#FestivalTipp Viennale

 

(c) ch.dériaz

 

Eine kleine Auswahl grosser Filme

 

 

Vom 19.10. bis 31.10. findet die Viennale statt, das Programm ist wie immer üppig und vielfältig. Hier ein paar – wenige – Festival-Tipps.

Lang

Ganz dringend sollte man versuchen, den rumänischen Film Nu astepta prea mult de la sfârșitul lumii (Do Not Expect Too Much from the End of the World) von Radu Jude anzuschauen.
Jude gehört zu den originellsten, kompromisslosesten europäischen Regisseuren. Und auch wenn sein aktueller Film mit fast drei Stunden lang erscheint, wenn man erstmal schaut, vergeht die Zeit wie im Flug. Sein Sinn für subtilen und subversiven Humor und sein Gefühl für Rhythmus und Schnitt sind jedes Mal eine grosse Freude. Er mischt einen Film über die Filmbranche mit einem Film aus den 80er Jahren und kurzen TikTok-Clips. Die Basisgeschichte bleibt dabei in körnigem Schwarzweiss, während der 80er-Jahre-Film (Angela goes on) in all seiner verwaschenen Farbkraft dagegenhält. Fast atemlos folgt der Film einer jungen Frau, die für eine Produktion als Mädchen für alles herhalten muss, Casting, Fahrtdienst, was gerade anfällt, und das unterbezahlt und in sehr langen Arbeitstagen. Autofahrten durch den Verkehr in Bukarest geraten so zu ihrer persönlichen Kampfzone. Zum Ausgleich politisiert sie, versteckt hinter einem schlechten TikTok-Filter, als Bobby sexistisch und ordinär zu Themen des Alltags, der Politik, der Sexualität. Der Film schafft eine umfassende Gesellschaftskritik mit den Mitteln der Komödie, der Übertreibung, aber immer auch der Montage. Allein die gegeneinander geschnittenen, sich ergänzenden oder kommentierenden Fahrszenen von heute und aus den 80er Jahren wären eine umfassende Analyse wert. In Locarno entschuldigte er sich vor der Premiere für die Länge, mit dem Hinweis, der Film musste so lang werden.
Er läuft an diesen Terminen.


Kürzer

Ein viel kürzerer Film, mit nur 65 Minuten, ist Yannick von Quentin Dupieux.
Aber auch das macht ihn für normale Kinoprogrammierung schwer vermittelbar. Und deshalb sei auch dieser fabelhaft groteske und intelligente Film dringend empfohlen.
Er ist ein Meisterwerk der Ideen und vor allem der Schauspielkunst. Der Film spielt fast ausschliesslich in einem kleinen Theater, wo gerade ein mässiges Boulevardstück läuft. Ein Zuschauer steht nach einem Moment auf, stellt sich höflich vor, und beklagt sich über die Qualität des Stücks. Extra freigenommen hat er sich, um ins Theater zu gehen, um auf andere Ideen zu kommen, und jetzt das, er wird nur noch mehr runtergezogen, er möchte sich beim Verantwortlichen beschweren. Von dieser Ausgangslage entwickeln sich in dem begrenzten Raum Situationen, die von schräg zu gefährlich, von verständnisvoll zu dramatisch und wieder zurückkippen. Ganz wunderbar ist das ausdrucksstarke und nuancenreiche Spiel des Hauptdarstellers Raphaël Quenard.
Im Programm an diesen Terminen.


Noch kürzer

Bei den Kurzfilmen sei Kinderfilm des Kollektivs Total Refusal sehr empfohlen. Was dieses Regie-Kollektiv macht, ist eigentlich jedes Mal witzig, erstaunlich und wirklich innovativ. Die Geschichte findet komplett innerhalb eines Computerspiels (GTA V) statt. Eine Figur fährt durch eine seltsame Welt, irgendetwas fehlt, sie kommt nur nicht genau drauf, was es ist. Der Zuschauer sieht schnell, hier gibt es keine Kinder, nur verwaiste Spielsachen, einen leeren Schulbus, leere Spielplätze.
Der Film macht nachdenklich und ist dabei witzig und super gemacht.

