Diagonale 2020 – Die Preise

Diagonale 2020_Preise
Diagonale 2020_Preise
(c) ch.dériaz

 

Die Unvollendete, doch ein bisschen vollendet

Eigentlich hätten die Preise der Diagonale Ende März vergeben werden sollen, am Ende einer Woche voller Filme, Gespräche und Begegnungen, auf einer Bühne, Rahmenprogramm inklusive. Dass dieses Jahr anders ist, hat sich langsam reichlich genug gezeigt.

Anders als einige andere ausgefallene Festivals, hatte sich die Diagonale entschieden, weder online zu gehen noch ein „abgespecktes“ Programm zu zeigen oder den Termin zu verschieben. Und so gab es einiges an Organisation, Terminkoordinierung und Klärungen, bevor die Jurymitglieder die Diagonale-Filme online anschauen, besprechen und bewerten konnten, aber jetzt ist es vollbracht, die Preisträger stehen fest.
Das ist wichtig.
Wichtig für die Filme/Filmemacher, wichtig aber auch für diejenigen, die die Preise stiften. Filmpreise sind auf mehreren Ebenen ein Wirtschaftsfaktor, der Wegfall also wirtschaftlich schwer verdaulich.

Die Preise

Der Abräumer des „Abends“ ist Sandra Wollners The Trouble With Being Born, der sowohl den Grossen Diagonale Preis Spielfilm bekam, als auch für den besten Schnitt (Hannes Bruun), das beste Sounddesign (Peter Kutin), und den besten Schauspieler (Dominik Warta ) ausgezeichnet wurde.

The trouble with being born
The trouble with being born
(c) ch.dériaz

Nicht unerwartet und zu Recht geht der Grosse Preis Diagonale Dokumentarfilm an Sabine Derflinger für DIE DOHNAL Frauenministerin / Feministin / Visionärin. Der Film läuft weiterhin in den Kinos, wer ihn noch nicht gesehen hat, kann und sollte das jetzt nachholen.

 

Space Dogs Plakat in Locarno
Space Dogs Plakat in Locarno
(c) ch.deriaz

Eine besondere Freude ist der Preis für die beste Kamera Dokumentarfilm.
SPACE DOGS lebt vom ruhigen, geduldigen (Kamera) Blick Yunus Roy Imers. Der Film kommt im Herbst in die Kinos.

 

 

 

Little Joe_Szenebild
Little Joe_Szenebild
(c) ch.dériaz

Auch hochverdient und erfreulich der Preis Szenenbild an Katharina Wöppermann für Little Joe, auch hier hat ihre künstlerische Leistung einen riesigen Anteil am Erfolg des Films.

 

 

Alle Preise gibt es hier.

Die Diagonale live erleben kann man dann vom 16. bis 21. März 2021 in Graz.

Viennale 2019

 

(c) ch.dériaz

Das Programm

Am 24. Oktober ist wieder soweit, zum 57. Mal findet in Wien die Viennale statt, das heisst: 14 Tage Filme zu fast allen Uhrzeiten.

Das Publikumsfestival bietet eine Art „Best of Festivals“, zusammengetragen und ausgesucht von Viennale Direktorin Eva Sangiorgi.

Die zuständigen Stellen der Kulturabteilung der Stadt Wien hat Sangiorgi bereits nachhaltig überzeugt, wurde ihr Vertrag doch jetzt schon, also nach „nur“ einem Jahr als Direktorin, vorzeitig verlängert.

Was auffällt, ist eine grosse Anzahl Filme aus Ländern der romanischen Sprachfamilie, aber auch Osteuropa und Asien sind in diesem Jahr stark vertreten.
Die Langfilme sind, erfreulicherweise, nicht nach Kategorien getrennt, und so finden sich Dokumentarfilme einträchtig neben Spiel- und Experimentalfilmen wieder.
Das tut der Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksform gut und bringt sicher auch den einen oder anderen „unaufmerksam“ kataloglesenden Zuschauer zu unerwarteten Kinoerlebnissen.

Neben dem Hauptprogramm gibt es auch dieses Jahr wieder eine Retrospektive in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Filmmuseum:
O Partigiano! Pan-European Partisan Film.
Sowie das Programm: Der Weibliche Blick, die Wiederentdeckung der Filme von Louise Kolm-Fleck in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria.

Zusätzlich zu den vielen zu entdeckenden Filmen gibt es wie immer auch ein buntes Rahmenprogramm aus Musik, Begegnungen, Gesprächen und Cocktails.
Und, kein Festival ohne Preise, ausser dem Viennale Publikumspreis gibt es noch den Wiener Filmpreis, den MehrWert Filmpreis und den FIPRESCI Preis der internationalen Filmkritik.

 

Auf jeden Fall zu empfehlen sind die Filme:

Space Dogs

Oroslan

Yokogao

Das gesamte Programm gibt es hier.

