#FilmTipp Past Lives

 

 

(c) Eva-Maria Pelz

 

 

Liebesgeschichte

 

Nein, dass Past Lives von Celine Song im Wesentlichen eine Liebesgeschichte ist, braucht einen, ausnahmsweise, nicht davon abzuhalten, ins Kino zu gehen.
Ganz im Gegenteil.
Wer Past Lives noch nicht gesehen hat, sollte das schleunigst nachholen.

Der Film ist nicht nur wunderschön gedreht, er erzählt auch auf intelligente und witzige Art von den Möglichkeiten, der Wahl, die man im Leben hat. Und davon, wie man damit umgeht.
Zugegeben, es wird viel geredet in diesem Film, aber eben nicht nur. Die Blicke, Blickwechsel, das Mienenspiel, die Körpersprache der Darsteller
(Teo Yoo, John Magaro) und Darstellerin (Greta Lee), erzählen fast noch mehr.

Kindheitsträume

Die erste, zarte Verliebtheit der zwölfjährigen Kinder Na-young und Hae-sung wird kalt unterbunden, als Na-youngs Familie nach Kanada auswandert.
12 Jahre später finden die beiden sich Online wieder. Ein neuer, erwachsenerer Austausch entsteht, aber eben nur per Skype-Anrufe oder E-Mails. Jeder, der Kindheitsfreunde nach langer Zeit wiederfindet, kennt diese merkwürdige Vertrautheit, gepaart mit grosser Verwunderung und einem Schuss Unsicherheit. Und diese Gefühle spiegeln sich nicht nur in den Dialogen wider, sondern auch in der Körpersprache.

Endlich Erwachsen

Noch einmal 12 Jahre später stehen sie sich endlich gegenüber, in New York, wo Na-young, mittlerweile verheiratet, lebt. Der Film spielt mit der Möglichkeit, die Träume der Vergangenheit in der Gegenwart umzusetzen, zeigt aber dabei ganz klar die Problematik eines solchen Unterfangens. Zwei Szenen bilden dabei den Drehpunkt der Geschichte, das Treffen der beiden „Kinder“ und das Gespräch Na-youngs abends mit ihrem Ehemann. Während das Treffen von Na-young und Hae-sung linkisch, aber auch wieder „süss“ erscheint, zeigt das Gespräch abends, wie eine erwachsene, souveräne Partnerschaft funktionieren kann.

Der Film lässt sich Zeit, die Gefühle zu zeigen, zu verstehen, zu bewerten und Entscheidungen zu treffen, dennoch ist er fesselnd, spannend, schön und kitschfrei. Und am Ende möchte man eigentlich sofort eine Reise nach New York buchen.
Zeit also, Past Lives anschauen zu gehen.

In Wien läuft der Film weiterhin im Gartenbau Kino – auch das ein guter Grund, trotz sonnigem Herbstwetter ins Kino zu gehen.

 

#FilmTipp Everything Everywhere All at Once

 

(c) ch.dériaz

 

 

Wieviele Welten

 

Hinter jeder getroffenen Entscheidung verbirgt sich – mindestens – eine Entscheidung, die man verworfen hat.
Was also, wenn alle diese ungenutzten Möglichkeiten eine eigene, parallele Welt generierten, in denen die verworfenen, nicht getroffenen Entscheidungen,
getroffen wurden? Everything Everywhere All at Once von Daniel Scheinert und Daniel Kwan spielt die multiplen Möglichkeiten durch.

 

Frechheit siegt

 

Ausgangspunkt ist eine chinesischstämmige Familie in den USA. Das Ehepaar betreibt einen Waschsalon, der mehr schlecht als recht läuft, der alte Vater muss mitbetreut werden und die Teenager-Tochter ist lesbisch. So weit bieten sich vielfältige Variablen, aus denen Stoff für Stress und Komik geholt werden können.
Auf dem Weg zum Finanzamt mischt sich dann aber die erste neue Spur in die Geschichte: ein Paralleluniversum, das dringend Hilfe braucht.
Ab da wird der Film mit jeder Wendung wilder, mischt asiatische Kampfkunst mit Science Fiction, Komik mit Spannung, persönliche Befindlichkeiten mit philosophischen Fragen.
Das funktioniert mittels rasanter Schnittfolgen, in denen in der Bewegung von Welt zu Welt gesprungen wird. Visuelle Spielereien, kurze Animationssequenzen inklusive, treiben das Spektakel auf die Spitze.
Ehefrau und Tochter werden zu zentralen Figuren des Verwirrspiels, die die Geschichte vorwärtspeitschen, aber gleichzeitig agieren und reagieren müssen.
Die Frage, „wer bin ich wo?“, hat viele Antworten. Oder auch nur eine.

