#Diagonale Liebe und tote Tiere

 

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Lieben

 

Morgendlicher Spass: um 9:30 auf der Reservierungsplattform einloggen, um dann erstmal eine Fehlermeldung zu bekommen. Das wiederholt sich dann etwa zweimal, bis die Plattform die vermutlich vielen gleichzeitigen Anfragen „verdaut“ hat. Mittlerweile hat sich auch eingespielt, in welchem Kino, welche Reihen zu bevorzugen sind – wenn sie denn dann noch buchbar sind.

 

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Nur um es mal wieder gesagt zu haben: Es gehören mehr Kurzfilme ins Kino.
Egal wo, wenn es Kurzfilmprogramme zu sehen gibt, sind die Säle voll, unabhängig vom Wetter und der Uhrzeit. Das Frühprogramm Kurzspielfilm ist da keine Ausnahme. Wer also Tickets hat, wird belohnt mit vier schönen Filmen, die sich auf die eine oder andere Art mit Liebe befassen.

 

Die Zerredete

gschichtl von Franz Quitt ist eine wunderbare Übung in Schauspiel und Kamera. Ein Paar, oder eben nicht mehr Paar, zerredet die möglichen Reste einer Beziehung. Immer wieder wären sie kurz davor, einen Ansatz zum Lieben zu finden, aber zielsicher wird dieser dann zerredet. Darsteller, Kamera und Schnitt tragen den Film, obwohl wenig anderes passiert als Dialog.

Die Romantische

Voodoo Jürgens – Federkleid von Hannes Starz, Marianne Andrea Borowiec und Voodoo Jürgens. Ein wunderschönes, üppig ausgestattetes Musikvideo über die ultimative, endlose und romantische Liebe. Schöne balladenhafte Musik, und dazu zart gespielt eine Liebesgeschichte. Viel zu schade für reines Streaming.


Die Schräge

In Bye Bye, Bowser von Jasmin Baumgartner treffen eine wilde, punkige Musikerin und ein Bauarbeiter aufeinander. Zwei radikal unterschiedliche Welten prallen mit Wucht aufeinander, lassen für eine lange Nacht alles möglich sein, und scheitern am Morgen tragisch.

Die Tragische

Cornetto im Gras von David Lapuch zeigt verlorene Gestalten irgendwo im ländlichen Österreich. Einzig die Beziehung zwischen Enkel und Grossvater scheint von tiefen Gefühlen geprägt. Alle anderen Figuren, versammelt rund um den Imbisswagen des Enkels, verbindet eher die Gewohnheit und die über Jahre gewachsenen Abneigungen. Ein verloren gegangenes Pferd, eine junge Frau und eine tickende Standuhr, am Ende der Nacht reisst ein Ereignis kurz das Immergleiche auf, um dann wieder in den altenTrott zurückzufallen.

 

 

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Kraftvoll

 

Film, beschränkt in gewisser Weise durch die Zeit auf der und den Rahmen durch die Leinwand, kann genutzt werden, um zu zeigen, wie die Welt ist oder auch wie sie sein könnte. Mal ideal, mal utopisch, mal dystopisch, in der Enge von Zeit und Rahmen ist alles denkbar. Auch die Wirklichkeit. Evelyne Faye nutzt in Lass mich fliegen diese Möglichkeit. Ausgehend von ihrer eigenen Tochter, die mit Down-Syndrom geboren wurde, zeichnet sie ein Portrait von jungen Erwachsenen, die selbstbewusst und grossteils selbstbestimmt trotz und mit Down-Syndrom ihr Leben leben. Tatsächlich sind ihre Leben, ihre Träume nicht zu unterscheiden von denen anderer junger Menschen: eine erfüllte Partnerschaft, ein Beruf, soziales Miteinander, mit dem Unterschied, dass man ihnen von Staatswegen und von der Gesellschaft her immer wieder Steine in den Weg legt. Ein sehr schöner Film, der das Thema ohne Weinerlichkeit angeht, immer nah an den Personen bleibt, und durch die eingestreuten Sequenzen mit der kleinen Tochter, einen zusätzlichen Blick in Richtung Zukunft wirft.

 

Tote Tiere

 

In Archiv der Zukunft streift Joerg Burger durchs Innere des Naturhistorischen Museums in Wien. Im Zentrum stehen nicht die prunkvollen Säle, sondern die Hinterzimmer, Schubläden, Keller, Archive. Er zeigt das, was der Besucher nie zu sehen bekommt, aber wichtiger und unschätzbarer Bestand diverser Forschungsgebiete ist. Nass- und Trockenpräparate stapeln sich, und werden genutzt, um mit immer neueren wissenschaftlichen Methoden zum Beispiel DNA-Analysen vorzunehmen. Nicht nur Tiere, sondern auch Steine, Pflanzen und alte Akten sind Ziel der Forschung, und können Aufschluss aus der Vergangenheit für die Zukunft geben. Eine endlos erscheinende Arbeit, witzig anzusehen und informativ dazu.

 

Reisefieber

 

Petra Zöpnek erzählt in Wo ist Ida von der Weltreisenden und Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer, die ab den 1840er Jahren bis zu ihrem Tod alleine von Wien aus die Welt bereiste, und in Vielem die erste (weisse) Frau war. Soviel zu den „harten Fakten“. Der Film erzählt das alles auf extrem originelle und phantasievolle Weise, in vignettierten Schwarz-Weiss-Bildern, in Animationen, mit Zwischentiteln wie bei Stummfilmen, darunter eine ausgeklügelt komponierte Geräuschspur und immer wieder Zitate aus den Reisetagebüchern. So macht Geschichte Freude.

 

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