58.Solothurner Filmtage Zum Schluss

 

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Was ist schweizerisch am Schweizer Film?

 

Nach sechs Tagen und 27 Filmen ist die Frage nach der Identität des Schweizer Films immer noch nicht zu beantworten.
Es gab Filme zu allen nur denkbaren Themen, in allen möglichen Formen, Filmsprachen und in allen möglichen Sprachen. Vielleicht ist das am Ende das Einende, dass Schweizer Filme eine grosse Vielfalt abdecken. Es ist nicht nur die wirtschaftliche Globalisierung, sondern auch, weil Schweizer Filmschaffende aus vielen Ländern kommen, mehr als die vier Landessprachen sprechen, und in vielen Ländern ausserhalb der Schweiz leben und arbeiten können.
Aber eine echte Handschrift, etwas, an dem man sofort erkennt: Schweizer Film, nein, das gibt es so nicht.
Bleibt die Frage, ob das jetzt etwas Gutes ist, oder ob das ein Verlust ist.
Was aber auf jeden Fall wichtig ist, ist die Sichtbarkeit der Filme im europäischen Kino. Daran kann sicher noch etwas gearbeitet und verbessert werden.

 

 

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Die Preise

 

Der Prix de Soleure geht an Until Branches Bend von Sophie Jarvis, was insofern erstaunlich ist, als in der Anforderung für den Preisträger-Film nicht nur ein humanitärer Anspruch gefragt ist, sondern auch innovative visuelle Konzepte. Ersteres mag man in der Geschichte finden, innovatives visuelles Konzepte eher nicht.
Der Publikumspreis geht an Amine – Held auf Bewährung von Dani Heusser, leider nicht gesehen. Genauso wenig den Preis Opera Prima, für den besten Erstlingsfilm, der an Foudre von Carmen Jaquier, geht.

Alle Preise und Begründungen: hier

 

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58.Solothurner Filmtage Identität

 

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Identität

 

Eine letzte Diskussionsrunde bei Fare Cinema, diesmal das Thema: Generation Diaspora, im Ausland zuhause.
Auf dem Podium junge Schweizer Regisseure und Regisseurinnen mit familiären Wurzeln in anderen Ländern. Die Frage, wie weit sie Identitätssuche durch oder mit ihren Filmen betreiben, und auch wie universell diese Suche dann für andere sein kann.
Es ist auch eine Frage nach der Identität eines Schweizer Films an sich.
Was macht ihn aus?  Gibt es eine Handschrift?
Und wie weit hängt die ab, von den nationalen und ethnischen Wurzeln?
Tatsächlich ist diese Frage nicht zu beantworten, es ist manchmal eine Eigendefinition, manchmal eine „bürokratische“ Definition, mal der Pass, mal der Standort, mal das Herz, mal das Geld.
Ein guter Film wird am Ende immer der sein, bei dem das Publikum eine eigene Beziehung zur Geschichte, zum Thema finden kann. Die Frage nach der Identität des Films ist vielleicht insgesamt gar nicht so wichtig, ausser eben im Kontext eines nationalen Festivals.

 

 

Alkohol

 

The Curse von Maria Kaur Bedi und Satindar Singh Bedi ist einer der schwersten Filme dieses Festivals, inhaltlich und bildlich.
Er ist ein Dialog in der Vorhölle, eine Geschichte von Alkoholsucht und Co-Abhängigkeit, und von Liebe. Der Film hat zwei fast getrennte erzählerische Ebenen, einmal die Sprache, der Dialog, der erzählt von einem Mann, der schon als Kind alkoholsüchtig wird, und von einer Frau, die behütet aufgewachsen ist. Erzählt vom Zusammentreffen der Beiden, dem Kampf mit und gegen die Dämonen der Sucht. Hier setzt die zweite Ebene an, das Visuelle: wie zeigt man, was sich abspielt?
Die Wahl fiel auf Abstraktion und Verfremdung. Die Bilder sind extrem verlangsamt, unscharf, wie durch eine geriffelte Milchglasscheibe, Lichtreflexe so verlangsamt, dass sie über die Leinwand schweben wie Schmetterlinge. Und dann, immer wieder Schatten: von Händen, von Köpfen, alleine, zusammen.
Der Dialog, der zwischendurch zum Streit, zum Schreien wird, und sich wieder beruhigt, der die ultimative Drohung enthält: Wenn du je wieder trinkst, gehe ich. Kompromisslos.
Der schwerste, der vielleicht auch privateste Film, denn er zeigt
die beiden Filmemacher sozusagen nackt. Während der Abspann lief, vor stilisierten Wellen, kamen beide, Hand in Hand, auf die Bühne, ihre Silhouetten verschmelzen mit den letzten Filmbildern. Filmreif und auch rührend.