 

Loslassen

 

(c) ch.dériaz

Genau wie die Figuren muss man als Zuschauer loslassen. Versuche, sich dauernd zu orientieren, aufgeben, geschehen lassen, treiben lassen und das Spektakel geniessen.
Eine gewisse Freude an choreographierten Kampfszenen kann dabei natürlich nicht schaden, und das bisschen moralisches Pathos geht dann auch in Ordnung.
Die Mischung all dieser verschiedenen Genres hätte eine unverdauliche Suppe ergeben können, statt dessen ist ein extrem cooler, witziger Film daraus geworden.

 

Originalversion

 

Mehr als sonst gilt die Empfehlung, diesen Film in seiner Originalversion zu sehen, denn auch der Wechsel von einer Sprache zur anderen spielt eine dramaturgische Rolle und wird als Ausgangspunkt für Spässe mit den handelnden Figuren genutzt.

Im Original läuft der Film in Wien in folgenden Kinos:
Votiv, Filmcasino, Gartenbau, Artis

 

(c) ch.dériaz

Marko Feingold – Ein jüdisches Leben

           

           #FilmTipp    

 

Marko Feingold -ein jüdisches Leben
(c) ch.dériaz

 

Marko, Der Erzähler

Marko Feingold (1913-2019) war ein Erzähler, charismatisch, charmant, witzig, eloquent. Wer ihn live erlebt hat, weiss das, aber auch wer ihn „nur“ in diversen Filmen oder Zeitzeugenbeiträgen gesehen hat.
In Marko Feingold – Ein jüdisches Leben von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer , erzählt er wieder, allerdings zum letzten Mal, aus seinem Leben.
Ein 105-jähriger Mann sitzt vor der Kamera und spricht; drei Kameraperspektiven – halbnah, nah und sehr nah – vor schwarzem Hintergrund, in kontraststarken Schwarz-Weiss. Unterbrochen, aber auch strukturiert, wird die Erzählung durch Einblendungen von Hetz- und Hasspost, die er im Laufe der Jahre bekommen hat, und von diversen Propagandafilmen, für und gegen das Naziregime.
Sonst nichts, nur die Erzählung, das Gesicht, das Leben.

Ein Leben

 

Plakat Marko Feingold
(c) ch.dériaz

Marko Feingold hat vier Konzentrationslager überlebt, dabei seine gesamte Familie verloren, und manchmal sogar fast auch den Lebensmut.
Aber nur fast.
Es ist nicht allein die Geschichte, die Gräuel, die er so erzählt, dass man gebannt an seinen Lippen hängt, ohne dabei weniger erschüttert zu sein, es ist auch die Parallelität zur Gegenwart, die betroffen macht. Nicht die 1:1 politische Ähnlichkeit, nein, aber die Schändlichkeit, die Ignoranz im Umgang miteinander, die Bereitschaft, Bekanntes über Bord zu werfen, wenn es vermeintlich dem Fortkommen dient, oder die Faulheit unterstützt.

Vergangenheit und Gegenwart

Dass all das in 114 Minuten nie langweilig wird, liegt am erzählerischen Talent Marko Feingolds, er schafft es, Spannung und sogar Witz einzubauen, erzählt vom Tanzen und den schönen Anzügen, um dann in einer eleganten Wende vom Tod des Bruders im KZ zu sprechen.
Atemlos macht dieser Film und traurig, auch wenn man zwischendurch lacht und schmunzelt, und eben nachdenklich, weil diese Geschichte auch mit uns und mit unserem Heute zu tun hat.

