#Diagonale 2024 Im Rampenlicht

 

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Im Rampenlicht

 

So ganz scheinen die Intendanten noch nicht in ihrer öffentlichen Rolle angekommen zu sein, zumindest bei den Filmpräsentationen im Kino wirken sie immer noch etwas unsicher. Aber wie alle künstlerisch Verantwortlichen aller Filmfestivals sind die vorgestellten Filme immer ihr Herzenswunsch oder etwas ganz besonders Tolles. Die Filme, die ich bisher gesehen habe, waren tatsächlich durchwegs gut bis sehr gut, regelrechte Enttäuschungen waren noch nicht dabei. Gut gewählt.

 

Fragen stellen

 

Besuch im Bubenland von Katrin Schlösser, die gebürtige Leipzigerin erforscht die männliche Seele im Südburgenland. Das klingt zunächst wie ein aussichtsloses Unterfangen, funktioniert aber sehr, sehr gut. Einerseits hat sie wirklich interessante, spezielle Protagonisten, auf die sie sehr offen zugeht, andererseits stellt sie ihre Fragen so geschickt, dass selbst der schweigsamste Typ sich öffnet. Dabei scheint das System ganz leicht: einfache Fragen stellen und dann abwarten, auch schweigend, bis Antworten kommen. Und die kommen, selbst wenn die Männer teilweise sagen, dass sie zu einem Thema nichts sagen werden. Das Warten lohnt sich, die Geduld, und eben die einfachen Fragen. Scheinbar mühelos öffnen sich die Männer, lassen auf ihre Gefühle schauen, und scheinen sich dabei nicht unwohl zu fühlen.
Schlösser dreht mit ihrem Handy und macht den Ton auch selber, kleinstes Team also, mit kleiner Technik. In weiten Phasen des Films funktioniert das gut, schöne Bildkomposition, klarer Ton. Wo die Handykamera an ihre Grenzen stösst, tut sie das allerdings radikal und das macht das Anschauen auf der Leinwand manchmal unangenehm. Schnelle Bewegungen im Bild, zum Beispiel vorbeifliegende Vögel oder herumstiebendes Heu, erzeugen unangenehme digitale Spratzer. Seitlich aus dem Fenster gedreht während Autofahrten macht fast so etwas wie seekrank, und zarte Strukturen im Gegenlicht generieren unschöne visuelle Artefakte. Das alles beiseite genommen, ist der Film rundum gelungen.

 

 

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Haus – Heim – Zuhause

 

Das 4. Kurzdokumentarprogramm erforscht ausgiebig den Begriff Haus/Zuhause.
Essayistisch machen das Simona Palmieri, Esther Kreiner und Elisa Cabbai in ihrem Film Stanze / Zimmer. Unter einer Autobahnbrücke am Rand von Bozen hat ein Mann sich eingerichtet. Kunstvoll bemalte Betonpfeiler, Fundstücke, Müll für andere, hat er zu Kunstwerken zusammengestellt. Aber der Mann ist abwesend. Die Suche nach ihm, nach dem Warum, wird auch zu einer Frage nach dem Selbstverständnis, das wir von einem Heim, einem Zuhause haben. Aber muss es immer 4 Wände haben? Reicht vielleicht auch eine Art von Dach über dem Kopf? Oder reicht es vielleicht sogar, sich einen Ort zu eigen zu machen, in dem man ihn liebevoll behandelt?

Einen ganz ähnlichen Ansatz haben Marvin Kanas, Julia Obleitner und Helvijs Savickis in The Desert House. Sie folgen im südlichen Texas den mobilen Fertighäusern, auf riesigen Tieflader gepackt, sind sie „versandfertig“, bereit dort abgestellt zu werden, wo jemand entscheidet wohnen zu wollen. Ebenso schnell fertiggestellt, wie wieder verlassen. Aber sind sie ein Zuhause, oder „nur“ ein Haus? Mit dem europäischen Konzept der Immobilie kommt man da schnell an gedankliche Grenzen. Aber auch in Texas können diese mobilen Heime nicht mehr überall stehen, und so haltbar wie Lehmhäuser sind sie in der rauen Wüste auch nicht, aber auch dort fehlen Fachkräfte. Das Geschäft mit den Fertighäusern boomt.

Was Jan Soldats After Work in dieser Reihe macht, erschliesst sich nicht ganz. Zwei ältere Männer treffen sich – nach der Arbeit – in der Wohnung des einen zum Sex. Ausziehen, kurz absprechen, was gewünscht wird, loslegen. Ob der Sex zwischen den beiden nicht so recht klappen will, weil sie dabei gefilmt werden, man weiss es nicht. Egal. Anziehen, verabschieden, fertig. Schneller Sex in einem Zuhause, vielleicht ist das der gedankliche Zusammenhang gewesen.

 

Böse

 

Veni Vidi Vici von Daniel Hoesl und Julia Niema ist eine zynisch-bitterböse Geschichte in schönen Hochglanzbildern. Ein schnöseliger Multimillionär, der zur Entspannung auf Menschenjagd geht. Einfach so, weil er es kann. Weil ihn niemand daran hindert, obwohl es völlig offensichtlich ist, dass er für die Morde verantwortlich ist. Die Verstrickungen aus (viel) Geld, Macht, Politik, Medien und Justiz ermöglichen es ihm und seiner Familie, mit allem durchzukommen, nicht nur mit willkürlichen Morden. Dabei sind alle stets freundlich, lächelnd, wirken engagiert, ihr Blick auf den Rest der Gesellschaft ist allerdings von zynischer Ekelhaftigkeit geprägt. Sie verachten die Anderen dafür, dass sie alles zulassen, nicht aufschreien, sich nicht wehren, das Offensichtliche nicht stoppen. Und die nächste Generation hat gelernt und steht schon bereit. Ein politisches Lehrstück in Form einer bitterbösen Geschichte.

 

 

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Körper

 

Corpus Homini von Anatol Bogendorfer zeigt die Arbeit am menschlichen Körper, eigentlich die Arbeit für den Menschen. Parallel zeigt er den Alltag eines Bestatter-Paares, einer Sexarbeiterin mit Zusatzausbildung für Sexarbeit mit körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen, einer Hebamme und einer Hausärztin. Der Film nähert sich den einzelnen Frauen und ihrer Arbeit sehr behutsam, und führt so die Zuschauer stückweise näher und tiefer in die Materie ein. Durch das langsame Herantasten entsteht ein grosses Verständnis für den Kern der Arbeit am und für den Menschen, man versteht, wie viel Kommunikation in allen vier Berufen nötig ist. Die Dramaturgie, die die Intensität der Arbeit immer weiter offenlegt, erzeugt dabei zusätzlich Spannung, und ist trotzdem nie voyeuristisch oder würdelos. Obendrein kommt der Film nicht nur ohne Kommentar, sondern auch ohne redende Köpfe aus! Ein toller Film, der sehr gut ankam und in einer angeregten Publikumsdiskussion endete.