 

 

 

Körper

 

Die Filme von Verena Paravel und Lucien Casting-Taylor muss man mögen, und aushalten können, das gilt für De Humani Corporis Fabrica ganz besonders.
Zwei Stunden führen sie das Publikum durch Pariser Krankenhäuser, von unten nach oben, in diverse OP-Säle, durch die Geriatrie und aufs Dach. Wer die Filme der beiden visuellen Anthropologen kennt, weiss, es geht um Bilder, ums Schauen. Kein Text, keine Erklärung, nur Sehen und Bilder wirken lassen. In diesem neuen Film sollte man auch Blut sehen können, viel Blut sogar. Die neuen Kameras, die bei Operationen eingesetzt werden, ermöglichen Blicke ins Innere, und kommen so auf die Leinwand.
Dann ist es wieder „nur“ die neugierige Kamera während der OP, in der Pathologie, in den Gängen. Blut, Knochen, Geräte, Gesichter in Ausschnitten, konzentriert. Wir haben alle einen Körper, und der ist verletzlich.

 

Rebellen

 

Jungle Rouge von Juan José Lozano und Zoltán Horváth zeigt die letzten fünf Jahre des FARC Anführers Raul Reyes im Dschungel. Aber nicht als Dokumentarfilm, sondern als Animationsfilm.
Reale Spielsequenzen, verfremdet, modifiziert, dass sie wie gemalt wirken, wechseln sich mit Traumsequenzen ab, die wie bewegte Plakate des sozialistischen Realismus wirken. Als Grundlage des Films, des Spiels, dienten E-Mails, die auf Reyes Computer gefunden wurden. Diese Mischung aus Animation, Abenteuerfilm und realen geschichtlichen Fakten funktioniert bestens, wird dem Thema gerecht, während das Publikum intelligent unterhalten wird.

Das war der letzte Film, den ich bei dieser Ausgabe der Solothurner Filmtage angeschaut habe. Morgen folgen noch die Preise.

58.Solothurner Filmtage Archive

 

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Bilder zeigen oder nicht

 

Eine spannende Diskussion am Morgen bei Fare Cinema: Film in Kriegszeiten, als Gäste Jan Baumgartner, Regisseur, und Werner von Gent, Journalist.
Die Frage: was zeigt man in Konflikten, in Kriegen für Bilder, warum lässt man welche Bilder weg? Und wie weit darf man sich als Berichterstatter, als Filmemacher von den Ereignissen einnehmen lassen. Tatsächlich muss diese Frage jeden Tag, jedes Mal neu mit sich und seinem (professionellen) Gewissen ausgemacht werden.
Eine Frage, die auch unterschiedlich behandelt werden muss, je nachdem, ob man für eine aktuelle Berichterstattung arbeitet, oder, im Nachhinein, einen Dokumentarfilm über Teilaspekte der Konflikte macht.
Diese Verantwortung sollte indes für jeden Film gelten. Denn egal, was das Thema, was die Machart ist, alles, was gezeigt wird, alles, was weggelassen wird, macht einen Eindruck auf die Zuschauenden. Ein Eindruck, der dann wieder zur Meinungsbildung beiträgt.

 

 

Freiheit der anderen

 

The Mies van der Rohes von Sabine Gisiger erzählt von den Frauen der Familie Mies van der Rohe, genauer, hauptsächlich von der Tochter Giorgina, einer Tänzerin und Schauspielerin. Die Idee dabei: die spannenden Figuren aus dem nahen Umfeld des berühmten Mannes eine eigene Bühne zu geben. Das funktioniert nur zum Teil. Der Vater bleibt sehr präsent im Film, nicht so sehr in seiner „Funktion“ als Architekt, aber als Mensch, dessen Entscheidungen und Wege das Leben seiner Frau, seiner Töchter doch sehr gelenkt und beeinflusst haben.
Ganz interessant ist die künstlerische Entscheidung, Giorgina Mies van der Rohe, nicht nur eine Stimme – auf Basis ihrer Briefe und Texte – zu geben, sondern ihr in der Person von Katharina Thalbach auch ein Gesicht, einen Körper zu geben.
Eine fiktive Interviewsituation verleiht der realen Giorgina Dichte und Kontur. Dazwischen sehr viele, sehr gute Archivbilder, Photos und Briefe, aber deutlich zu viel Musik. Klarerweise wäre es viel Arbeit, eine Tonspur zu den Archivfilmen zu kreieren, aber die fast ständig vorhandene Musik ermüdet und nimmt dem Film eine Sachlichkeit, die zwischen den inszenierten Szenen durchaus gut wäre.

