# Die Frauen und der Film

Goldener Bobby, oder: Mit der Faust auf den Tisch schlagen
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Ein Ärgernis

Worüber wir mal wieder reden sollten: Frauen im Film(geschäft).
Nein, nicht Frauen auf der Leinwand, nicht über das immer noch altväterliche Frauenbild in vielen Filmen, sondern über die Frauen, die „hinter der Kamera“ arbeiten könnten, wenn man sie liesse.

Unter Palmen

Gerade hat in Cannes eine Frau die Goldene Palme gewonnen.
Das ist super.
Das wäre super, wenn Julia Ducournau in 74 Ausgaben der Filmfestspiele von Cannes nicht erst die zweite Frau – nach Jane Campion (1993!) – wäre, der diese Auszeichnung zuteilwurde. Und wenn nicht von den 24 Filmen im Wettbewerb nur 4 von Frauen inszeniert worden wären.
Und wenn bei den weiteren Preisträgern mehr als nur eine Kamerafrau, Caroline Champetier bei Leo Carax’ Annette, und zwei Cutterinnen, Nelly Quettier, ebenfalls bei Annette, und Hayedeh Safiyari bei Asghar Farhadis A Hero, beteiligt gewesen wären.
Das ist zu wenig.

Zumal es, theoretisch, nicht an Frauen mangelt, die Regie führen, Kameras bedienen, Filme schneiden können. Die Filmhochschulen, um der Einfachheit halber nur diesen Ausbildungsweg zu nennen, bilden etwa gleich viele Männer und Frauen aus. Aber irgendwann nach ihrer Ausbildung verschwinden viele Kolleginnen im Nichts.

 

Die Anfänge

Als der Film sich erfand, hatte er nicht nur Gründungsväter, sondern auch viele Gründungsmütter. Aber damals hat wohl niemand dem neuen Spielzeug zugetraut, wichtig zu werden, gar Geld zu bringen. Und so kam das frauenfeindliche gesellschaftliche Korsett nicht zur Anwendung. Erst als der Film das Versuchsstadium und die Jahrmärkte verliess und anfing, wirtschaftlich interessant zu werden, griff das übliche Muster, und Frauen verschwanden langsam aus der Branche, zumindest da, wo sie sichtbar waren.

Eine Zeitlang, bevor man verstand, dass der Filmschnitt eine eigene künstlerische Gattung ist, durften Frauen noch schneiden, so wie sie Sekretärinnen sein durften. Aber je mehr der Film wuchs, je mehr Geld damit gemacht werden konnte, um so mehr wichen die Frauen. Beim Fernsehen dominierten die Frauen im Schneideraum, aber das war sprichwörtlich im Dunkeln, hinter den Kulissen. Sobald es um Kinofilme ging, wurden Männer engagiert.

Warum?

Egal ob Regie, Kamera, Schnitt oder Ton, es geht einerseits um Talent, dann um Handwerk und am Ende darum beides so zu verbinden, dass aus vielen künstlerischen Einzelteilen ein grösseres Ganzes wird.
Dafür braucht es keine primären männlichen Geschlechtsorgane.

Für manche Arbeiten braucht es eventuell mehr Kraft, aber es gibt sowohl zierliche, unsportliche Männer, wie sportliche, starke Frauen, Durchhaltevermögen ist nicht abhängig von XX oder XY, Phantasie ist an kein Geschlecht gebunden.

Warum stehen nicht mehr Kamerafrauen, Tonmeisterinnen, Regisseurinnen, Produzentinnen, Cutterinnen im internationalen Rampenlicht?

Harte Themen nur für Männer

Ein weiteres Vorurteil hält sich hartnäckig: Frauen taugen nicht für Actionfilme, für harte Geschichten, für Grausiges und Abseitiges.
Falsch!
Der Cannes Siegerfilm Titane von Julia Ducournau ist ein Science-Fiction-Film, dem es an Gewalt nicht mangelt, auch Kathryn Bigelows Filme sind kein seichtes Erzähl- oder Wohlfühlkino, und kürzlich hat Kamerafrau Agnès Godard in einem Interview gesagt, sie würde gerne einen Kriegsfilm drehen.

Die Kunst in der Filmkunst ist, das Können und Wissen jedem Stoff zur Verfügung zu stellen, unerheblich, ob man ein sensibles Kammerspiel, ein rasantes Kriegsdrama, einen wilden Akttonfilm, oder, oder, oder, vor sich hat.
Jeder Film hat seine eigenen Anforderungen, das Spannende an der Arbeit mit Geschichten setzt genau dort an, sich hineinzufühlen- oder zuwühlen, um das beste daraus zu machen. Dafür muss man im realen Leben weder eine Draufgängerin noch eine Kampfmaschine sein, es braucht nur das Verständnis für die Notwendigkeiten des jeweiligen Stoffs, mehr ist es nicht, bei keinem Film.

Kamerapreis

In diesem Jahr ging sowohl der deutsche als auch der österreichische Kamerapreis an eine Frau, an Christine A. Maier für ihre grossartige Arbeit bei Quo vadis, Aida?

Anlässlich der Verleihung in Österreich hielt Kamerafrau und Vorsitzende des österreichischen Kameraverbands, Astrid Heubrandtner, eine bemerkenswerte Rede zum Thema, sie endete mit dem Aufruf: engagiert die vielen gut ausgebildeten Frauen der Filmbranche.
So einfach könnte es sein.

 

Quoten?

Sind Quoten eine Lösung? Vielleicht.
Zumindest so lang bis sich herumgesprochen hat, dass man bei jedem Projekt eine bestimmte Person, mit bestimmten Qualitäten auswählt, unabhängig von dem, was in der Hose oder nicht in der Hose ist. Auch Festivals täten gut daran, mehr auf eine gleichmässige Verteilung zu achten, bei den Festivals, wo das schon stattfindet, gewinnen in letzter Zeit vermehrt Filme von Frauen.

Was für die Vorstandetagen von Multinationalen Betrieben gelten soll, kann gut auch für die Filmindustrie gelten.