Morgen Abend werden, bis auf den Publikumspreis, alle Preise vergeben, eine Spekulation, was den Jurys gefallen haben könnte, ist eher nicht möglich.

 

#Diagonale 2024 Der schöne Schein

 

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Der schöne Schein

 

Der Samstag in Graz zeigt sich sommerlich und selbst Strassenmusiker sind hier filmaffin. Oder zumindest der eine, der mit Akkordeon Filmmusiken spielt, von Dschungelbuch bis Star Wars, sehr hübsch macht er das.

 

Übernahmen

 

Der Tag startet mit einem Kurzspielfilmprogramm, Filme, in denen vieles anders ist, als es scheint, und die alle auf die eine oder andere Art subtile Grausamkeit verbreiten.
Ausgenommen davon vielleicht Gana – Neon Gold von Ganaël Dumreicher. Der Musikclip mit Dumreicher als Sänger, Performer, Regisseur und Produzent ist ziemlich schräg. Die etwas rohe Machart und der Stil haben einen 90-er Jahre Charme. Es blitzt Gold im Mund, und das Essen auf überbordend vollen Tischen ist zum Spielen da. Vielleicht hat das auch etwas subtil Grausames.

Söder von Raoul Bruck fängt als Webseiten-Kollage an, entwickelt sich aber rasch zu einer bösen Geschichte. Eine Frau engagiert einen Mann, der ihren Ehemann töten soll. Der Profikiller in Spe scheint aber eher in seinen Träumen und im Internet ein harter Kerl zu sein. Der Auftrag wandelt sich im Verlauf des Films dramatisch. Gewitzt gemacht, mit kleinen, scharfen Wendungen.

Besser so von Lotta Schweikert erzählt von Nora, einer jungen Frau, die ihr Leben und dessen Aussicht auf Erfolg mithilfe von Listen und Tabellen bewertet. Egal, ob ihre Versuche Gurken einzulegen, oder ihre Aktionen als Klimaaktivistin, alles wird in Zahlen gefasst und durchgerechnet. Dumm nur, dass das Ergebnis für sie ergibt „das geht sich nicht aus“, heisst: Sie wird es zu nichts bringen im Leben. Konsequenterweise fährt sie los, um sich das Leben zu nehmen. Absurderweise hat sie auf dieser Fahrt lauter schöne, fröhliche Erlebnisse, aber Nora hat es ausgerechnet: Es geht sich nicht aus.

Transfrauen, die sich als Männer ausgeben, um einen Überfall zu begehen, das ist die Kurzfassung von Isa Schieches  Die Räuberinnen. Aber es geht nicht um den Überfall, sondern um das, was die Figuren durchleben, auf sich nehmen, um diese zeitweilige Rückverwandlung zu schaffen. Auch, oder gerade, weil man nie erfährt, worum es in dem Überfall geht, ist das eine bewegende Metamorphose.

Fast noch radikaler ist die Verwandlung in Strangers Like Us von Felix Krisai und Pipi Fröstl. Ein Paar lädt ein Paar ein, man kennt sich nicht gut, aber der Abend verläuft erstmal freundlich. Szene für Szene verschieben sich die Rollen, die Perspektiven, wer wohnt in dem Haus, wer ist zu Besuch? Mit jedem Schnitt verschiebt sich die Sicherheit, zu wissen, wer was ist. Und gerade wenn man glaubt zu verstehen, dass der Film sich einmal im Kreis gedreht hat, erkennt man, dass es sich um eine Spirale handelt.

 

 

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Nach Hause

 

Der Photograph und Filmemacher dreht seinen Freund und Photograph, der mit 53 Jahren zurück zu seiner Mutter und in sein Kinderzimmer zieht. Die guten Jahre von Reiner Riedler hat vorab sehr viel Lorbeeren bekommen, entsprechend voll auch der Kinosaal. Langsam erfährt man in den Gesprächen, die mit der Kamera beobachtet werden, sowohl von der beginnenden Demenz der Mutter als auch von den Depressionen des Sohnes. Ein Bilderbogen der Familie öffnet sich, Erinnerungen an die Kindheit, Familienreisen, aber auch die photographische Arbeit des Sohnes. Manche Sequenzen sind wirklich sehr schön und auch aussergewöhnlich gestaltet, oft sind sie aber eher zweckmässig, wenn auch durchaus gut.
Viel mehr als die Protagonisten berührt das Haus, in dem die Zeit nicht nur konserviert ist, sondern es so etwas wie Zeitschichten gibt. Das Kinderzimmer ist beim Einzug leer, aber es hängen noch alle Poster an den Wänden, die Kellerräume sehen aus wie der Wunschtraum eines Archäologen und selbst im Garten gibt es heimliche Zeitberge in Form alter Waschmaschinen oder unbenutzter Möbel. Dennoch ist es mutig von Mutter und Sohn, sich so vor der Kamera und dem unbekannten Publikum zu entblössen.

 

Verspielt

 

Noch ein Kurzspielfilmprogramm, diesmal mit sehr verspielt-versponnenen Filmen. In Im Traum sind alle Quallen feucht von Marie Luise Lehner treffen unterschiedlichste Menschen in einer Sauna aufeinander. Aber nicht alle kennen sich aus mit den Saunaregeln. Auch das Exponieren des eigenen Körpers scheint nicht allen angenehm. Ein fast tänzerischer Traum von Wollen und Wünschen im exotischen Ambiente einer wunderschönen Badeanstalt.

Worum es in Ich hab dich tanzen sehn von Sarah Pech geht, erschliesst sich nicht wirklich. Ein Mädchen läuft in der Dämmerung und in der Nacht durch einen Ort, scheint Menschen hinter ihren beleuchteten Fenstern zu beobachten, hackt Holz, läuft weiter. Warum? Auch der Katalogtext hilft nicht wirklich weiter.

Ein Teil von mir von Vivian Bausch fängt ganz friedlich und sanft an. Eine Geburtstagsfeier, die 16-Jährige bekommt einen Kuchen, aber immer dabei, der Freund der Mutter mit seiner Videokamera. Jahre später, zum 50. Geburtstag der Mutter, bricht das Trauma der Tochter endgültig hervor. Missbrauch wird angedeutet, Verdrängung und Empathiemangel. Trotzdem gibt es am Ende eine Versöhnung zwischen Mutter und Tochter. Der Film ist gerade in seinen Auslassungen sehr stark und bedrückend.