 

 

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Archivbilder

 

Die Reihe Fokus zeigt internationale Filme, mit jährlich wechselnden Schwerpunkten, die dann auch als Basis für Diskussionsrunden dienen. In diesem Jahr liegt der Fokus auf der Verwendung von Archivmaterial in Filmen.
Der deutsche Film Liebe, D-Mark und Tod von Cem Kaya wird in dieser Reihe gezeigt. Mit Musik als rotem Faden durchläuft der Film die 60-jährige Geschichte der türkischen Migration nach Deutschland. Das ist sowohl extrem witzig, als auch, so auf 90 Minuten reduziert, sehr erschreckend. Er mischt dabei TV Berichte über die ersten Gastarbeiter mit den frühen Konzerten, die teilweise in Werkshallen stattfanden, fügt Interviews mit den Künstlern heute dazu, und schafft so ein soziologisch-kulturelles Gesamtbild, das viele Facetten hat, das nachdenklich, aber eben auch Spass macht.
Die Zusammenstellung der Bilder und der Musik ist dabei rhythmisch-virtuos und deckt trotzdem das Thema sachlich genug ab. Musikalisch ist von türkischer Folklore, Popsongs, Protestchansons und Rap alles vertreten.
Und ein mal mehr muss man die Qualität des analogen Archivmaterials hervorheben.

 

Altlasten

 

Hitlers Tod wird gerade im Radio bekannt gegeben, da steht der Schweizer Botschafter in Deutschland und verbrennt Akten, so beginnt A Forgotten Man von Laurent Nègre.
Der Botschafter verlässt Deutschland mit einer sprichwörtlichen Leiche im Keller. Der in sehr kontrastreichem Schwarz-Weiss gedrehte Film zeigt die kurze Zeit nach der Rückkehr des Botschafters. Zeigt, wie ihn das Gewissen mehr und mehr plagt, wie er zwar versucht zu rechtfertigen, dass er in seinem diplomatischen Amt immer nur im Sinne der offiziellen Position der Schweiz agiert hat, aber es dämmert ihm in Form von Visionen, dass er vielleicht nicht ganz so exakt am Buchstaben seines Dienstes hätte kleben müssen. Und er stellt fest, dass er für die Politik zu Hause als Bauernopfer herhalten muss. Weder seine Dienste noch seine Beteuerungen werden mehr gebraucht. Die Geschichte bleibt sehr im privaten Umfeld und in der persönlichen Verarbeitung, und wirkt so um so nachdrücklicher.
Dieser Film ist für den Publikumspreis wählbar und brachte viel Applaus.

 

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58. Solothurner Filmtage Frauen

 

Morgenlicht
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Film ist Arbeit

 

In diesem Jahr gibt es einige Neuerungen, zum Beispiel kurze Informations- und Gesprächstreffen mit der künstlerischen Leitung für die Presse. Der Rahmen sympathisch informell und trotzdem professionell. Auch die öffentlichen Diskussions- und Gesprächsmöglichkeiten wurden erweitert.
Die Filmarbeiter im – vermeintlichen – Hintergrund bekommen dieses Jahr eine Bühne, zum Beispiel der Schwerpunkt zum Filmschnitt, für den die Cutterin Katarina Türler eingeladen ist, oder auch die Vergabe des Ehrenpreises an den Oberbeleuchter André Pinkus. Das sind schöne Zeichen, die hoffentlich nicht nur beim Fachpublikum dafür sorgen können, dass Filmarbeit in ihrer ganzen Komplexität gesehen und verstanden wird.

 

Kleine schwarze Spiegel

 