In Wien läuft der Film zurzeit in drei Kinos:
Stadtkino
Village Cinemas
Breitenseer Lichtspiele

Man sollte sich den Film wirklich nicht entgehen lassen.

 

Stadtkino_Feingold
(c) ch.dériaz

 

Master Cheng in Pohjanjoki

Master Cheng Plakat aussen
Master Cheng Plakat aussen
(c) ch.dériaz

Sommerliche Romanze auf finnische Art

#FilmTipp

Mika Kaurismäkis romantische Komödie ist echtes Sommerabendkino, fröhlich, witzig, luftig, dabei intelligent und warmherzig mit einer grossen Portion Skurrilität.
Damit wäre eigentlich schon fast alles an Tipp gesagt, aber selbst wenn man kein ausgesprochener Fan romantischer Geschichten ist, ist Master Chengin Pohjanjoki  einen Besuch im Kino wert.

Von Shanghai nach Lappland

Mit seinem kleinen Sohn landet Cheng, ein Spitzenkoch, in einem finnischen Nest. Eine Tankstelle, ein Imbissrestaurant, grummelige Typen und sonst eigentlich nur Landschaft.
Der letzte Ort also, den man einem chinesischen Städter empfehlen würde. Höflich und beständig befragt er alle Dorfbewohner nach einem mysteriösen Herrn Fongtron. Alles von Drogen- und Menschenhandel bis zu düsteren Geheimnissen scheint möglich; wer ist Cheng, wer ist Fongtron und wo ist eigentlich die Mutter des kleinen Jungen?
Als eine chinesische Reisegruppe den Imbiss stürmt, retten Changs Kochkünste die Situation, fortan kocht und bekocht er Touristen sowie skeptische Einheimische.
Kulturclash und traditionelle chinesische Küche, finnische Kauzigkeit und chinesische Höflichkeit, Verstehen, Missverstehen, Sauna und Tango, alles geht zusammen.

Master Cheng
Master Cheng
(c) ch.dériaz

Und alles löst sich nicht ohne Charme und Witz auf, ohne dabei die Intelligenz des Zuschauers zu unterfordern.
Am Ende ist man freundlich beschwingt und möchte weniger eine Romanze als eine gute chinesische Mahlzeit und so schnell wie möglich eine Reise nach Lappland buchen.

Trotzdem Kino

Die erste Vorstellung des Films war so ausverkauft wie derzeit möglich, heisst, bei Beachtung der Abstandsregeln und mit Maskenpflicht bis zum Sitzplatz, war es voll.
Das ist schön. Auch wenn einige Zuschauer in der Zeit des heimischen Sofakinos wohl vergessen haben, dass man in einem Saal voller andere Zuschauer nicht alles und jeden laut kommentieren muss.
Ins Kino gehen scheint diesen Sommer auf jeden Fall wieder Zulauf zu haben, gut so.

Master Cheng in Pohjanjoki läuft im Filmcasino in Origanlversion (Chinesisch, Finnisch, Englisch)

Filmcasino Master Cheng
Filmcasino Master Cheng
(c) ch.dériaz

 

 

#FilmTipp FrauenPower

Die Dohnal_Plakat
Die Dohnal_Plakat
(c) ch.dériaz

 

  Die Dohnal

Kinokasse
Kinokasse
(c) ch.dériaz


Donnerstagabend, nicht gerade der beste Kinomoment möchte man meinen.
Aber Sabine Derflingers Dokumentarfilm Die Dohnal zieht Menschen ins Kino, auch in der bereits zweiten Spielwoche. Das Wiener Filmcasino ist voll.

 

 

Frauenpolitik

Johanna Dohnal, erste Frauenministerin in Österreich, eine starke, kämpferische und freundliche Politikerin. 16 Jahre, von den späten 70er bis Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, war sie massgeblich verantwortlich für frauenpolitische Themen und deren politische Umsetzung.