Kinderfilm von Total Refusal ist auch beim zweiten Mal sehen einfach toll. In und aus der Computerspielwelt des GTA V zaubert das Künstlerkollektiv eine eigene Geschichte. Etwas fehlt in der Welt, aber Edgar in seinem Auto kommt nicht drauf, was das sein mag, selbst als er in den leeren Schulbus zusteigt nicht. Versponnen, kreativ und sehr lustig.

ZINN – Das Kapital von Leonie Bramberger ist ein animiertes Musikvideo. Sehr schön, aber eigentlich möchte man es nochmal sehen, um wirklich sehen zu können.

 

 

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Familienbande

 

Wer sich für Film interessiert, für den sind G.W. Pabst und seine ikonischen Filme alles andere als unbekannt. Viel weniger bekannt ist Pabst Frau, Trude. Dabei spielte sie in einem seiner Filme eine kleine Nebenrolle und schrieb zu einem anderen das Drehbuch. Pandoras Vermächtnis von Angela Christlieb schliesst diese Wissenslücke und öffnet den Blick nicht nur auf die Ehefrau des Regisseurs, sondern auch auf seine Familie. In assoziativen Erzählbögen, untermalt von Trude Pabst Briefen und Traumtagebüchern, verwebt der Film Geschichte und Privates mit Filmausschnitten und zeichnet so ein Familienbild, das aus den 20-er Jahren bis ins Heute reicht. Trude, die Frau an G.Ws Seite, die Grossmutter, der Krieg, aber auch das Leben der Enkel, alles verbindet sich und findet Reflexe in Pabst Filmen.

 

#Diagonale 2024 Die Eröffnung

 

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Die Neuen

 

Die Grazer Diagonale hat eine neue Doppelintendanz: Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar. Und noch bevor man sich ein inhaltlich-künstlerische Bild von ihnen machen kann, stechen einige Neuerungen ins Auge. Das Logo ist schlichter, aufgeräumter geworden, der Anfangstermin von Dienstag auf Donnerstag verschoben, der Katalog in Buchform ist verschwunden. Der Termin hat technische Gründe, zeitgemäss ist ein dicker, schwerer Katalog wohl eher nicht mehr und über das neue Logo könnte man streiten.
Was bleibt, ist die Eröffnung in der Helmut-List Halle, mit einer fröhlich-launigen Moderatorin, der Verleihung des Grossen Diagonale Schauspiel-Preises, dieses Jahr an Lukas Miko, mit Laudatio und emotionaler Dankesrede, und natürlich mit der Eröffnungsrede der Intendanten.
Waren die Reden der letzten Jahre oft (kultur)politisch und von kleinen Witzeleien und der persönlichen Sicht auf Film als Kunst- und Ausdrucksform geprägt, fielen Kamalzadeh und Slanar eher durch einen etwas trockenen und auch eher unpersönlichen Stil auf. Zentraler Satz, der natürlich einem Filmfestival bestens als „Gebrauchsanleitung“ dienen kann, die Hervorhebung der Kunst des Zusehens und des Zuhörens.
Die kommenden fünf Tagen sollten dazu reichlich Gelegenheit bieten.

 

Kinder

 

Ruth Beckermanns Dokumentarfilm Favoriten hat nach knapp einer Minute bereits die Zuschauer für sich eingenommen. Das ist rekordverdächtig.
Drei Jahre lang hat Beckermann mit kleinem Team eine Grundschulklasse und deren Lehrerin begleitet. Eine Klasse im Wiener Bezirk Favoriten, den manche Politiker gerne für ihre hässlichen Polemiken ausbeuten und zum Problembezirk stilisieren. Und ja, in der Klasse sind 24 Kinder, von denen wohl keines Eltern hat, die gebürtige Österreicher sind. Aber da hört dann die Problematik auch schon auf. Was man sieht, ist ein Haufen quirliger Kinder, denen nichts weniger als die Grundlage für ein selbstbestimmtes, respektvolles Leben beigebracht wird. Die Kamera bleibt scheinbar mühelos an den Kindern, reagiert entspannt auf Situationen und bindet die Kinder und die Lehrerin in das Drehgeschehen ein. So bekommt die Klasse den Auftrag, mit ihren Handys selber zu drehen, „bitte nicht hochkant und nicht die Finger vor die Linse halten“ wird ihnen mitgegeben, und schon legen sie los, mit Freude und Witz.
Es gibt extrem lustige und dann auch wieder ernste Momente, und eine Lehrerin, die diesen „Flohzirkus“ mit Freundlichkeit und Können leitet. Beckermann, und mit ihr die Zuschauer, beobachten, ohne zu bewerten, die persönlichen Entwicklungen der Kinder, die Schwierigkeiten und deren mögliche Lösungen liegen klar auf der Hand. Am Ende des Films glaubt man, was die Lehrerin den Kleinen, die auf andere Schulen wechseln werden, mitgibt: Ihr seid alle toll und ihr werdet alle einen guten Weg finden. Man hat am Ende aber auch verstanden, was für eine Mammutaufgabe das ist.

Das Publikum in Graz war begeistert, nicht nur vom Film, denn als die Lehrerin auf die Bühne kam, gab es noch mehr Beifall, der sich zu stehenden Ovationen steigerte. Ein guter Dokumentarfilm braucht auch Protagonisten, die von der Leinwand direkt die Zuschauer erreichen können.

 

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#Diagonale Der Abschied

 

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Zum Schluss

Das war sie also, die letzte Diagonale von Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger.
Es waren wie immer zu wenige Stunden, um alle Filme anzuschauen, die man hätte anschauen können, oder wollen. Ob das Grund ist, dass ich dieses Jahr so gut wie keinen der Preisträgerfilme gesehen habe?

 

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Preise

VERA von Tizza Covi und Rainer Frimmel gewinnt als bester Spielfilm den großen Diagonale-Preis des Landes Steiermark.
Souls of a River von Chris Krikellis bekommt als bester Dokumentarfilm den großen Diagonale-Preis des Landes Steiermark.
Immerhin zwei Preisträgerfilme sind dann doch dabei:
Cornetto im Gras von David Lapuch, die Geschichte der Abgehängten rund um einen Imbisswagen im ländlichen Österreich, gewinnt den Preis für den besten Kurzspielfilm.
Und die beste künstlerische Kamera geht an Klemens Koscher für 27 Storey – Alterlaa forever.
Alle Preise auf der Festivalseite.

