#FestivalTipp Viennale

 

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Eine kleine Auswahl grosser Filme

 

 

Vom 19.10. bis 31.10. findet die Viennale statt, das Programm ist wie immer üppig und vielfältig. Hier ein paar – wenige – Festival-Tipps.

Lang

Ganz dringend sollte man versuchen, den rumänischen Film Nu astepta prea mult de la sfârșitul lumii (Do Not Expect Too Much from the End of the World) von Radu Jude anzuschauen.
Jude gehört zu den originellsten, kompromisslosesten europäischen Regisseuren. Und auch wenn sein aktueller Film mit fast drei Stunden lang erscheint, wenn man erstmal schaut, vergeht die Zeit wie im Flug. Sein Sinn für subtilen und subversiven Humor und sein Gefühl für Rhythmus und Schnitt sind jedes Mal eine grosse Freude. Er mischt einen Film über die Filmbranche mit einem Film aus den 80er Jahren und kurzen TikTok-Clips. Die Basisgeschichte bleibt dabei in körnigem Schwarzweiss, während der 80er-Jahre-Film (Angela goes on) in all seiner verwaschenen Farbkraft dagegenhält. Fast atemlos folgt der Film einer jungen Frau, die für eine Produktion als Mädchen für alles herhalten muss, Casting, Fahrtdienst, was gerade anfällt, und das unterbezahlt und in sehr langen Arbeitstagen. Autofahrten durch den Verkehr in Bukarest geraten so zu ihrer persönlichen Kampfzone. Zum Ausgleich politisiert sie, versteckt hinter einem schlechten TikTok-Filter, als Bobby sexistisch und ordinär zu Themen des Alltags, der Politik, der Sexualität. Der Film schafft eine umfassende Gesellschaftskritik mit den Mitteln der Komödie, der Übertreibung, aber immer auch der Montage. Allein die gegeneinander geschnittenen, sich ergänzenden oder kommentierenden Fahrszenen von heute und aus den 80er Jahren wären eine umfassende Analyse wert. In Locarno entschuldigte er sich vor der Premiere für die Länge, mit dem Hinweis, der Film musste so lang werden.
Er läuft an diesen Terminen.


Kürzer

Ein viel kürzerer Film, mit nur 65 Minuten, ist Yannick von Quentin Dupieux.
Aber auch das macht ihn für normale Kinoprogrammierung schwer vermittelbar. Und deshalb sei auch dieser fabelhaft groteske und intelligente Film dringend empfohlen.
Er ist ein Meisterwerk der Ideen und vor allem der Schauspielkunst. Der Film spielt fast ausschliesslich in einem kleinen Theater, wo gerade ein mässiges Boulevardstück läuft. Ein Zuschauer steht nach einem Moment auf, stellt sich höflich vor, und beklagt sich über die Qualität des Stücks. Extra freigenommen hat er sich, um ins Theater zu gehen, um auf andere Ideen zu kommen, und jetzt das, er wird nur noch mehr runtergezogen, er möchte sich beim Verantwortlichen beschweren. Von dieser Ausgangslage entwickeln sich in dem begrenzten Raum Situationen, die von schräg zu gefährlich, von verständnisvoll zu dramatisch und wieder zurückkippen. Ganz wunderbar ist das ausdrucksstarke und nuancenreiche Spiel des Hauptdarstellers Raphaël Quenard.
Im Programm an diesen Terminen.


Noch kürzer

Bei den Kurzfilmen sei Kinderfilm des Kollektivs Total Refusal sehr empfohlen. Was dieses Regie-Kollektiv macht, ist eigentlich jedes Mal witzig, erstaunlich und wirklich innovativ. Die Geschichte findet komplett innerhalb eines Computerspiels (GTA V) statt. Eine Figur fährt durch eine seltsame Welt, irgendetwas fehlt, sie kommt nur nicht genau drauf, was es ist. Der Zuschauer sieht schnell, hier gibt es keine Kinder, nur verwaiste Spielsachen, einen leeren Schulbus, leere Spielplätze.
Der Film macht nachdenklich und ist dabei witzig und super gemacht.

 

Einer geht noch

Selbst wenn er demnächst sowieso in die Kinos kommt, Anatomie d’une chute von Justine Triet ist ein mit Recht hochgelobter und mit Preisen belohnter Film.
Er ist spannend, extrem gut erzählt und irre gut gespielt. Was bei diesem Gerichtsdrama, wenn man es so nennen mag, besonders gelungen ist, ist die Ungewissheit, in der der Zuschauer bis zum Schluss bleibt. Alle Möglichkeiten sind offen, alles kann passiert sein. Die einzigen Momente, in denen man wirklich Partei beziehen möchte, sind bei den immer kruder werdenden Aussagen des Staatsanwalts, aber dann wieder: wer weiss?
Hier die Spieltermine

Eine kleine Auswahl grosser europäischer Filme, die jenseits bekannter Pfade Geschichten erzählen.

Das gesamte Programm, inklusive Rahmenprogramm, findet sich auf der Festivalseite.