

 

Das Kollektiv Total Refusal zeigt in Hardly Working 24 Stunden im „Dasein“ von nichtspielenden Figuren, oder Statisten, in einem Computerspiel. Diese Figuren, die eine Funktion, eine Aufgabe haben, sind trotzdem nur rudimentär programmiert, was zu teils absurden Momenten führt, aber vor allem als Metapher für die Ausbeutung der Arbeitskraft im Kapitalismus dient. Das ist gewitzt, intelligent und lustig.

Daron, Daron Colbert von Kevin Steen zeigt Darstellung und Selbstdarstellung des titelgebenden Daron. Der Film über den sehr übergewichtige Mann aus einem Industrieort nahe Detroit ist eine merkwürdige Mischung, nicht nur von Filmformaten, sondern auch von Sicht- und Erzählweisen. Nicht ganz überzeugend, aber einen Blick wert.

Heart Fruit von Kim Allemand erzählt von Liebe in all ihren Ausführungen. Oder eigentlich erzählt der Film eher von Versuchen, diese Liebe in einem heutigen, urbanen Kontext zu finden und zu halten. Schön sind die Bilder der sehr graphisch-architektonischen Umgebungen, in denen die Figuren agieren, auf der Suche nach etwas rundem, weichen, wenn man so will.

Paradiso,XXXI,108 von Kamal Aljafari ist ein schwieriger Film. Foundfootage von Soldaten, Kriegsgerät, Kriegseinsätzen, zum Teil montiert wie ein Industriefilm und unterlegt mit klassischer Musik. Das ist in weiten Teilen visuell und rhythmisch spannend, aber auch schwierig zu decodieren.

 

Apokalyptisch schön

 

Balıqlara xütbə (Sermon to the fish) von Hilal Baydarov wird es sicher nicht leicht haben in Kinos zu kommen, könnte sich aber zu einem gern gesehen Gast bei Festivals entwickeln. Eine Geschichte so künstlich wie künstlerisch, mit phantastischen Bildern einer desolaten Landschaft und einer wunderbaren, stimmigen Tongestaltung. Und dabei ist alles „unecht“, der Bildausschnitt macht aus aserbaidschanischen Ölfeldern eine tödliche Traumlandschaft, das gleiche gilt für die Bilder des Flusses mit Ölpfützen, die kargen Hügel und Steppen, aber eben auch für jeglichen Ton. Kein Geräusch, kein Dialogfetzen wurde während des Drehs aufgenommen. Und so wirken die beiden Figuren, ein aus irgendeinem Krieg heimkehrender Mann und seine, an einer seltsamen Krankheit leidende Schwester, wie die letzten Überlebenden nach der Apokalypse. Überstilisiert, verloren und trotzdem sehr schön. Hilal Baydarov bezeichnet sich als besessenen, schwierigen Menschen, wenn es um seine Filme geht, was wohl auch der Grund ist, dass er alles, Kamera, Regie und Sounddesign selber macht. Publikumsrenner werden solche Filme sicher trotzdem nicht.

 

 

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Eine Frau sieht Rot

 

Une femme de notre temps von Jean Paul Civeyrac ist ein klassisches Drama. Wenn man der ganz grossen Liebe nicht mehr vertrauen kann, dann nützt es auch nichts, dass man Polizeikommissarin ist und in einem tollen Haus lebt. Nachdem die Kommissarin (Sophie Marceau) befürchtet, dass ihr Mann eine Affäre hat, macht sie das, was man als Polizistin so tut: beschatten, hinterher schnüffeln, Beweise sammeln. Leider begegnet ihr dabei ein noch grösserer Verrat ihres Mannes, und ein Drama steuert unaufhaltsam seinem Höhepunkt und Ende entgegen. Der Film ist gut gespielt, gut gedreht, wartet mit einigen, nicht weiter geklärten, Schockeffekt(ch)en auf, ist aber sonst nichts besonderes. So gewinnt man eher keinen Publikumspreis.

#Locarno Letzter Tag und die Preise

Leoparden auch gespiegelt
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Zum Ende hin

 

Noch ein bisschen mehr Statistik. Die Vorstellungen fangen in diesem Jahr alle pünktlich an, am entzerrten Programm allein kann das nicht liegen. Aber es ist auf jeden Fall erfreulich. Auch auf der Piazza kann man damit rechnen, dass um Schlag 21:30 die Anfangsfanfare zu hören ist. Die Ehrungen fallen dieses Jahr etwas schlanker aus, die Abendvorstellung beginnt dadurch auch etwas früher.
Dem neuen künstlerischen Leiter Nazzaro merkt man jetzt langsam an, dass so ein Festival anstrengt, er wirkt bei manchen Präsentationen etwas müde, weniger fröhlich als am Anfang und vergisst auf der Piazza auch schon mal kurz, wie der Ablauf zu gehen hat, zum Glück ist in solchen Fällen seine Ko-Präsentatorin Giada Marsadri zur Stelle.