Derflinger nutzt das reichlich vorhandene ORF Material über die Politikerin, kombiniert es mit Interviews von Weggefährtinnen, Zeitzeugen, Familie und Frauen aus Kultur und Politik, die von Johanna Dohnal beeinflusst sind. Daraus entsteht nicht nur ein faszinierendes Porträt einer hochinteressanten Frau und Politikerin, es entsteht auch eine Art Geschichtsstunde über den Verlauf der Frauenpolitik, nicht nur in Österreich

 

Lästig bleiben

T-Shirts mit Dohnal Zitaten (c) ch.dériaz
T-Shirts mit Dohnal Zitaten
(c) ch.dériaz

 

Der Zuschauer lernt eine Frau kennen, die weiss, dass ihr Weg lang ist, dass sie Anfeindungen und Blödheiten wird trotzen müssen, die aber dennoch fast immer ein freundliches Gesicht zu wahren weiss und, noch wichtiger, die stets sachlich bleibt, und damit ihre Gegner schlecht aussehen lässt. Selbst Ex-Kanzler Vranitzky, der die Dohnal letztlich nach 16 Jahren aus der Regierung warf, sieht im heutigen Interview unsouverän aus, wenn er versucht zu erklären, warum er damals nicht schaffte, wie sein Vorgänger Kreisky, die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen zu besetzen.


Szenenapplaus

Selten erlebt man ausserhalb von Filmfestivals, dass es im Kino Szenenapplaus gibt, dass munter reagiert wird auf Gezeigtes und dass ein Film Schlussapplaus erhält. Die Dohnal schafft das.

Der Dokumentarfilm zeigt letztlich, dass auch im 21Jahrhundert Frauenpolitik noch nicht beendet ist, ganz im Gegenteil.
Es gilt also weiterhin ein Dohnal Zitat: lästig bleiben.

Die Dohnal läuft weiterhin in Wiener Kinos.

 

Filmcasino_Dohnal (c) ch.dériaz
Filmcasino_Dohnal (c) ch.dériaz

 

#FilmTipp: It must be heaven

Vom Giessen des Zitronenbaums (c) ch.dériaz
Vom Giessen des Zitronenbaums
(c) ch.dériaz

 

Wahr, warmherzig, witzig

Vom Giessen des Zitronenbaum (It must be heaven) von Elia Suleiman ist weniger ein Filmtipp als eine dringende Empfehlung.

Der Film macht schlicht glücklich.

Eine zarte Posse, ein unverstellter Blick auf den Zustand der Welt, Slapstick ohne jedes Tempo und ein Regisseur-Hauptdarsteller, der sich in symmetrischen Bildern in Szene setzt, um mit stoischem Blick die Interpretation des Gesehenen dem Zuschauer zu überlassen.
Das klingt komplizierter als es ist.
Vom Giessen des Zitronenbaums bedient sich virtuos filmischer Stil- und Handwerksmittel. Etwas untersichtige Einstellungen, die eine kindliche Perspektive suggerieren, Schnittfolgen, die Beziehungen herstellen und so dialogisches Erklären unnötig machen, Bildausschnitte, die Unerwartetes mit grosser Leichtigkeit in Komisches verwandeln.
Mit diesen starken visuellen Mitteln erzählt der palästinensische Regisseur Suleiman seinen Alltag in Nazareth, zeigt skurrile Nachbarn und begibt sich auf eine Reise nach Paris und New York. Auch dort scheint der kindliche Blick bedrohlich Situationen einzufangen, während der Schnitt dann Absurdes enthüllt. Auf der Suche nach Finanzierung durch ausländische Produzenten wird die Geschichte gleichermassen grotesk und politisch.
Unangenehm wahr: die Szene bei einem Pariser Produzenten, der, spezialisiert auf Filme aus dem arabischen Raum, dem, wie ein Schuljunge beim Direktor, sitzenden Regisseur erklärt, der Film sei nicht palästinensisch genug; sprich: Das Drehbuch entspricht nicht den Erwartungen des Westens an eine Geschichte aus dem Nahen Osten.
Dass solche Szenen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt die lange Liste der koproduzierende Länder des fertigen Films: Kanada, Frankreich, Deutschland, Qatar, Türkei…
Poetisch-versponnen Filme passen nicht ins politische Konzept, obwohl, wie dieser Film zeigt, sehr viel Politik und universell Gültiges mit den Mitteln der Komik vermittelt wird.