 

Einer geht noch

Selbst wenn er demnächst sowieso in die Kinos kommt, Anatomie d’une chute von Justine Triet ist ein mit Recht hochgelobter und mit Preisen belohnter Film.
Er ist spannend, extrem gut erzählt und irre gut gespielt. Was bei diesem Gerichtsdrama, wenn man es so nennen mag, besonders gelungen ist, ist die Ungewissheit, in der der Zuschauer bis zum Schluss bleibt. Alle Möglichkeiten sind offen, alles kann passiert sein. Die einzigen Momente, in denen man wirklich Partei beziehen möchte, sind bei den immer kruder werdenden Aussagen des Staatsanwalts, aber dann wieder: wer weiss?
Hier die Spieltermine

Eine kleine Auswahl grosser europäischer Filme, die jenseits bekannter Pfade Geschichten erzählen.

Das gesamte Programm, inklusive Rahmenprogramm, findet sich auf der Festivalseite.

 

Locarno#76 Zum Schluss

 

(c) ch.dériaz

 

 

Vorhersagen

 

Jedes Jahr werden Filmkritiker in Locarno gefragt, welches ihr Favorit für den Pardo d’Oro ist. Sehr oft herrscht eine Art Einigkeit, aber kein Jahr war es so eindeutig wie diesmal.
Mit 12 Nennungen liegt Radu Judes Film Nu aștepta prea mult de la sfârșitul lumii, einsam an der Spitze. Sein Film vereint vieles, das gerade in Locarno wichtig ist: künstlerische Freiheit in der Wahl der Ausdrucksform, intelligent erzählte Geschichte, der trotzdem der Witz nicht fehlt, und Originalität in der Umsetzung. Am Abend wird sich zeigen, ob die Jury das genauso sieht.
Die beiden nächst häufig genannten Filme: Yannick von Quentin Dupieux und
The Vanishing Soldier von Dani Rosenberg, mit jeweils zwei Nennungen, sind definitiv auch sehr gute Kandidaten, in der Meinung der befragte Kritiker aber ganz schön weit abgeschlagen. Auch Stepne von Maryna Vroda wäre ein würdiger Kandidat und, möglicherweise, ein politisches Statement. Ob die Jury sich von Politik oder nur von künstlerischem Ausdruck leiten lässt, bleibt ihr Geheimnis.
Aber vielleicht verhält es sich mit Kritiker-Vorhersagen ähnlich wie mit Wettervorhersagen.

 

(c) ch.dériaz

 

Themen

Es war viel von Sexualität die Rede, aber auch wenn „sex sells“ für die Werbung gilt, das alleine macht noch keinen interessanten oder guten Film. Und in einigen Fällen waren die vermittelten Bilder und Werte sehr rückwärtsgewandt.
Gar nicht wenige Filme verlegten ihre Geschichten in die Vergangenheit, wobei nur bei wenigen mit der Zeit und ihren historischen Implikationen gespielt wurde.

 

Bildformate

Die Wahl des Bildformats, des Materials, der visuellen Ästhetik waren auch in diesem Jahr vielfältig. Die Leinwand wurde je nach Bedarf in voller Breite oder im reduzierten 4:3 genutzt, und fast immer entsprach die Wahl dem für die Geschichte besten Bildformat. Dass wieder vermehrt auf Film gedreht wird, und dass Schwarzweiss-Bilder als Ausdruck gewählt werden, ist eine schöne Entwicklung.

