Weihnachtliches Popcornkino

Artis Kino, Wien
(c) ch.dériaz

 

Natürlich kann man am 24. Dezember am frühen Nachmittag noch gehetzt letzte Einkäufe machen, Geschenke in glitzerndes Papier hüllen, endlich den Boden schrubben oder im Wald spazieren gehen.
Man kann aber auch das gerade frisch in Kino gekommenen Weihnachtsmärchen anschauen, in der letzten Heiligabend Vorstellung, bevor das Kino feiertäglich schliesst.

 

Artis Kino, Wien
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Der Saal im Artis Kino ist klein, aber es rummst, kracht und knallt, dass die Sitze vibrieren, hymnische Musik setzt ein, kein Zweifel, man sitzt im 9. Starwars Film, The Rise of Skywalker.

 

 

Wieso aber Weihnachtsmärchen?
Vordergründig ist da natürlich wenig Besinnliches.
Andererseits: Gute kämpfen gegen Böse, wobei den Guten manchmal ein Hang zum Bösen innewohnt und die Bösen dann doch nicht so ganz böse sind, und sich folglich kathartisch aus dem Film schleichen dürfen.

Nein, The Rise of Skywalker ist kein intellektueller Film, in manchen Szenen sollte man auch nicht zu genau hinhören, zu platt die Schlachtrufe der Guten, Starken und Unterdrückten, zu selbstgerecht, zu sicher ihrer Sache.

Im Kern aber werden mit viel Krach-Bumm und Action, mit niedlichen Plüschtieren und nett-versponnenen Androiden, konsensfähige Werte hochgehalten: Freundschaft, Solidarität, der Glaube an sich und, ein wenig, an die Liebe. Kurz bevor der Kitschkübel überzulaufen droht, folgen sicher Actionszenen, die Heldinnen und Helden bleiben, bei aller latenten sexuellen Anziehungskraft, dann doch sehr asexuell, verbunden allein in rührender Freundschaft; durch und durch familientauglich.

Ein Märchen also, mit einem wirtschaftlich kalkuliertem Filmstart in der Vorweihnachtszeit, ein Weihnachtsmärchen, etwas kitschig, etwas albern, auf jeden Fall spannend.

Artis Kino, Wien
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Und so wie manche eine ganze Tafel Schokolade oder einen vollen Teller Kekse in sich hineinfuttern, ohne das als Nahrungsaufnahme zu sehen, gönnen sich andere  142 Minuten Kinospektakel – weil es Spass macht, ohne grossen Anspruch zu stellen.

 

 

Wieder draussen huschen die letzten Einkäufer, Punschtrinker und Touristen durch die fast leere Innenstadt, auf dem Weg zu ihren Keksen, Schokoladen oder anderen Weihnachtsvergnügen.

Artis Kino, Wien
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#insKino Admiral

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Wer in Wien ins Kino gehen will, hat reichlich Auswahl, gerade was Programmkinos angeht. Und auch die Zahl der „Traditionskinos“ ist beeindruckend.
In der Burgasse 119, da wo der 7. Bezirk nicht mehr ganz so schick und gentrifiziert ist, gibt es seit 1913 das Admiralkino.
Das Kino selbst nennt sich Nahversorgerkino, also der „Tante-Emma-Laden“ oder die „Eckkneipe“ unter den Kinos.
Das ist eine hübsche, sympathische Idee und betont nebenbei den kulturellen Mehrwert, den ein Kino einem Wohnbezirk bringt, und das schon so viele Jahre.

 

Auch das Admiralkino ist nicht frei von Schatten, auch hier wurden die jüdischen Besitzer Margarethe und Ludwig Ebner vertrieben, ihr Betrieb „arisiert“; immerhin wurde im Fall des Admirals nach dem Krieg der Besitz zurückgegeben und die Familie hat das Kino dann verkauft.

 

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Vor etwa 11 Jahren war das Admiral von Schliessung bedroht, ein Aufschrei ging damals durch die Nachbarschaft, und schliesslich übernahm Michaela Englert das Kino.

 

Obwohl es mit digitaler Technik für die Filmvorführung ausgerüstet ist, steht der alte Filmprojektor noch funktionsfähig in der Vorführerkabine. Einer analogen Filmvorführung stünde nichts im Weg. Der Saal bekam kürzlich neue, bequeme Sitze mit reichlich Freiraum für die Beine, man sitzt gut.

Rote Sitze, was sonst
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Der Vorraum hingegen hat etwas Altmodisches an sich. Aber genau das macht den Ort aus, man freut sich auf die Vorstellung zu warten, dabei zu schauen und zu staunen, in Büchern zu stöbern und in Ruhe ein Glas Wein zu trinken.

Der Gang ins Kino: ein lineares und analoges Vergnügen, leise aber deshalb nicht weniger intensiv und schön.
Gezeigt werden hauptsächlich europäische Filme, oft solche, die es sonst nirgends zu sehen gibt, oder aber etwas später als in anderen Programmkinos, zum Nachsehen also.
Ein Kino für Menschen mit Zeit. Und an jedem ersten Donnerstag sogar für Menschen mit Hund, auch wenn das anscheinend mehr eine lustige Idee bleibt, denn ein Angebot, das wirklich genutzt wird – aber es könnte genutzt werden.

 

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Für alle, die das Admiralkino also noch nicht kennen der Vorschlag:
Hingehen, anschauen, Ticket kaufen, entspannen, entschleunigen. Wer weiss, vielleicht ist ja ein Kinogutschein auch ein schönes Weihnachtsgeschenk.

 

Zurzeit läuft unter anderem noch der wunderbar skurrile nordmazedonische Film Gott existiert, ihr Name ist Petrunya (Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija).
Ein langsamer Film, der seine tolle Darstellerin Zorica Nusheva perfekt in Szene setzt. Schauen, wundern, Kopf schütteln, Freude haben; so geht Kino.

#FilmTipp LINA

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Ein Filmtipp für Kurzentschlossene.

Ein Film über eine kämpferische Frau, die Anfang 1900 gegen Konventionen und Vorurteile ihren Weg finden musste.
Wenn man Lina Loos überhaupt erwähnt, dann als Ehefrau des Architekten Adolf Loos.
Der Film Lina der Regisseure Walter Wehmeyer, Christine Wurm, Tino Rantfl und Andreas Scherlofsky füllt diese Wissenslücke. Porträtiert und dramatisiert die 4 Jahre Linas Ehe mit Loos, zeigt eine wilde, lebenslustige junge Frau, die glaubt, einen Seelenverwandten gefunden zu haben, einen der im bürgerlichen Konsens anders denkt. Aber auch Adolf Loos ist ein Kind seiner Zeit, sein avantgardistischer Blick reicht für seine Kunst, nicht aber für seine Frau. Auch eine kurze, heftige Affäre mit einem jungen Studenten befreit Lina nicht aus dem Korsett der Zeit.
Ein ruhiger Film, oft in langen stillen Einstellungen erzählt, um dann immer wieder kurz zu explodiert; ein Erzählfluss, entgegen dem was man heute „so macht“, aber perfekt geeignet für diese Geschichte.

Der Film läuft am 4. Dezember um 19:30 in den Breitenseer Lichtspielen, davor gibt es ein Konzert des Frauenchors Lokalkolorit. Eine Art Überraschungsei für Kunstliebhaber also, Konzert, Film und das alles im ältesten durchgehend bespielten Kino Wiens.

Den Trailer gibt es auch hier