Ausblick

Mit dem Ende der Diagonale 2023 treten Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh ihre Intendanz an. Wie sie das Festival gestalten werden, was ihre Vorstellungen sein werden, wie ihre Netzwerke funktionieren, wird sich alles im kommenden Frühjahr zeigen. Vielleicht gibt es dann ja auch Saalpläne für die Buchung der Tickets…

 

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#Diagonale Aus aller Welt

 

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Orte der Kindheit

 

Zum Glück gibt es Sichtungslinks, denn 27 Storeys – Alterlaa Forever von Bianca Gleissinger verpasst zu haben wäre wirklich schade gewesen. Auch wenn er natürlich auf einer Kinoleinwand noch schöner ist. Der Film ist eine Rückkehr an den Ort der Kindheit, den Ort, an dem die Regisseurin aufgewachsen ist. Eine Zeitreise nicht nur, um die Erinnerungen zu überprüfen, sondern auch eine Reise zu den städtebaulichen Ideen der 70er Jahre. Zu Wohnprojekten, in denen Menschen nicht nur zum Schlafen sollten, sondern wo auch Sozialleben, Gemeinschaft, etwas Dörfliches entstehen sollte. Alterlaa in Wien, ein Hochhauskomplex, mit Clubräumen, viel Grünfläche, Swimmingpools auf den Dächern, Geschäften und vielen schrägen Bewohnern, von denen einige Gleissinger ihre Türen geöffnet haben. Sie bei dieser Spurensuche zu begleiten, selbst nur auf der anderen Seite der Leinwand, ist ein grosses Vergnügen, in dem auch immer ein kleines Stück Wehmut mitschwingt. Am Ende verlassen alle ihre verklärten Kindheitsorte, und das ist gut so.

 

Schuldfragen

 

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Im grossen Annenhof-Kino wird am Morgen noch gesaugt und geputzt, während die ersten Festivalbesucher für die Frühvorstellungen eintreffen; eine merkwürdig schwebende Stimmung erzeugt das.

 

Selma Doborac überzeugt mit ihrem 130 Minuten langen Film De Facto, in dem sie zwei Schauspieler vor exakt inszenierter und kadrierter Kulisse von den Taten während eines nicht benannten Konfliktes sprechen lässt. Nichts anderes, keine Bilder von Schauplätzen, keine zerschossenen Häuser, keine Körper, nichts von dem, was man in dem Zusammenhang kennt. Stattdessen jeweils ein Mann an einem hochglänzenden Tisch, in einem Raum, der Innen und Aussen verschwimmen lässt, die Bäume draussen rauschen, es regnet, es donnert, unbeeindruckt, quasi emotionslos rezitieren sie das Grauen. Der eine, ein einfacher Soldat, der die scheusslichsten Handlungen schildert, sagt, dass man tat, was alle taten, spricht vom Entmenschlichen der Gefangenen in den Lagern, von Verstümmelung und Vergewaltigung. Spricht im Verlauf aber auch davon, dass ihm dann manches doch zu viel war, sieht sich als Zeuge der, für die Überlebenden aussagt, da diese doch als Zeugen, ob ihres andauernden Traumas, kaum zu gebrauchen sind. Der andere, ein Befehlsgeber, einer der „Autoren“ der Geschehnisse, spricht von sich immer in der zweiten Person, sieht sich als Verantwortlichen, aber nicht als Schuldigen. Sieht die Soldaten als stumpfe Tiere, denen man nie gesagt hätte, sie sollten entmenschlichen. Ein Technokrat, ein Theoretiker, der sich immer mehr in einer kruden Pseudophilosophie verliert. Sie sprechen abwechselnd, in jeweils einer statischen Einstellung, atemlos fast, ohne „Ähs“ und „Hms“. Das macht ihre Aussagen so extrem unangenehm, lässt sie noch mehr als alles andere unter die Haut kriechen. Man versteht die Universalität solcher Handlungen, solcher Gedanken; hier geht es – unausgesprochen – wohl um Bosnien, aber es kann um jeden sinnlosen Konflikt gehen, in dem Menschen entmenschlicht werden, die Opfer, genau wie die Täter.

 

Von Graz in die Welt

 

Das Rahmenprogramm In Referenz zeigt dieses Jahr, unter anderem, eine Auswahl Filme mit der österreichischen Schaupielerin Marisa Mell, Feuerblume – Die zwei Leben der Marisa Mell von Markus Mörth ergänzt die Reihe mit einem aktuellen Dokumentarfilm zur Person Mell. Leider ist der Film eher mittelmässig. Dabei hätte er alles, um gut und interessant zu sein: Eine Grazerin, die vom Reinhard-Seminar weg eine internationale Filmkarriere macht, Zeitgenossen und Weggefährten im Interview, gutes Archivmaterial, schön gedrehte Bilder aus Rom, wo Marisa Mell gelebt und gearbeitet hat. Aber einerseits ist einfach zu viel aufdringliche und sinnlose Musik im Film, und die schönen, neuen Filmbilder sind völlig beliebig und ohne sichtbares Konzept einfach so zwischen die Interviews und Filmausschnitte gepackt. Wirklich schade, da wäre mehr möglich gewesen.

 

Verantwortung

 

Wer wir einmal sein wollten von Özgür Anil ist ein melancholischer Film mit einem sehr guten jungen Schauspielensemble. Anna, eine junge Frau, meistert ihr Leben, sie arbeitet, versucht ihr Abitur nachzumachen, Geld für ihr geplantes Studium zu sparen, alles alleine. Aber um sie herum scheinen alle ihr Verantwortungsbewusstsein auszunutzen. Ganz zuerst ihr Bruder, der irgendwelchen windigen Gestalten viel Geld schuldet und sich bei ihr einnistet. Ihr Liebhaber ist ein Egomane, dem nur seine Karriere als Regisseur wichtig ist, ihre Mutter kümmert sich wohl schon seit Jahren nicht um sie. Und doch, Anna bleibt bei all dem eine zuverlässige Stütze für alle, auch wenn sie eigentlich keiner stützt, das ist traurig, irgendwie, aber auch sehr mutig. Ein schöner, unaufgeregter Film.