 

(c) ch.dériaz

 

Preise

Den Pardo d’Oro im Hauptwettbewerb gewinnt Mantagheye Bohrani (Critical Zone) von Ali Ahmadzadeh, den ich leider nicht gesehen habe.
Radu Jude bekommt für Nu aștepta prea mult de la sfârșitul lumii, neben anderen Preisen, den Spezialpreis der Jury und den Hauptpreis der Jugendjury.
Maryna Vroda gewinnt mit Stepne den Preis für die beste Regie im Hauptwettbewerb und den FIPRESCI Preis.
Im Wettbewerb Cineasti del presente, gewinnt Hao jiu bu jian (Dreaming & Dying) von Nelson Yeo den Pardo d’Oro und den First Feature Award.
Warum Katharina Huber für Ein schöner Ort den Preis als beste Nachwuchsregisseurin bekommt, erschliesst sich mir nicht.
Der Pardo Verde geht an Čuvari Formule (Guardians of the formula) von Dragan Bjelogrlić, der auf der Piazza an einem Regentag als zweiter Abendfilm lief, bedauerlicherweise nicht gesehen.
Besonders die Preise der Jugenjury an Radu Jude, an Maryna Vroda oder an Sweet Dreams von Ena Sendijarević beeindrucken. Die zukünftigen Kinozuschauer haben keine Berührungsängste mit komplexen Themen, Autorenkino oder Kinokunst. Das gibt Hoffnung und widerspricht dem, was sonst so pauschal vom Geschmack junger Zuschauer gesagt wird.
Europäisches Autorenkino ist gefragt, man muss nur den Mut haben, das dann auch im Kino zu zeigen.

Publikumspreis

Dann stellt sich weiter die Frage: Kann ein Film, in dem ein niedliches Haustier böse zu Tode kommt, den Publikumspreis gewinnen?
Wie schon direkt im Anschluss an Ken Loachs Auftritt auf der Piazza abzusehen war, gewinnt The Old Oak den Publikumspreis. Das damit verbundene Preisgeld, liess er durch seinen Schweizer Verleiher mitteilen, wird Loach an Flüchtlingsorganisationen spenden.
Und damit wäre auch die Frage beantwortet: Ja, selbst wenn niedliche Haustiere zu Tode kommen, kann ein Film das Publikum gewinnen.
Alle Preise sind auf der Webseite des Festivals zu finden.

 

 

(c) ch.dériaz

 

Abschied

Am Abend fängt es an zu regnen, aber trotzdem strömen Menschen auf die Piazza. Die Stühle sind nass, überall Regencapes. Wird die Schlusszeremonie wirklich auf der Piazza Grande stattfinden?

 

 

Punkt 21 Uhr ist es dann so weit, der Regen hat aufgehört, und zum letzten Mal für dieses Jahr heisst es: „Buona Sera, Piazza Grande“.
Die grössten Emotionen löst der letzte Auftritt von Marco Solari aus, er wird mit stehendem Beifall empfangen, wovon er sichtlich bewegt ist. Noch einmal beschwört er den freien Geist, der in Locarno herrscht, und von dem er überzeugt ist, dass auch die kommende Festivalpräsidentin ihn mit ihrem Team weiter tragen wird.
Als scheidender Präsident hat er einen Überraschungsfilm versprochen, und sich für Citizen Kane entschieden.

 

 

Gewalt

Der Abschlussfilm Shayda von Noora Niasari erzählt von dem, das oft euphemistisch als häusliche Gewalt bezeichnet wird. Dass die Hauptfigur der Geschichte eine iranische Mutter in Australien ist, fügt dem Problem eine Dimension dazu. Aber im Kern, und das ist auch im Film deutlich, ist das Problem immer dasselbe, egal wo die betroffenen Frauen und ihre Kinder herkommen. Die titelgebende Shayda ist nach Gewalt und Vergewaltigung durch ihren Mann in einem Frauenhaus untergekommen, trotzdem versucht sie für ihre Tochter eine halbwegs normale Beziehung zum Vater zu ermöglichen. Dass das nur bedingt gut geht, liegt auf der Hand. Der Film ist sehr emotional und vor allem von der 6-jährigen Selina Zahednia toll gespielt.