 

Geschwister

Schwesterlein von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond ist zuallererst ein Ensemblefilm, eine Plattform für das schauspielerische Können von Nina Hoss, Lars Eidinger und Marthe Keller.
Als ihr Zwillingsbruder schwer an Krebs erkrankt, zerlegt sich für seine Schwester nicht nur die Welt ihrer Kindheit, sondern es werden fundamentale Entscheidungen zu treffen sein, die auch nach dem Tod des Bruders noch Bestand haben müssen. Die Bilder der sanft beweglichen Kamera verschaffen der eher schweren Geschichte dann doch etwas Leichtigkeit.

 

Fevi_praktisch aber nicht schön
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Kurzfilme – Kinder

 

How do you measure a year? von Jay Rosenblatt ist eine wirklich lange Langzeitbeobachtung. Von ihrem 2. bis zu ihrem 18. Geburtstag filmt der Regisseur seine Tochter, auf immer demselben Sofa, in immer relativ demselben Ausschnitt und mit sich wiederholenden Fragen. Eine sehr private Studie von einer Vater-Tochter Beziehung, vom Werden und Wachsen des Selbstverständnisses, und zum Teil extrem lustig.

Papynik krosivky (Dad’s Sneakers) von Olha Zhurba. Ein Kinderheim irgendwo in der Ukraine, ein Junge soll am selben Tag an eine Familie in den USA vermittelt und abgeholt werden. Was er aber am meisten will, ist, Kontakt zu seinem Vater aufnehmen. Als er ihn am Telephon erreicht, legt dieser auf. Eine kleine, tieftraurige Geschichte.

Kaum etwas ist ermüdender, als ein Film, auch ein kurzer, bei dem man überhaupt nicht weiss, was er soll, wohin er will, so wie after a room von Naomi Pacifique. Ein Zimmer, zwei Frauen, ein Mann, alle nackt, irgendwelche Gespräche über Tattoos, Familie. Vermutlich sehr autobiografisch, trotzdem: Mühsam.

Squish! von Tulapop Saenjaroen ist ein ziemlich verrückter, teils animierter, teils real gedrehter Film, in dem es um unfertige Animationsfiguren geht. Grell, bunt, sinnlich.

 

 

Piazza Nachmittag
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Zauberei

Der nigerianische Episodenfilm Juju Stories von C.J. „Fiery“ Obasi, Abba T. Makama und Michael Omonua erzählt drei verschieden Aspekte der „Hexerei“. In der ersten Geschichte verhilft ein Zaubertrank einer Frau zu ihrem Traummann. Aber wie immer: aufgepasst beim Wünschen, der Traummann erweist sich in der Praxis als weniger traumhaft. Die Episode spielt sehr schön mit Real- und Wunschwelt, und spielt die Varianten durch. Die zweite Episode zeigt Zauberei, die unaufgefordert einsetzt. Ein kleiner Strassendieb findet Geld und wird in eine Yamswurzel verwandelt, die wiederum von einem Mechaniker verkocht und verspeist wird. Da ist der Wahnsinn nicht mehr weit. In der letzten Episode erweist sich eine Schülerin als sprichwörtliche Hexe, und räumt alle Mitschüler aus dem Weg, die zwischen ihr und ihrer besten Freundin stehen oder stehen könnten. Alle Episoden sind gut gemacht, aber eine weitere als die thematische Verbindung wäre schon auch schön gewesen.

 

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Kälte und Kameradschaft

 

Mit John Landis wurde ein weiterer Grosser des amerikanischen Kinos am vorletzten Abend auf der Piazza geehrt. Es gab viel Beifall für sein launig freundliches Erzählen über seine Arbeit, aber echter Enthusiasmus kam nicht auf.
Es sind diese Momente, in denen besonders auffällt, dass viel weniger Publikum am Abend unter freiem Himmel sitzt.
Danach dann der neue Film des russischen Regisseurs Gleb Panfilov, 100 Minutes. Die Geschichte, nach einer Kurzgeschichte von A. Solschenizyn, vom russischen Soldaten, der 1941 von deutschen Soldaten gefangen genommen wird, aber relativ schnell zu seiner Einheit zurückgeschickt wird. Dort wird er für einen Spion gehalten und umgehend für 10 Jahre in ein Lager für politische Gefangene geschickt. Hauptsächlich wird der harte Alltag im Lager erzählt, es ist kalt, schmutzig und das Essen ist widerlich. Aber in allen Szenen schwingt immer auch eine Art Verklärung der Solidarität und Kameradschaft mit. Die Geschichte will angeblich ergründen, was Menschen in solchen Situationen am Leben, am Hoffen, am Durchhalten hält. Ein etwas altmodischer Film sowohl in der Machart als auch in der Behandlung des Themas.