 

Überleben

 

Ein weiterer Film heute, in dem vom Grauen erzählt wird, was Menschen Menschen antun: A Boy’s Life von Christian Krönes und Florian Weigensamer.
Wie schon in ihren letzten Zeitzeugen-Filmen steht auch dieses Mal der Erzählende unabgelenkt im Fokus. Daniel Chanoch kam als etwa Neunjähriger ins Konzentrationslager, überlebte nicht nur Auschwitz, sondern auch einen Todesmarsch und wurde mit knapp 13 Jahren befreit. Eine Kindheit in der „Schule  Auschwitz“, wie er es selber nennt. Die ruhigen Schwarzweissbilder: Totalen, Halbtotalen, Nahe, alle vor schwarzem Hintergrund, lenken nicht vom Erzählten ab. Stattdessen entsteht der Eindruck eines Zwiegesprächs mit dem Zuschauer. Unterbrechungen, mit Material aus Archiven, dienen nicht der Untermalung des Gesprochenen, sondern sind Zäsuren, Pausen, in denen man trotzdem nicht aufatmen kann. Trotz der erzählten Grausamkeiten verströmt der Film Ruhe, durch den Duktus der Sprache, durch den langsamen Schnittrhythmus, man hört zu und wundert – wie so oft –  wie es sein kann, dass Menschen einander solche Dinge antun.

 

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Die Jurys in Graz haben wohl heute schon entschieden. Wer die Preisträger sind, wird dann morgen bekanntgegeben. 

#Diagonale Liebe und tote Tiere

 

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Lieben

 

Morgendlicher Spass: um 9:30 auf der Reservierungsplattform einloggen, um dann erstmal eine Fehlermeldung zu bekommen. Das wiederholt sich dann etwa zweimal, bis die Plattform die vermutlich vielen gleichzeitigen Anfragen „verdaut“ hat. Mittlerweile hat sich auch eingespielt, in welchem Kino, welche Reihen zu bevorzugen sind – wenn sie denn dann noch buchbar sind.

 

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Nur um es mal wieder gesagt zu haben: Es gehören mehr Kurzfilme ins Kino.
Egal wo, wenn es Kurzfilmprogramme zu sehen gibt, sind die Säle voll, unabhängig vom Wetter und der Uhrzeit. Das Frühprogramm Kurzspielfilm ist da keine Ausnahme. Wer also Tickets hat, wird belohnt mit vier schönen Filmen, die sich auf die eine oder andere Art mit Liebe befassen.

 

Die Zerredete

gschichtl von Franz Quitt ist eine wunderbare Übung in Schauspiel und Kamera. Ein Paar, oder eben nicht mehr Paar, zerredet die möglichen Reste einer Beziehung. Immer wieder wären sie kurz davor, einen Ansatz zum Lieben zu finden, aber zielsicher wird dieser dann zerredet. Darsteller, Kamera und Schnitt tragen den Film, obwohl wenig anderes passiert als Dialog.

Die Romantische

Voodoo Jürgens – Federkleid von Hannes Starz, Marianne Andrea Borowiec und Voodoo Jürgens. Ein wunderschönes, üppig ausgestattetes Musikvideo über die ultimative, endlose und romantische Liebe. Schöne balladenhafte Musik, und dazu zart gespielt eine Liebesgeschichte. Viel zu schade für reines Streaming.


Die Schräge

In Bye Bye, Bowser von Jasmin Baumgartner treffen eine wilde, punkige Musikerin und ein Bauarbeiter aufeinander. Zwei radikal unterschiedliche Welten prallen mit Wucht aufeinander, lassen für eine lange Nacht alles möglich sein, und scheitern am Morgen tragisch.

Die Tragische

Cornetto im Gras von David Lapuch zeigt verlorene Gestalten irgendwo im ländlichen Österreich. Einzig die Beziehung zwischen Enkel und Grossvater scheint von tiefen Gefühlen geprägt. Alle anderen Figuren, versammelt rund um den Imbisswagen des Enkels, verbindet eher die Gewohnheit und die über Jahre gewachsenen Abneigungen. Ein verloren gegangenes Pferd, eine junge Frau und eine tickende Standuhr, am Ende der Nacht reisst ein Ereignis kurz das Immergleiche auf, um dann wieder in den altenTrott zurückzufallen.

 

 

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Kraftvoll

 

Film, beschränkt in gewisser Weise durch die Zeit auf der und den Rahmen durch die Leinwand, kann genutzt werden, um zu zeigen, wie die Welt ist oder auch wie sie sein könnte. Mal ideal, mal utopisch, mal dystopisch, in der Enge von Zeit und Rahmen ist alles denkbar. Auch die Wirklichkeit. Evelyne Faye nutzt in Lass mich fliegen diese Möglichkeit. Ausgehend von ihrer eigenen Tochter, die mit Down-Syndrom geboren wurde, zeichnet sie ein Portrait von jungen Erwachsenen, die selbstbewusst und grossteils selbstbestimmt trotz und mit Down-Syndrom ihr Leben leben. Tatsächlich sind ihre Leben, ihre Träume nicht zu unterscheiden von denen anderer junger Menschen: eine erfüllte Partnerschaft, ein Beruf, soziales Miteinander, mit dem Unterschied, dass man ihnen von Staatswegen und von der Gesellschaft her immer wieder Steine in den Weg legt. Ein sehr schöner Film, der das Thema ohne Weinerlichkeit angeht, immer nah an den Personen bleibt, und durch die eingestreuten Sequenzen mit der kleinen Tochter, einen zusätzlichen Blick in Richtung Zukunft wirft.

 

Tote Tiere

 

In Archiv der Zukunft streift Joerg Burger durchs Innere des Naturhistorischen Museums in Wien. Im Zentrum stehen nicht die prunkvollen Säle, sondern die Hinterzimmer, Schubläden, Keller, Archive. Er zeigt das, was der Besucher nie zu sehen bekommt, aber wichtiger und unschätzbarer Bestand diverser Forschungsgebiete ist. Nass- und Trockenpräparate stapeln sich, und werden genutzt, um mit immer neueren wissenschaftlichen Methoden zum Beispiel DNA-Analysen vorzunehmen. Nicht nur Tiere, sondern auch Steine, Pflanzen und alte Akten sind Ziel der Forschung, und können Aufschluss aus der Vergangenheit für die Zukunft geben. Eine endlos erscheinende Arbeit, witzig anzusehen und informativ dazu.

 

Reisefieber

 

Petra Zöpnek erzählt in Wo ist Ida von der Weltreisenden und Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer, die ab den 1840er Jahren bis zu ihrem Tod alleine von Wien aus die Welt bereiste, und in Vielem die erste (weisse) Frau war. Soviel zu den „harten Fakten“. Der Film erzählt das alles auf extrem originelle und phantasievolle Weise, in vignettierten Schwarz-Weiss-Bildern, in Animationen, mit Zwischentiteln wie bei Stummfilmen, darunter eine ausgeklügelt komponierte Geräuschspur und immer wieder Zitate aus den Reisetagebüchern. So macht Geschichte Freude.