 

(c) ch.dériaz

 

Das war es aus Locarno.
Nächstes Jahr am 7. August wird pünktlich um 21:30 die 77. Ausgabe beginnen.

Locarno#76 Farben

 

(c) ch.dériaz

Gelb-Schwarz und Pink

 

Die Wolken bleiben eher bedrohlich als niedlich, aber immerhin, fast alle nassen Klamotten vom vergangenen Abend sind trocken. Die Online-Rückmeldungen sind immer noch nicht befriedigend und die WLAN-Abdeckung spärlich. Letzteres ist besonders unverständlich, ist doch ein Telekom-Unternehmen seit Jahren einer der Hauptsponsoren des Festivals, da sollte es doch möglich sein, für Gäste einigermassen flächendeckend WLAN zur Verfügung zu stellen.

(c) ch.dériaz

 

Aber sonst zeigt sich Locarno von seiner bunten Seite, Leoparden selbst in Barbie-Pink, Zuschauer, die Varianten von Schwarz-Gelb tragen, und solche, die dem Pink-Trend frönen, schön ist das.

 

 

 

 

 

 

Träume in Gelb

 

Mit Yo y las bestias von Nico Manzano wird die Open Doors Sektion eröffnet. Wie auch schon im letzten Jahr sind Filme aus Lateinamerika eingeladen, Filme und deren Filmschaffende, die in Europa oft unbekannt sind, können hier entdeckt werden. Der Erstlingsfilm Yo y las bestias ist eine melancholische Träumerei in staubigem Gelb. Ein junger Musiker verlässt die Band, in der er spielt, um alleine eine andere, komplexere Art von Musik zu machen. Aber Venezuela und die wirtschaftlichen Probleme lassen das Projekt auf sehr schwachen Füssen stehen. Auch Unterstützung von Freunden ist eher überschaubar, und so arbeitet er sich alleine an seinem Projekt ab, umgeben von imaginierten, gelb verhüllten Mitstreitern. Ein sanfter Film, vielleicht noch etwas ungelenk, aber mit reichlich Potenzial.

 

Sommersonne

 

August im Tessin, das heisst, neben plötzlichen Regenschauern und Gewittern, vor allem Sonne und Hitze. Was weiterhin fehlt, sind konsumfreie Orte, mit Schatten, mit Sitzmöglichkeiten, wo man sich zwischen den Vorstellungen kurz aufhalten kann. Was es gibt, sind Orte in der prallen Sonne, oder kümmerliche Wiesen, mit etwas Schatten und vielen Ameisen, wo man aber bereit sein sollte, auf dem Boden zu sitzen. Oder aber eines der vielen Lokale, wo man sich den Komfort und den Schatten erkaufen muss.

 

(c) ch.dériaz

 

 

Stimmen sehen

 

Jeden Tag um halb drei heisst es: Leoparden von morgen. Der Nachwuchs, oft, aber nicht immer, aus Filmschulen weltweit, präsentiert seine Arbeiten.

Nocturno para uma floresta von Catarina Vasconcelos, ein eigentümlich künstlicher Film, in dem Untertitel die Stimmen der Seelen von im 17Jahrhundert ausgegrenzten Frauen übernehmen. Blätter, Blumen, Bäume, in verschiedenen Farben eingefärbt fungieren als Protagonisten. Tatsächlich funktioniert die Geschichte besser als befürchtet; ein Film über Frauenselbstverständnis im Wandel der Zeit.
Stop-Motion geht (fast) immer. So auch bei Canard von Elie Chapuis. Eine Art Entensplatter-Horror-Geschichte, Sex inklusive. Sehr lustig, sehr toll gemacht.

Der Versuch eines jungen, schüchternen Fabrikarbeiters, mit einer Kollegin anzubandeln, schlägt in Yi zhi wu gui de ben ming nian (A Tortoise’s Year of Fate) von Yi Xiong gründlich fehl. Dafür fällt er auf einen Wahrsager herein, der mit einer Riesenschildkröte vor allem eines macht: ein Riesengeschäft.

