#Diagonale Tierisches

 

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Früh und Sommerlich

 

Während Graz langsam wach wird, geht es los ins erste Kino. Der Unsinn im Buchungssystem der Karten wird offensichtlich: Die gebuchten Sitzreihen sind entweder zu weit vorne oder zu weit hinten. Und statt bequem und bereit zur Flucht am Rand, sind sie mitten in den Reihen. Saalpläne auf der Buchungsseite wären wirklich sehr, sehr hilfreich.

 

Zäher Start

 

Das erste Programm, Kurzdokumentarfilme, klingt gut, klingt spannend, ist am Ende aber nur zu einem Drittel geglückt.
Wir sind alle Kanaken von Kervin Saint Pere will einfach zu viel gleichzeitig. Er thematisiert Kolonialismuskritik, eine sprachwissenschaftliche und soziologische Analyse des Begriffs „Kanake“, und obendrauf noch Kritik an frühen Formen der Ethnologie, am Ende kommt alles zu kurz. Und was vor allem zu kurz kommt, sind die Bilder, das Filmische, obwohl er eine gute Grundidee hat. Von alten ethnologischen, kolonialen Photos schneidet er die abgebildete indigene Bevölkerung aus, hinterlegt die frei werdende Fläche mit Filmbildern, teils aus altem Material, aber auch mit neuen, symbolträchtigen Bewegtbildern. Das alleine wird mit der Zeit anstrengend zu decodieren, weil darüber von Anfang bis Ende der sehr intellektuelle, komplexe, zu komplexe Off-Text liegt. Als Zuschauer hört man auf, den an sich interessanten Gedanken und originellen Bebilderungen zu folgen.
Sehr gelungen, und mit minimalem „didaktischem“ Überbau, kommt Reihe 6 von Lennart Hüper und Bidzina Gogiberidze aus. Sie zeigen das Leben im Exil, in einem Dorf, das zunächst nur ein Flüchtlingslager war. Geflüchtete aus dem von Russland annektiertem Südossetien sind dort gestrandet, hängen geblieben, im Exil in Georgien. Während es für die Grosselterngeneration eine Tragödie bedeutet, Heimat und Gewohntes zu verlieren, spielen die im Exil geborenen Kindern völlig entspannt, leben wie alle Kinder, und wollen eines sicher nicht: den Ort verlassen, der für sie Heimat ist.
Tara Najd Ahmadi will in My Sleepless Friends die Schlaflosigkeit ergründen, ihre und die ihrer Freunde. Sie mischt dafür Gespräche – Online-Interviews – mit sehr disparaten und – für sie –assoziativen Bildern. Die Idee dahinter ist klar, aber die real existierende Ausführung funktioniert nicht. Die Bilder und ihr Rhythmus scheinen völlig beliebig über den Texten zu liegen, mal als Überlagerung, mal in langen Ein- und Ausblenden, ihre Beziehung zum Gesagten mag sich für die Regisseurin völlig logisch erschliessen, als Zuschauer wundert man sich und ist verwirrt. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Schlaflosigkeit viele Gründe hat, und dass 20 Minuten ganz schön lang werden können.

 

 

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Sehr schön Dunkel

 

Nachdem die Vorstellungen weitgehend entzerrt wurden, ist immer wieder Zeit, in der Sonne zu sitzen, die letzten Bilder sacken zu lassen, und sich auf die nächsten Bilder vorzubereiten.
Mit frischem Blick also zurück ins Dunkel, und das ist durchaus wörtlich gemeint.
Staging Death von Jan Soldat zeigt in 8 kompakten Minuten die Filmtode von Udo Kier. Alle Filmtode! Das ist witzig, skurril, gekonnt und sehr blutig. Kier als Meister des abseitigen Films bietet eine wirklich sensationelle Bandbreite an Filmtoden.
Wenn Albträume albträumen würden, dann käme dabei wahrscheinlich sowas wie Norbert Pfaffenbichlers 2551.02 – The Orgy of the Damned heraus. Wie schon im ersten Teil der als Trilogie angelegten Geschichte, taucht Pfaffenbichler Kellerräume in monochrom eingefärbte Horrorräume, in denen maskierte Gestalten ihr Unwesen treiben. Blut, Gedärme, Sex und Gewalt in allen möglichen Kombinationen, die sich damit ersinnen lassen, und alles ohne eine einzige Dialog- oder Textzeile. Aber bei allen originellen Einfällen, in der Basis erzählt er eine Geschichte voller Liebe, Empathie, Action und Verrat und löst die Sequenzen auch ganz klassisch oder genregerecht auf. Die Phantasie, das Aussergewöhnliche kommt allein aus den schrägen Gestalten, aus den Orten, der Farbdramaturgie, der Tonspur und der überbordenden Menge an vermeintlichen Schockeffekten. Ein Konzept, das wunderbar funktioniert, sofern man mit dem Genre keine Probleme hat.
Danach wundert man sich, dass draussen Menschen friedlich und unverletzt in der Sonne sitzen.