(c) ch.dériaz

Locarno #72 Katzen, Hunde, Cockpit

Tag zwei, der erste Film im Programm Cineasti del Presente, Love Me Tender von Klaudia Reynicke. Ein junges Mädchen und ihre Eltern, zunächst scheint sie sich einfach nur von irgendetwas zu erholen, aber schnell wird klar, in ihrem teils brutalen, teils nur abweisendem Verhalten steckt mehr, und sie ist allein und unverstanden mit ihrem Problem. Als erst die Mutter stirbt und wenig später der Vater sie einfach allein zurücklässt, wird ihr Wahn offenbar. Mit unglaublicher Intensität spielt Barbara Giordano, in der Enge des Hauses, das zusehends mehr vermüllt, eine Art Tanz mit den inneren Dämonen. Nur ganz langsam und über den ganzen Film in Häppchen verteilt, erschliesst sich die Geschichte hinter ihrem Wahn. Das dominierende Blau in Details, aber auch in ihrem Jumpsuit, in dem sie sich zu verstecken scheint, runden diesen tollen Film ab.
Nach so einem guten Start geht es entspannt zu den Pardi di Domani. Anfangs noch recht lustig und originell, flacht Dossier of the Dossier von Sorayos Prapapan im Verlauf doch etwas ab. Erzählt wird in schwarz-weiss Bildern von der mühsamen und erfolglosen Suche nach finanzieller Unterstützung und einem Produzenten für einen Kurzfilm. Die gezeigten Mühen und Rückschläge entsprechen auf jeden Fall der Realität und werden mit Witz dargebracht. Ahlou al kahf von Fakhir El Ghezal ist Teil eines Projekts zum Sichtbarmachen von Migrationsproblematik. Das 8mm schwarz-weiss Material ist interessant, die darüberliegenden Kaligraphien, ein Gedicht, ein Raptext verwirren etwas, und ab der Hälfte verliert der Film seine Form, wird inkohärent und verläuft sich.Der Animationsfilm Umbilical von Danski Tang ist unterlegt mit einer Aussprache zwischen Mutter und Tochter, da diese auf Chinesisch stattfindet, verlieren die sehr schönen Animationen ein bisschen, weil man gleichzeitig relativ viel Text zu lesen hat. Interessant ist der Film trotzdem. Otpus (Leave of Absence) von Anton Sazonov zeigt einen Mann, dessen Lebenswelt auseinanderbricht, Vater gestorben, geschieden, mittellos, alles in sehr schönen, ruhigen und düsteren Bildern. Eine trostlose Welt, aus der sich der Protagonist im Bus Richtung Horizont verabschiedet. Nachts sind alle Katzen grau von Lasse Linder: ein Mann und seine zwei Katzen, ein Exzentriker, der mit und für seine Tiere zu leben scheint. Mit den Katzen auf den Schultern im Skiressort oder mit den Katzen im Auto auf dem Weg zum Deckkater und selbstverständlich ist der stolze „Katzenvater“ bei der Geburt der Kätzchen nervös dabei und unterstützt mit leisen „pressen, pressen“ – Anweisungen seine werfende Kätzin. Skurril und lustig, hübsche Katzen inklusive.

(c) ch.dériaz

Nach kurzer Pause, zurück zu den Langfilmen und auf Katzen folgen Hunde in Space Dogs von Elsa Kremser und Levin Peter. Der essayistische Dokumentarfilm erzählt von Moskauer Strassenhunden, deren bekannteste Vertreterin die Hündin Laika war, die als erstes Lebewesen ins All geschickt wurde. Die exzellente Kamera folgt einigen Strassenhunden im Hier und Jetzt auf Moskaus Strassen, kombiniert aber die Bilder immer wieder mit Archivbildern aus der russischen Raumforschung, wo nach Laika noch weitere, von der Strasse geholte, Hunde für Einsätze im All missbraucht wurden. Bis auf kurze Passagen in denen mit sonorer russischer Stimme die Geschichte und Geschichten aus dieser Zeit erzählt wird, bleibt der Film kommentarlos. Einige Szenen sind aus verschiedenen Gründen nichts für empfindliche Gemüter, aber insgesamt ist Space Dogs ein grossartiger Film.

Hilary Swank
(c) ch.dériaz

 

Am Abend strahlen drei Frauen von der Bühne und der Leinwand auf der Piazza Grande um die Wette: Lili Hinstin, Moderatorin Giada Marsadri und Ehrenleopardpreisträgerin Hilary Swank.

 

Mit der Weltpremiere der Deutsch-Österreichischen Koproduktion 7500 von Patrick Vollrath kommt grosses Actionspektakel auf die Leinwand. Der Nachtflug von Berlin nach Paris wird kurz nach dem Start von Islamisten in seine Gewalt gebracht. Besonders ist der Film, weil konsequent alles ausschliesslich im Cockpit des Flugzeugs stattfindet. Das erlaubt eine sehr dichte Erzählweise einer Geschichte, die im Kino schon oft erzählt wurde. Der Film fokussiert auf die Beziehung zwischen den Figuren, alles, was ausserhalb des Cockpits stattfindet, ist entweder über einen kleinen Videomonitor oder gar nicht zu sehen. Die Aussenwelt wird unerheblich, es zählt nur der direkte Konflikt, das psychologische Duell. Abgesehen davon, dass wie bei fast allen solchen Storys gleich zu Anfang die Figuren auszumachen sind, die den Film auf keinen Fall „überleben“ werden, ist der Film extrem packend, und erfreulich wenig flach in der Zeichnung seiner Hauptfiguren.
Ein regenfreier Festivaltag endet wie er begann: erfreulich.