 

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#Diagonale Horror und Fussball

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Tonfilm-Bildfilm

 

Tatsächlich ist es immer wieder eine gute Idee, den intellektuellen Filmdiskurs zu hinterfragen, seine eingefahrenen Wege zu kritisieren oder sich darüber lustig zu machen. Selbst das Konzept auf den Kopf zu stellen, kann ein sehr guter Plan sein. Was bei Razzennest von Johannes Grenzfurthner passiert, ist allerdings eher grosser Unfug. Der Film besteht aus einer Bild- und einer davon losgelösten Tonspur. Im Bild gibt es Landschaft, kaputte Häuser, Friedhöfe, Kreuze, Details von jeder Komponente, die Tonspur ist ein Hörspiel, das immer mehr aus dem Ruder läuft. Am Anfang hört man eine Art Interview in einem Studio, zwischen einer Kritikerin und dem fiktiven Filmemacher der Bilder. Sie haben einen recht harschen, manchmal sogar ganz witzigen Austausch über Film als visuelles Medium, das sich, laut fiktivem Regisseur, nicht von Erklärung und Konzept in die Knie zwingen lassen darf. Dazu sind die Bilder ruhig, meditativ. Plötzlich wird aus dem Interview eine Art Horrorhörspiel, in dem sich der Tonmeister und der Kameramann in marodierende Horden aus dem 30-jährigen Krieg verwandeln, und in Folge das gesamte Studio abbrennen und am Ende alle tot sind. Die Bilder, werden – immerhin – dazu rabiater, schneller geschnitten, die Sequenzen abgefahrener. Aber es bleiben Bilder einer Landschaft, in der im 30-jährigen Krieg (wo nicht in Europa?) Mord und Totschlag herrschten, die gleichen Bilder wie vorher schon. Die Idee und Umsetzung sind eindeutig durchdacht und nicht beliebig hingepfuscht, und als Kurzfilm wäre das Ganze wahrscheinlich noch originell gewesen. So war es hauptsächlich anstrengend, und einige Zuschauer haben auch den Saal verlassen.

 

Geister

 

Um 18 Uhr hat bei vollem Saal ein Horrorfilm mit zarten Schockelementen seine Uraufführung: Heimsuchung von Achmed Abdel-Salam. Eine Kleinfamilie muss gegen die Geister der Mutter kämpfen. Wie immer in solchen Geschichten, was man aus der Vergangenheit verdrängt, verfolgt und peinigt in der Gegenwart, wenn man das Verdrängte aber erkennt, stehen die Geister plötzlich im Zimmer. Zumindest bis man sie erkannt, zurückgedrängt, ihren Ursprung verstanden hat. Sehr hübsch gemachter Film, schön gespielt, vor allem vom kleinen Mädchen (Lola Herbst), das die Bandbreite von Schreck bis Aufmüpfigkeit und wieder zurück perfekt beherrscht. Diese österreichische Produktion, keine Koproduktion, braucht sich vor vergleichbaren Filmen definitiv nicht zu verstecken.

 

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Fussball

 

… ned, tassot, yossot … von Brigitte Weich erzählt sowohl von Fussballerinnen als auch von Nordkorea. Was auch bei dieser zweiten Beobachtung – nach ..hana, dul, sed..– hervorragend gelingt, ist, die Protagonistinnen offen, liebevoll und voller Enthusiasmus erzählen zu lassen. Dabei ist es egal, ob sie über ihre Karrieren nach der aktiven Zeit als Nationalspielerinnen reden, über Kinderwunsch, Abtreibung oder die Verehrung für ihren politischen Führer. Weich mischt Privates und Politisches mit ebenso leichter Hand, wie sie in den verschiedenen Lebensphasen der Frauen hin und her wechselt, und sie so immer wieder auch ihr eigens Leben mit Humor kommentieren.So entsteht eine ehrliches, feinfühliges Portrait, in dem man die Frauen wirklich kennenlernt und das beim Schauen sehr viel Spass macht.

 

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Die heutigen Vorstellungen waren alle ausverkauft, und vor den Kassen bilden sich immer wieder Schlangen, um doch noch Restkarten zu ergattern.

#Diagonale Tierisches

 

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Früh und Sommerlich

 

Während Graz langsam wach wird, geht es los ins erste Kino. Der Unsinn im Buchungssystem der Karten wird offensichtlich: Die gebuchten Sitzreihen sind entweder zu weit vorne oder zu weit hinten. Und statt bequem und bereit zur Flucht am Rand, sind sie mitten in den Reihen. Saalpläne auf der Buchungsseite wären wirklich sehr, sehr hilfreich.

 

Zäher Start

 

Das erste Programm, Kurzdokumentarfilme, klingt gut, klingt spannend, ist am Ende aber nur zu einem Drittel geglückt.
Wir sind alle Kanaken von Kervin Saint Pere will einfach zu viel gleichzeitig. Er thematisiert Kolonialismuskritik, eine sprachwissenschaftliche und soziologische Analyse des Begriffs „Kanake“, und obendrauf noch Kritik an frühen Formen der Ethnologie, am Ende kommt alles zu kurz. Und was vor allem zu kurz kommt, sind die Bilder, das Filmische, obwohl er eine gute Grundidee hat. Von alten ethnologischen, kolonialen Photos schneidet er die abgebildete indigene Bevölkerung aus, hinterlegt die frei werdende Fläche mit Filmbildern, teils aus altem Material, aber auch mit neuen, symbolträchtigen Bewegtbildern. Das alleine wird mit der Zeit anstrengend zu decodieren, weil darüber von Anfang bis Ende der sehr intellektuelle, komplexe, zu komplexe Off-Text liegt. Als Zuschauer hört man auf, den an sich interessanten Gedanken und originellen Bebilderungen zu folgen.
Sehr gelungen, und mit minimalem „didaktischem“ Überbau, kommt Reihe 6 von Lennart Hüper und Bidzina Gogiberidze aus. Sie zeigen das Leben im Exil, in einem Dorf, das zunächst nur ein Flüchtlingslager war. Geflüchtete aus dem von Russland annektiertem Südossetien sind dort gestrandet, hängen geblieben, im Exil in Georgien. Während es für die Grosselterngeneration eine Tragödie bedeutet, Heimat und Gewohntes zu verlieren, spielen die im Exil geborenen Kindern völlig entspannt, leben wie alle Kinder, und wollen eines sicher nicht: den Ort verlassen, der für sie Heimat ist.
Tara Najd Ahmadi will in My Sleepless Friends die Schlaflosigkeit ergründen, ihre und die ihrer Freunde. Sie mischt dafür Gespräche – Online-Interviews – mit sehr disparaten und – für sie –assoziativen Bildern. Die Idee dahinter ist klar, aber die real existierende Ausführung funktioniert nicht. Die Bilder und ihr Rhythmus scheinen völlig beliebig über den Texten zu liegen, mal als Überlagerung, mal in langen Ein- und Ausblenden, ihre Beziehung zum Gesagten mag sich für die Regisseurin völlig logisch erschliessen, als Zuschauer wundert man sich und ist verwirrt. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Schlaflosigkeit viele Gründe hat, und dass 20 Minuten ganz schön lang werden können.