 

Der Nachwuchs schläft nicht

 

N.Geyhalter mit jungem Filmteam
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Während der nächsten Pause plötzlich hektische Betriebsamkeit. Eine Gruppe ganz junger Filmschaffender rennt in den Hof des Schubert-Kinos, räumt Tische weg, baut ihr Equipment auf. Auftritt Nikolaus Geyrhalter, der von der Gruppe interviewt wird. Der Profi ganz entspannt, die künftigen Profis leuchten still vor sich hin, ein schönes Bild. Am Ende des Interviews gibt er dem jungen Tonmann noch einen Tipp, wie er die Tonangel besser halten kann, ohne dabei Kraft zu verlieren.

 

Stilisiert

 

Le Formiche di Mida von Edgar Honetschläger will mit seinem Film dazu beitragen, dass der Mensch mit der ihn umgebenden und ihn nährenden Natur (wieder) pfleglich umgeht. Das ist ein nobles Ansinnen. Ob sein überstilisierter Film das wirklich schafft, bleibt unsicher. Über den immer sehr schönen Bildern liegen fast konstant Off-Texte, in denen die diversen Mythen, Philosophien und Religionen das Verhältnis von Mensch und Natur verhandeln. Es „sprechen“ ein Esel, ein Baumgeist, Ameisen, und – grösstenteils– Männer, deren Funktion im Gefüge nicht näher definiert werden. Das hat etwas filmpoetisch-essayhaftes und kann, wenn man sich Mühe gibt, mit den Landschaftsbildern in Beziehung gesetzt werden. Über die Länge des Films ist es aber etwas manieriert. Und die Frage, ob der Mensch die Natur nährt, oder die Natur den Menschen, ja, kann man diskutieren, ist aber beim aktuellen Zustand der Umwelt fast schon egal.

 

Tiere gehen immer

 

Während der Hochphase der Pandemie hatte auch der Salzburger Zoo geschlossen. Von den Tieren und ihren Pflegern in dieser Zeit handelt Zoo Lock Down von Andreas Horvath. Was bereits nach den ersten Minuten nervt, ist die Musik, sie suggeriert Spannung bis hin zu Horrorelementen, die der Film dann in keinster Weise einlöst. Insgesamt leitet der Film einen grossen Teil seiner Spannung von behaupteten Kausalzusammenhängen her, die aber selten belegt werden. Ja, dafür ist Schnitt (auch) da, man zeigt ein Tier, man hört ein Geräusch, man zeigt den Blick, oder die Bewegung. Wenn man also erklären will, wie Filmschnitt funktioniert, dann kann man das hier gut zeigen. Aber Horvath macht es sich damit irgendwie zu leicht, er zeigt zu selten den Gesamteindruck, und spielt zu oft mit den kreierten Erwartungen. Schön ist, dass es weder Interviews noch Kommentare gibt, die Tiere tun, was sie so tun in ihren Gehegen und Käfigen, die Pfleger arbeiten, und selbst die Tiere, die verfüttert werden, werden liebevoll in ihren Behausungen gezeigt. Am wildesten ist eine Sequenz, in der einem betäubten Nashornbullen von zwei Tierärzten Sperma „abgezapft“ wird. Das Spendersperma wird kurz untersucht und dann einer, ebenfalls betäubten, Nashornkuh in mühevoller Arbeit in die Gebärmutter gespritzt. Was man nie erfährt: Ist diese Transaktion erfolgreich verlaufen? Ein kleiner Verweis im Nachspann wäre schön gewesen.
Es wurde auf jeden Fall viel und fröhlich gelacht im Kino, weil: Tiere gehen immer.

 

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