Am Ende des Films möchte man sofort zurück zur Kasse gehen, sich eine neue Eintrittskarte besorgen, um den Film gleich noch einmal anzuschauen.

Zurzeit ist das in Wien im Top Kino und im Le Studio möglich.

Top Kino Wien (c) ch.dériaz
Top Kino Wien (c) ch.dériaz

 

#FilmTipp LINA

(c) ch.dériaz

Ein Filmtipp für Kurzentschlossene.

Ein Film über eine kämpferische Frau, die Anfang 1900 gegen Konventionen und Vorurteile ihren Weg finden musste.
Wenn man Lina Loos überhaupt erwähnt, dann als Ehefrau des Architekten Adolf Loos.
Der Film Lina der Regisseure Walter Wehmeyer, Christine Wurm, Tino Rantfl und Andreas Scherlofsky füllt diese Wissenslücke. Porträtiert und dramatisiert die 4 Jahre Linas Ehe mit Loos, zeigt eine wilde, lebenslustige junge Frau, die glaubt, einen Seelenverwandten gefunden zu haben, einen der im bürgerlichen Konsens anders denkt. Aber auch Adolf Loos ist ein Kind seiner Zeit, sein avantgardistischer Blick reicht für seine Kunst, nicht aber für seine Frau. Auch eine kurze, heftige Affäre mit einem jungen Studenten befreit Lina nicht aus dem Korsett der Zeit.
Ein ruhiger Film, oft in langen stillen Einstellungen erzählt, um dann immer wieder kurz zu explodiert; ein Erzählfluss, entgegen dem was man heute „so macht“, aber perfekt geeignet für diese Geschichte.

Der Film läuft am 4. Dezember um 19:30 in den Breitenseer Lichtspielen, davor gibt es ein Konzert des Frauenchors Lokalkolorit. Eine Art Überraschungsei für Kunstliebhaber also, Konzert, Film und das alles im ältesten durchgehend bespielten Kino Wiens.

Den Trailer gibt es auch hier

#FilmTipp Little Joe

                                        FilmTipp oder FilmWarnung?

Little Joe
(c) ch.dériaz

Viel war schon zu hören von Jessica Hausners erstem in England und auf Englisch gedrehtem Film. Wettbewerbsbeitrag in Cannes, wo Emily Beecham den Preis der Besten Schauspielerin gewann. Auch der Trailer des Films verspricht dezent gruseliges Science-Fiction Kino; also ab ins Kino.
Aber, ach weh…..
Little Joe – Glück ist ein Geschäft enttäuscht die Erwartungen. Wobei, man kann gar nicht genug Lob für Martin Gschlachts grossartige Kamera aussprechen. In Kombination mit Szenenbild (Katharina Wöppermann) und Kostüm (Tanja Hausner) entstehen originelle, wunderbar verschrobenen Bilder. Licht, Farbe und Kadrierung lassen Bilder entstehen, die immer wieder an Hopper-Gemälde erinnern. Auch die Entscheidung, die handelnden Figuren am Rand des Bildes verschwinden zu lassen, und damit den Blick des Zuschauers auf Farben, Formen und Räume zu lenken ist gelungen und originell.
Wäre es nur auch die Geschichte, die da erzählt wird.
Stattdessen eine eher dünne Story um eine „böse“ Blume, die gut riecht, Menschen glücklich machen soll, aber die wohl böses im Schilde führt. Man kann das lesen als Kritik an einer allzu selbstverliebten Wissenschaft, in der alles, was machbar ist, auch gemacht wird, oder als Kritik an einer zunehmend egozentrischen Gesellschaft.
Im Kern ist es eine schwache Auflage der Frage: was tun, wenn um mich herum alle einem Wahn folgen; mitmachen und dazugehören oder ausgeschlossen werden?
Dennoch, bis zu den letzten 20 Sekunden könnte das alles noch irgendwie durchgehen, aber dann schiesst sich der Film selber ab. Die Schlusspointe ist im freundlichsten Fall als kindisch zu bezeichnen, eigentlich drängt sich „dämlich“ wesentlich mehr auf.
Irgendwie schade.

