#FilmFestival Solothurn 55_4

(c) ch.dériaz

Halbzeit in Solothurn, thematisch zeigen sich zwei grosse Blöcke so weit, einerseits Familienangelegenheiten, egal ob als Spiel – oder Dokumentarfilm und andererseits Themen, die aktuell politisch bewegen und die Nachrichten beherrschen, auch hier ist die Auseinandersetzung sowohl fiktional als auch nonfiktional.

Mit dem feuchtkalten Nebelwetter breitet sich über der Stadt ein Geruch von warmen Holzfeuern aus, das verwandelt das kleinstädtische Ambiente in etwas ganz und gar Heimeliges. Die Wege quer durchs Städtchen bekommen so ein olfaktorisches Kuschelplus.

 

Warteschlange Restplätze
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Sonntagmorgen, 9 Uhr Vorstellung, die Menschen drängeln sich in den Kinosaal oder stehen geduldig an der Kasse für die wenigen Restkarten; ins Kino gehen bleibt beliebt.

 

 

Verantwortung

Das letzte Buch von Anne-Marie Haller und Tanja Trentmann erzählt vom Leben der Autorin Katharina Zimmermann. Als Pfarrersfrau folgt sie ihrem Mann mit drei kleinen Kindern in den 60er Jahren nach Indonesien. Eine Zeit der politischen Umbrüche im Land und eine immense Herausforderung für sie. Sich selbst beschreibt Zimmermann nicht als Kämpferin, wenn man aber den Geschichten und Wendungen in ihrem Leben zuhört, dann kann man nicht anders, als sie genau dafür zu halten, eine Kämpferin. Neben allem, was sie in Indonesien für Aufgaben übernommen hat, fing sie dann auch an zu schreiben, Kinderbücher zunächst, dann Bücher für Erwachsene, und bis heute, mit über 80, schreibt sie weiter. Das titelgebende letzte Buch, das im Film ein wenig wie ein roter Faden auftaucht, ist dann doch nicht wirklich das letzte. So spannend diese Lebensgeschichte ist, gegen Ende weiss der Film nicht mehr so recht wohin, zu viel wird im letzten Drittel noch verhandelt, Themen, die unvermittelt auftauchen und den Film damit leider holprig werden lassen.

 

Platzspitzbaby
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900 Zuschauer fasst die Reithalle und um 11 Uhr ist sie für die zweite Vorführung von Pierre Monnards Platzspitzbaby restlos ausverkauft. Und von Anfang an ist man gebannt, hauptsächlich, weil die junge Hauptdarstellerin, Luna Mwezi, einfach unglaublich ist. Wo lernen Kinder das? Wie schafft sie diese Bandbreite an Emotionen glaubhaft zu spielen, von kindlich verspielt bis ins Mark erschüttert und verzweifelt? Sie spielt die Tochter einer Drogensüchtigen Mutter, die ihr immer und immer wieder verspricht mit den Drogen aufzuhören, aber diese Versprechen noch häufiger bricht. Und so kümmert sich das Kind um die Mutter, verteidigt, sorgt sich, stiehlt für die Mutter und besorgt ihr die Drogen. Ein Teufelskreis, der nicht gut gehen kann. Die Geschichte ist gut, wenn auch in der Konstellation nicht neu, aber wirklich sensationell wird sie aufgrund ihrer kleinen Hauptdarstellerin, die sich von der Leinwand direkt in die Herzen des Publikums spielt. Am Ende hörte man nicht nur aufgrund grassierender Erkältungen eindeutiges Schniefen.

Verspielt und surreal ist: Sekuritas von Carmen Stadler. Ein grosses Bürogebäude als Hauptdarsteller, es ächzt und knurrt, klickt und zirpt, Lichter, Schatten, lange Gänge und dazwischen Nachtgestalten. Die Hauptfigur, eine Frau vom Sicherheitsdienst, sie geistert durch die leeren Gänge, schmiegt sich an Heizkessel, scheint mit dem Bau verschmelzen zu wollen. Ein irakischer Putzmann taucht auf, die Wege kreuzen sich in einer sprachlosen Übereinstimmung, als Statisten des Baus. Aber auch der Direktor der Firma, die pleite gemacht hat, ein Koch, der im Keller versucht seinen verlorenen Geschmackssinn wiederzufinden, eine Sekretärin, all diese Gestalten treffen aufeinander wie in einem Tanz, angezogen und im nächsten Moment wieder alleine weiter schwebend, umgeben von all den merkwürdigen Tönen und Lichtern. Wunderbar gedrehte Bilder, eigenwillige Komposition der Figuren, verspielt und surreal und: sehr schön.

Grosses Kostümkino ist Insoumises von Laura Cazador und Frenando Perez. Kuba im 19. Jahrhundert, ein Schweizer Arzt, zierlich und mit revolutionären Meinungen und Methoden spaltet die lokalen Honoratioren, die einen bewundern ihn, weil er heilt, die anderen verabscheuen ihn, weil er ohne Ansehen von Rang und Stand alle Menschen, also auch Sklaven behandelt. Aber in Wahrheit ist alles viel verwickelter, unter der Verkleidung des Arztes steckt eine Frau. Früher oder später muss so etwas aufliegen, da Enrique Faber in der Zwischenzeit aber auch noch geheiratet hat kocht die Wut im Ort umso höher und der Prozess wird auch zu einer Frage der Ehre derer, die ihn bislang unterstützt haben. Sehr dicht und atmosphärisch gedreht, toll gespielt und spannend.

Der Wunsch nach Vielsprachigkeit erfüllt sich hier leicht, schweizer Filme kommen nicht nur in den 4 Landessprachen vor, sondern auch, wie in Insoumises, auf Spanisch, das sollte beim Export in andere Länder doch hilfreich sein.

Festivalkino
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