Wenn Wettbewerb und Reichweite das Leben bestimmen, dann ist doch irgendetwas schiefgelaufen, oder?
Girl Gang von Susanna Regina Meures erzählt das traurige Märchen des Mädchens mit dem kleinen schwarzen Spiegel, in dem es sich anschauen, schön finden kann, und in dem auch andere sie bewundern können. Die Geschichte der 14-jährigen Influencerin Leo ist gleichzeitig witzig und erschreckend. Über 4 Jahre folgt die Regisseurin nicht nur Leo, sondern auch ihrer Familie. Es ist ein wundersamer, aber auch böser Aufstieg in die Welt der Werbung und der (Selbst) Ausbeutung. Kinderarbeit möchte man das empört nennen.
Mit den Zugriffszahlen auf ihre Social-Media Accounts fliesst das Geld, mit dem Geld kommt der Stress, das Produzieren von Inhalten ist nicht mehr Spass, sondern ein Geschäft, von dem die ganze Familie lebt.
Erschreckend sind aber auch die Fans, die sich mit religiös-hysterischem Eifer versammeln. Fans wie Meli, die in heisse Tränen ausbricht, nur weil sie auf einer Messe einen Blick auf Leo werfen kann, und deren Welt zusammenbricht, als ihr Instagram Account plötzlich gelöscht ist.
Ein spannender, sachlicher, aber auch mitfühlender Blick auf die Welt der Kinder-Influencer, die bei allem Ruhm auch einfach muffelige, schlecht gelaunte Teenager bleiben. Als Vorfilm Fairplay von Zoel Aeschbacher, der das Bessersein, Gewinnenmüssen und Konkurrieren in rasanter Geschwindigkeit zum tödlichen Ende bringt.

 

 

Bilder vom Krieg

 

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Luzia Schmids Film Trained to see – Three women and the war ist ein beeindruckendes Werk. Sie erzählt von den drei Kriegsjournalistinnen Lee Miller, Martha Gellhorn und Margaret Bourke-White.
Ihre Geschichten als Kriegsreporterinnen erzählen sich über Off-Texte, die Auszüge aus ihren Briefen und Berichten sind.
Alle drei haben mit enormem Einsatz vom Krieg berichtet, mit Bildern, mit Texten, und immer wieder gegen Widerstände. Als Frauen wurden sie oft nicht ernst genommen, nicht an der Front oder bei Einsätzen zugelassen, zurückgepfiffen und manchmal ausgelacht. Trotzdem sind ihre Berichte, ihre Bilder erschienen, manche Photos, wie das von Lee Miller in Hitler Badewanne, sind mittlerweile ikonisch. Bildlich zeigt der Film ausschliesslich Archivmaterial von unglaublicher Qualität, das mit den Texten und Photos ein sehr gelungenes Ganzes ergibt.

Wie zur Belohnung nach den harten Bildern erstrahlt Solothurn im kitschigen Rot des Sonnenuntergangs. Allerdings ist kaum Zeit das zu geniessen, bis zum nächsten Film sind nur 20 Minuten Zeit und der läuft am anderen Ende der Stadt.

 

Kitsch mit Sonnenlicht
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Intime Einblicke

 

Auch Couvre-feu. Journal de Monique Saint-Hélier von Rachel Noël ist im Zweiten Weltkrieg angesiedelt. Aber diesmal ist es ein literarischer und sehr intimer Ansatz. Die Tagebücher der in Paris lebenden Schweizer Autorin Monique Saint-Hélier schildern eine andere Art des Kriegsgrauen. Sie sprechen von Einsamkeit, Krankheit, Erinnerung an eine andere Zeit, eine andere Welt. Visuell bedient sich der Film der Ästhetik leicht verschwommener 8 mm Familienfilme und assoziativer Bilder. Zwei Mädchen „finden“ die Tagebücher, und scheinen deren Inhalt verträumt nachzuspielen. Über allem, gelesene Fragmente aus den Aufzeichnungen. Alles in allem ist das recht anstrengend, nicht uninteressant, aber trotzdem irgendwie unfertig.

Fast wilde Szenen spielen sich im Foyer des einzigen Kinos mit drei, relativ kleinen, Sälen ab. Die drei Abendvorstellungen sind ausreserviert, aber es drängeln sich jede Menge Zuschauer, die hoffen, dass ihre Wartenummern gezogen werden. Zusätzliches Durcheinander entsteht, weil wohl einige Wartenummern für den falschen Film bekommen haben.

 

 

Harte Knochen

 

Cascadeuse von Elena Avdija ist ein solide gemachter Film über drei Stuntfrauen.
Sie alle halten im wahrsten Sinne des Wortes ihre Knochen hin, und trotzdem kennt niemand ihre Namen und schon gar nicht ihre Gesichter. Während die jüngste der drei noch am Anfang ihrer Karriere steht und die älteste mittlerweile mehr und mehr Richtung Stuntkoordination geht, hadert die mittlere und versucht parallel auch eine Karriere als Schauspielerin. Es sind starke Frauen, denen man den Spass an ihrer Arbeit ansieht, genauso wie auch die zahlreichen blauen Flecken.
Was man leicht vergisst, wenn man an Stunts von Frauen denkt, ist der Mangel an Variationen der Stunt- oder Actionszenen. Im Wesentlichen werden sie eingesetzt, um sich überfahren, anfahren, prügeln, totprügeln zu lassen.
Ein Problem nicht des Stunts, sondern der Geschichten, der Filme, der Frauenrollen.