 

 

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Sehr schön Dunkel

 

Nachdem die Vorstellungen weitgehend entzerrt wurden, ist immer wieder Zeit, in der Sonne zu sitzen, die letzten Bilder sacken zu lassen, und sich auf die nächsten Bilder vorzubereiten.
Mit frischem Blick also zurück ins Dunkel, und das ist durchaus wörtlich gemeint.
Staging Death von Jan Soldat zeigt in 8 kompakten Minuten die Filmtode von Udo Kier. Alle Filmtode! Das ist witzig, skurril, gekonnt und sehr blutig. Kier als Meister des abseitigen Films bietet eine wirklich sensationelle Bandbreite an Filmtoden.
Wenn Albträume albträumen würden, dann käme dabei wahrscheinlich sowas wie Norbert Pfaffenbichlers 2551.02 – The Orgy of the Damned heraus. Wie schon im ersten Teil der als Trilogie angelegten Geschichte, taucht Pfaffenbichler Kellerräume in monochrom eingefärbte Horrorräume, in denen maskierte Gestalten ihr Unwesen treiben. Blut, Gedärme, Sex und Gewalt in allen möglichen Kombinationen, die sich damit ersinnen lassen, und alles ohne eine einzige Dialog- oder Textzeile. Aber bei allen originellen Einfällen, in der Basis erzählt er eine Geschichte voller Liebe, Empathie, Action und Verrat und löst die Sequenzen auch ganz klassisch oder genregerecht auf. Die Phantasie, das Aussergewöhnliche kommt allein aus den schrägen Gestalten, aus den Orten, der Farbdramaturgie, der Tonspur und der überbordenden Menge an vermeintlichen Schockeffekten. Ein Konzept, das wunderbar funktioniert, sofern man mit dem Genre keine Probleme hat.
Danach wundert man sich, dass draussen Menschen friedlich und unverletzt in der Sonne sitzen.

 

Der Nachwuchs schläft nicht

 

N.Geyhalter mit jungem Filmteam
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Während der nächsten Pause plötzlich hektische Betriebsamkeit. Eine Gruppe ganz junger Filmschaffender rennt in den Hof des Schubert-Kinos, räumt Tische weg, baut ihr Equipment auf. Auftritt Nikolaus Geyrhalter, der von der Gruppe interviewt wird. Der Profi ganz entspannt, die künftigen Profis leuchten still vor sich hin, ein schönes Bild. Am Ende des Interviews gibt er dem jungen Tonmann noch einen Tipp, wie er die Tonangel besser halten kann, ohne dabei Kraft zu verlieren.

 

Stilisiert

 

Le Formiche di Mida von Edgar Honetschläger will mit seinem Film dazu beitragen, dass der Mensch mit der ihn umgebenden und ihn nährenden Natur (wieder) pfleglich umgeht. Das ist ein nobles Ansinnen. Ob sein überstilisierter Film das wirklich schafft, bleibt unsicher. Über den immer sehr schönen Bildern liegen fast konstant Off-Texte, in denen die diversen Mythen, Philosophien und Religionen das Verhältnis von Mensch und Natur verhandeln. Es „sprechen“ ein Esel, ein Baumgeist, Ameisen, und – grösstenteils– Männer, deren Funktion im Gefüge nicht näher definiert werden. Das hat etwas filmpoetisch-essayhaftes und kann, wenn man sich Mühe gibt, mit den Landschaftsbildern in Beziehung gesetzt werden. Über die Länge des Films ist es aber etwas manieriert. Und die Frage, ob der Mensch die Natur nährt, oder die Natur den Menschen, ja, kann man diskutieren, ist aber beim aktuellen Zustand der Umwelt fast schon egal.

 

Tiere gehen immer

 

Während der Hochphase der Pandemie hatte auch der Salzburger Zoo geschlossen. Von den Tieren und ihren Pflegern in dieser Zeit handelt Zoo Lock Down von Andreas Horvath. Was bereits nach den ersten Minuten nervt, ist die Musik, sie suggeriert Spannung bis hin zu Horrorelementen, die der Film dann in keinster Weise einlöst. Insgesamt leitet der Film einen grossen Teil seiner Spannung von behaupteten Kausalzusammenhängen her, die aber selten belegt werden. Ja, dafür ist Schnitt (auch) da, man zeigt ein Tier, man hört ein Geräusch, man zeigt den Blick, oder die Bewegung. Wenn man also erklären will, wie Filmschnitt funktioniert, dann kann man das hier gut zeigen. Aber Horvath macht es sich damit irgendwie zu leicht, er zeigt zu selten den Gesamteindruck, und spielt zu oft mit den kreierten Erwartungen. Schön ist, dass es weder Interviews noch Kommentare gibt, die Tiere tun, was sie so tun in ihren Gehegen und Käfigen, die Pfleger arbeiten, und selbst die Tiere, die verfüttert werden, werden liebevoll in ihren Behausungen gezeigt. Am wildesten ist eine Sequenz, in der einem betäubten Nashornbullen von zwei Tierärzten Sperma „abgezapft“ wird. Das Spendersperma wird kurz untersucht und dann einer, ebenfalls betäubten, Nashornkuh in mühevoller Arbeit in die Gebärmutter gespritzt. Was man nie erfährt: Ist diese Transaktion erfolgreich verlaufen? Ein kleiner Verweis im Nachspann wäre schön gewesen.
Es wurde auf jeden Fall viel und fröhlich gelacht im Kino, weil: Tiere gehen immer.

 

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#Diagonale Grosse Gefühle zum Start

 

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Vorarbeit

 

Die Festivalarbeit beginnt noch vor der Anreise nach Graz, um 9:30 wird die Reservierungsseite freigeschaltet. Also schnell für morgen Tickets reservieren. Seit der Pandemie besteht keine freie Platzwahl mehr, wieso allerdings nur einige Plätze zur Auswahl erscheinen, ist etwas undurchsichtig. Und ohne Saalplan ist die Reservierung für den ersten Festivaltag ein Ratespiel: Welches war doch gleich die richtige Reihe? Welcher Platz ist aussen? Nun gut, spätestens übermorgen wird sich das wieder eingependelt haben. Die ersten vier Vorstellungen sind auf jeden Fall gebucht.