Votiv Kino, Wien
(c) ch.dériaz

Wer sich selber ein Bild machen möchte, der Film läuft in zum Beispiel im Votiv Kino.

 

#FilmTipp: Gatekeeper

(c) ch.dériaz
Metro Kino, Wien

Manchmal dauert es, bis ein Film seinen verdienten Weg von Festivals ins Kino findet.
So ist das auch bei Gatekeeper von Lawrence Tooley und Loretta Pflaum, ein Film der formale und inhaltliche Grenzüberschreitungen betreibt. Es ist ein ruhiger Film, der aber voller wilder Einfälle steckt.
Die Figuren bewegen sich wie Gefangene oder Laborratten in einem streng grafischen Beton/Holz Labyrinth, einzig der Blick über Dächer und auf den Himmel verspricht Freiheit.
Eine Frau, die mal blond, mal brünett ist, ein junger Rumäne, den sie erst anfährt, dann mit nach Hause und schliesslich in ihr Bett nimmt. Ein junger Mann? Oder doch zwei? Dazwischen ein Pakistani, der in einer Videoinstallation Kafkas Türhüterparabel erzählt. Die Erzählstränge laufen übereinander, durcheinander, vermischen sich, ergeben ein Neues, öffnen sich, die Figuren bleiben gefangen, egal wieviel sich klärt im Verlauf des Films. Das äussere Labyrinth entspricht der inneren Verstrickung der Figuren. Und trotz der visuellen Enge bietet der Film dem Zuschauer Raum zum träumen und spekulieren, wer sich darauf einlässt, wird mit einem tollen Kinoerlebnis belohnt.

(c) ch.dériaz

Ab 8. Oktober läuft der Film im Wiener Metro Kino, am Premierenabend in Anwesenheit des Teams.

#FilmTipp: Bewegung eines nahen Bergs

Bewegung eines nahen Bergs
(c) ch.dériaz

Der Mensch neigt dazu alles in – ordentliche, kleine – Schubladen zu packen.
Auch bei Filmen.
Und während man eine Einteilung wie Kurzfilm oder Langfilm gerade noch verstehen und einsehen kann, ist die Unterscheidung von Spielfilm und Dokumentarfilm nicht immer leicht zu treffen.

Dass das gut so ist, zeigt Sebastian Brameshuber neuer Film:
Bewegung eines nahen Bergs
Seine Uraufführung feierte der Film in Paris als Dokumentarfilm bei Cinéma du Réel, wo er gleich den Grossen Preis erhielt. Bei seiner Österreich Premiere auf der Diagonale in Graz lief er in der Kategorie Spielfilm, wo dann Kameramann Klemens Hufnagel den Preis für die beste Bildgestaltung (Spielfilm) erhielt.

Formal handelt es sich recht eindeutig um einen Dokumentarfilm, auch wenn einige poetisch-mystische Aspekte eingewoben werden.
Mitten in einer desolaten steierischen Landschaft arbeitet der Nigerianische Autowrackhändler vor sich hin, alleine, einsam vielleicht. Es ist schwere, schmutzige Arbeit, ein karges Privatleben, alles in schönen, stimmungsvollen Bilder gezeigt.
Und dann Bilder, die nicht in den Moment zu passen scheinen, Töne, deren Herkunft unklar ist, und Gedanken zu einem mythologischen Berg, zum Verhältnis von Erz und Arbeit.
Es bleibt dokumentarisch, vielleicht experimentell-dokumentarisch, fast verspielt. Dieser Film braucht keine Schublade.
Man kann ihn als Dokumentar- oder als Spielfilm sehen oder einfach als das was er wohl am ehesten ist: eine künstlerische Arbeit, die sich frei von Einteilung auf der Leinwand entfaltet.
Und das ist gut.

Ab Freitag, 27. September läuft der Film im Kino Le Studio in Wien, eine gute Gelegenheit nicht nur einen spannenden Film anzuschauen, sondern auch ein weiteres, neues Wiener Programmkino zu entdecken. Zur Premiere am 27. September ist Sebastian Brameshuber angekündigt.