Ein Festivaltag mit Filmen fast nur von Regisseurinnen und über sehr unterschiedliche, meist starke, Frauen.

58.Solothurner Filmtage Eröffnung

 

Grau, aber schön
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Filmland Schweiz

 

Die 58. Solothurner Filmtage unter neuer künstlerischer Leitung, nach einem Jahr mit Zwischenlösung, dieses Jahr also mit neuem Gesicht: Niccolò Castelli, Journalist, Drehbuchautor und Regisseur, und jetzt künstlerischer Leiter in Solothurn.
Eine Woche lang werden Kurz- und Langfilme das Schweizer Filmschaffen zeigen, wenn man ins Programm schaut, findet man dort sowohl Trash-Gemetzel als auch politische Dokumentarfilme, das kann spannend werden.

 

Konkurrenz und schlechtes Wetter

 

Jedes Jahr findet parallel zu den Solothurner Filmtagen auch das Weltwirtschaftsforum in Davos statt. Und wie jedes Jahr sollte trotzdem Bundesrat, dieses Jahr auch Bundespräsident, Alain Berset persönlich zur Eröffnung kommen. Sollte, denn das Winterwetter macht die Hin- und Rückreise aus Davos dieses Jahr unmöglich. Es gibt also nur eine Videobotschaft, und in Vertretung die Leiterin des Bundesamtes für Kultur.
Diese Besuche mögen vielleicht nicht nach viel klingen, oder nur nach: „da mag jemand gern zwischen Filmleuten sein“, aber bei genauer Betrachtung zeigt es den Stellenwert, den die Schweizer Politik dem heimischen Film beimisst, als Kunstform und als Wirtschaftszweig.
Ein Zeichen, das man nicht unterschätzen sollte, denn Kunst braucht Geld und Unterstützung, auch in Form von Förderung.
Zur Eröffnung betonten alle, wie wichtig nicht nur Filme heute sind, sondern das Filmschauen, und zwar im Kino, in Ruhe, im Austausch, unabgelenkt, wodurch man – paradoxerweise – der allgegenwärtigen Bilderflut entkommen kann, indem man Bilder anschaut.

 

 

58.Solothurner Filmtage
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Freiheit und Demokratie

 

Auch wenn jedem bewusst ist, dass in nächster Nähe Krieg herrscht, geraten manche, nur scheinbar kleinere, Kämpfe in der Nachbarschaft in den Hintergrund.
In Belarus zum Beispiel herrscht seit den 90er Jahren Präsident Lukaschenko uneingeschränkt und diktatorisch, unwidersprochen bleibt das vor Ort allerdings nicht. Der Eröffnungsfilm This Kind Of Hope von Pawel Siczek zeigt den unermüdlichen Kampf und oppositionellen Widerstand gegen den Machtmissbrauch. Über fast 30 Jahre zieht sich der Dokumentarfilm, am Anfang steht die Einigung Russlands, Weissrusslands und der Ukraine, die Sowjetunion zugunsten dreier unabhängiger Staaten zu teilen. Aber kurz darauf wird Lukaschenko zum Präsidenten gewählt und beginnt den neuen Staat in die bis heute existierende Diktatur zu verwandeln.
Protagonist des Films ist der Oppositionelle Andrei Sannikov, der als Diplomat bei der Umstrukturierung der Sowjetunion schon dabei war, im Weiteren aber in die Opposition ging, dafür eingesperrt und gefoltert wurde und jetzt in Polen im Exil lebt, und von dort weiterhin für die Freiheit und Unabhängigkeit seiner Heimat arbeitetet. Der Film zeigt in Archivbildern die Geschichte seit den 90er Jahren und parallel die Geschichte Sannikovs und dessen Familie. Das ist sehr interessant, aber auch ziemlich anstrengend. Aber schlussendlich funktioniert die Mischung aus Politik und Privatleben, einfach, weil man vor dem Hintergrund des Grossen einen persönlichen Bezug findet, dem man folgen kann.
Der Film bekam nicht nur viel Beifall, sondern auch stehende Ovationen. Möglicherweise wurde da auch stellvertretend für alle, die in der Region für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen, applaudiert, aber das soll den Erfolg des Abends nicht schmälern.

 

Gesellig

 

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Bei Wein und Häppchen im Anschluss merkt man nicht mehr, dass vor Kurzem ein Virus die grösste mögliche Bedrohung war, es darf auch hier wieder uneingeschränkt und gesellig gefeiert werden.