 

Grosse Gefühle

 

Milde 20 Grad am Eröffnungstag der Diagonale in Graz.
Die Helmut List Halle ist voll wie lange nicht mehr und mit etwas Verspätung gibt es den ersten Eröffnungsfilm des Abends: NYC RGB von Viktoria Schmid.
Sieben kurzweilige Minuten New York: analog und in Dreifachbelichtung, mit schrägen Farbakzenten und interessanter Tonbearbeitung. Eine Postkarte ans Publikum, eine Aufforderung zu träumen, ein schöner Einstieg.
Erst danach treten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber das letzte Mal vors Publikum, um die Diagonale zu eröffnen. Schon als sie auf die Bühne kommen, ist der Applaus mächtig, hindert sie anzufangen. Auch in diesem Jahr verbinden sie in ihre Rede Kunstgeschehen und Politik. Sowohl Weltpolitik als auch österreichische Lokalpolitik werden dabei mit kritischen Seitenhieben bedacht. Unterbrochen werden sie immer wieder von wildem Klatschen. Die Intendanten werden dann doch langsam etwas verlegen, ob dieser mächtigen emotionalen Welle, die sie zum Abschied anschwappt.
Auch die Vergabe des Schauspielpreises an Margarethe Tiesel wird von grossem Beifall und kleinen Freudentränen begleitet.

 

 

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Vom Warten

 

Spät, aber dann doch, die Österreich-Premiere von Das Tier im Dschungel von Patric Chiha.
Der Film beginnt mit grobkörnigen 4:3 Aufnahmen, ein Fest, irgendwo, Menschen tanzen, feiern, unspezifisch, eher ein Urlaubsfilm. Dann ein Sprung, Menschen tanzen, diesmal in einem Club, ausgelassen, wild, sexy. Im Off, eine Erzählerin, sie spricht von May und John, die sich 1979 treffen. Ein Paar, das den ganzen Film über kein Paar sein wird. Zwei Menschen, die im Warten verharren, während draussen die Jahre vergehen. Aber für May und John, die sich nur in diesem Club sehen und das auch nur samstags, steht die Zeit in einer Schleife. Für den Zuschauer bricht die Zeit immer wieder mittels kurzer Sätze, oder mittels kurzer Fernseh-Ausschnitte durch, schafft Zäsuren im immer Gleichen. Jahrzehnte verstreichen, andere Tänzer, andere Musik, aber das Warten, das die Beiden verbindet, wird nicht belohnt. Sie warten auf das Grosse, das eintreffen wird, irgendwann, und das Johns Welt komplett verändern wird. Mit May wartet auch der Zuschauer, und wie bei May schleicht sich doch bald die Erkenntnis ein, dass das, worauf John wartet, schon längst da ist, dass er sein und ihr Leben sinnlos vertrödelt mit dem endlosen Warten. Und das ist dann auch das Problem des Films, es ist so offensichtlich, auf was die Geschichte hinaus will, dass es dann viel zu lange dauert, dort anzukommen. Der Film halt viel Interessantes, zuallererst die Kamera, die Entfesselung und Statik spannend ins Bild bringt, und der Schnitt, der einem oft kontrapunktischen Rhythmus folgt, aber trotzdem: zu lang.

Gegen halb elf schiebt sich das Premierenpublikum dann hungrig und durstig ins Foyer, und wie im Film gibt’s dann: Party, das Warten hat ein Ende.

 

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# Diagonale Vorschau

 

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Der Anfang vom Ende

 

Das war sie nun, die letzte Diagonale Programmpräsentation des Intendantenduos Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger. In gewohnter Doppelconférence, die auch immer eine Art Schnellrede-Wettbewerb ist, führten sie durch das Filmprogramm ihrer letzten Diagonale.
115 Spiel-, Dokumentar-, und Experimentalfilme werden in Graz zu sehen sein, dazu noch Rahmenprogramme, Retrospektiven, Diskussionen und wie immer wird die österreichische Filmbranche in grosser Zahl die Gassen und Cafés der Stadt bevölkern.
Frühling in Graz eben.

Frühlingsanfang

 

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Eröffnet wird am 21. März mit dem bereits in Berlin gezeigten Spielfilm Das Tier im Dschungel (AT/BE/FR 2023) von Patric Chiha. Aber auch wenn der Eröffnungsfilm eine grosse Koproduktion und auch keine Uraufführung ist, sind im Programm dann doch eine ganze Reihe Uraufführungen vertreten.
Wie so oft machen hauptsächlich die Dokumentar – und Experimentalfilme neugierig, zum Beispiel Brigitte Weichs ...ne, tassot, yossot…, die Fortsetzung des grossartigen Hana, dul, set… über das nordkoreanische Flussballfrauennationalteam. Oder Archiv der Zukunft von Joerg Burger über das Naturhistorische Museum in Wien, und bei den Experimentalfilmen zum Beispiel Norbert Pfaffenbichlers 2551.02 The Orgy of the Damned.

Wenn man von der überschwänglichen Begeisterung der Intendanten ausgeht, dann wird diese Diagonale ein rauschendes Fest bunter Bilder, voller Emotionen, Humor und Intellekt.

 

Schernhuber und Höglinger in Aktion
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Kino-Flatrate

 

Nicht für Festivalkinos, sondern für den täglichen Kinobedarf gedacht, ist die neue Nonstopkino-Karte, die es ab Mitte des Monats österreichweit geben wird.
Mit dieser personalisierten Karte – sprich: nicht übertragbar – kann man dann für 24 Euro monatlich in jedes der mitmachenden Kinos gehen und so viele Filme schauen, wie man mag.
Der Haken an der Sache?
Es machen „nur“ die Programmkinos mit und, in wirklich grosser Zahl, auch nur in Wien.
Weiterer Haken, man muss sich mindestens 8 Monate binden. Bei Kartenpreisen von derzeit ca. 10 Euro, sollte man also dreimal im Monat ins Kino gehen. Jeden Monat, 8 Monate lang. Man muss also ein fleissiger Kinogänger sein, denn sonst sind die 24 Euro doch teuerer als sie erscheinen.

Da alles noch sehr in den Anfängen steckt, machen im Moment auch nicht alle Verleiher der Programmkinos mit, was dann auch bedeutet, dass einige Filme, selbst in den mitmachenden Kinos, nicht im Preis der Karte inbegriffen sind.

Ansonsten klingt das Projekt wie eine sehr schöne Idee, um einerseits mehr Menschen ins Kino zu bringen, dem Publikum preislich entgegenzukommen und andererseits die Planbarkeit für die Kinos zu erhöhen.