 

Die Zielgerade

 

 

Morgenlicht mit PardoKuh
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Während in Locarno die Sonne alle Bewegungen verlangsamt, laufen die letzten Filme in den kühlen Kinos.
Anders als üblich werden die Gold – und Silberleoparden nicht auf der Piazza Grande vergeben, sondern in einer gesonderten Veranstaltung am Nachmittag.

Ein bisschen Statistik geht noch: Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Regisseuren ist in Locarno ziemlich ausgeglichen, gleiches gilt für die Jurymitglieder. Es geht also, wenn man will.

 

 

Ausweglos

Der tunesische Film Streams von Mehdi Hmili zeigt, wie durch patriarchale, sexualisierte Strukturen Schritt für Schritt Leben zerstört wird. Statt den Vergewaltiger einzusperren, wird das Opfer sowohl des Ehebruchs als auch der Prostitution bezichtigt und eingesperrt. In der Folge prügelt ihr Sohn einen Mitspieler seines Fussballvereins krankenhausreif, aus dieser Abwärtsspirale gibt es bald kein entkommen mehr. Während die Mutter nach dem Gefängnis versucht irgendwie wieder Fuss im Leben zu fassen, flüchtet sich der Sohn zu Kleinkriminellen und versinkt in einer immer dunkleren Welt. Auch in dieser Welt hat der Stärkere die Macht und übt sie mit Schwanz und Fäusten aus, ein Verhalten, gedeckt von einem politischen und sozialen System, das diese Strukturen vorlebt.

 

Der letzte Abend

Zwar wurden auf der Piazza Grande am Abend nicht die Preise vergeben, aber alle Jurymitglieder und alle Preisträger durften auf die Bühne. Ein Preis wurde dann doch ausschliesslich auf der Piazza bekannt gegeben, der Publikumspreis für den besten Film auf der Piazza Grande. Völlig verdient gewann Hinterland von Stefan  Ruzowitzky.

 

Dario Argento
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Einen allerletzten Ehrenleoparden gab es dann doch noch, ein spontaner Leopard, als besten Nachwuchsdarsteller des Festivals und für sein Lebenswerk bekam Dario Argento den Preis, überreicht von John Landis. Viel Kino auf einer Bühne.

 

Musikalisch

Zum Abschluss dann Respect,, die Lebensgeschichte der Soulsängerin Aretha Franklin, von Liesl Tommy. Der Film erzählt nicht nur von ihrer Karriere als Sängerin, sondern auch von der amerikanischen Geschichte der 50er und 60er Jahre. Eine Lebensgeschichte, der es an Drama nicht mangelt und dazu mitreissende Musik, ein guter Film für einen warmen Sommerabend und für die grosse Leinwand.

 

 

Die Leoparden

 

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Der wunderbar schräge Film Seperti Dendam, Rindu Harus Dibayar Tuntas (Vengeance is Mine, All Others Pay Cash) des indonesischen Regisseurs Edwin gewinnt den goldenen Leoparden. Das ist aus vielen gründen toll, erstens, weil es wirklich ein gelungener Action-Film ist, der aber zweitens eine fabelhafte Frauenfigur sowie eine genreunübliche entspannte Sicht auf Sexualität in die Geschichte integriert.
Nicht nachvollziehbar ist der Leopard für die beste Regie, der an Abel Ferrara geht.

In der Nebenreihe Cineasti del presente gewinnt der tschechische Dokumentarfilm Brotherhood von Francesco Montagner. Auch wenn der Film einige Schwächen hat, ist es ein verdienter Preis.
Im gleichen Wettbewerb gewinnt Hleb Papou mit Il Legionario den Preis für die beste Nachwuchsregie. Auch das eine erfreuliche Entscheidung der Jury.


Bei den Kurzfilmen international gewinnt der sehr schöne brasilianische Film

Fantasma Neon (Neon Phantom) von Leonardo Martinelli den Pardino d’oro, der Pardino d’argento geht an Les démons de Dorothy (The Demons of Dorothy) von Alexis Langlois. Der Kurzfilm In flow of words von Eliane Esther Bots gewinnt den Preis für die beste Regie, und kommt damit in den Wettbewerb der European Film Awards.

Im nationalen Wettbewerb gehen die Preise an:

Chute (Strangers) von Nora Longatt Pardino d’oro und After a room von Naomi Pacifique Pardino d’argento.

Alle Preise: hier

Geschlossen bis nächstes Jahr
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Das Kino ist zurück, der Film ist zurück auf der Leinwand und zurück beim Publikum. Am 3. August 2022 wird dann die 75. Ausgabe des Filmfestivals von Locarno eröffnet werden.