Künstler, schwul, Brasilianer und in Berlin auf Zimmersuche:
Du bist so wunderbar von Leandro Goddinho und Paulo Menezes. Das Ergebnis ist die erwartbare Frustration, Stereotypen inklusive, nicht uninteressant.

Ganz stark ist: The Currency – Sensing 1 Agbogbloshie von Elom 20ce, Musquiqui Chihying, Gregor Kasper. Beeindruckende Bilder einer wilden Müllkippe in Ghana, zwischen Kühen, der Dreck unserer Zivilisation, schwarze Rauchsäulen, massenweise Handygehäuse, Plastik und ein Mann, der den Müllteilen Geräusche zu entlocken scheint. Der Film, unterteilt in 4 Kapitel, mischt immer mehr Geräusche zu Musik, jazzige Elemente, aber auch Afrikanisches, eine Symphonie unseres Mülls, die eigentümlich schön ist, während die Bilder Schauderhaftes zeigen.

Mit den letzten Tönen des Abspanns heisst es allerdings schon rausrennen und in die lange Schlange des nächsten Films einreihen.

Störung


Nur 65 Minuten lang ist Yannick von Quentin Dupieux, aber ein Meisterwerk der Ideen und vor allem der Schauspielkunst. Der Film spielt fast ausschliesslich in einem kleinen Theater, wo gerade ein mässiges Boulevardstück läuft. Ein Zuschauer steht nach einem Moment auf, stellt sich höflich vor, und beklagt sich über die Qualität des Stücks. Extra freigenommen hat er sich, um ins Theater zu gehen, um auf andere Ideen zu kommen, und jetzt das, er wird nur noch mehr runtergezogen, er möchte sich beim Verantwortlichen beschweren. Von dieser Ausgangslage entwickeln sich in dem begrenzten Raum Situationen, die von schräg zu gefährlich, von verständnisvoll zu dramatisch und wieder zurückkippen. Ganz wunderbar ist das ausdrucksstarke und nuancenreiche Spiel des Hauptdarstellers Raphaël Quenard.

 

Ins Wasser gefallen

 

Und dann fängt es am Abend wieder an zu regnen, erst zaghaft und dann richtig stark. Also kein Abend auf der Piazza, kein La Voie Royale von Frédéric Mermoud.
Und besonders ärgerlich: nicht dabei sein, wenn für einmal ein Cutter einen Ehrenpreis erhält. Der gebürtige Italiener Pietro Scalia hat in den USA so ziemlich alles geschnitten, was gross und teuer ist, von Spiderman über Kick-Ass, Good Will Huntig bis zu Gladiator.
Stattdessen die Pressevorführung von La bella estate von Laura Luchetti, dem Piazza Grande Film von morgen – da soll es auch regnen!
Ein Sommer in Turin 1938, ein Geschwisterpaar vom Land lebt etwas ärmlich in der grossen Stadt, während der Bruder studieren will, arbeitet seine Schwester als Schneiderin in einem Modeatelier. Alles läuft ruhig und irgendwie spiessig, vorhersehbar, bis eines Tages eine junge Frau die Schwester in die wilden Künstlerkreise der Stadt mitnimmt. Wein, Sex, Drogen, ein völlig anderes Leben als das ruhige bisherige. Aber die wilde Welt verwirrt mehr, als dass sie Freude oder Klarheit bringt. Wozu der Film im Jahr 1938 spielt, ausser um ein ziemlich veraltetes Frauenbild zu zeigen, erschliesst sich nicht, ein Schnipsel Mussolini im Radio ist alles, was es an politischem Zeitbezug gibt. Ansonsten: hübsche Kostüme, schöne Ausstattung, gute, warm eingefärbte Bilder, stimmungsvoll einerseits, aber auch etwas langweilig über die doch langen 111 Minuten.

 

 

Schneiden

 

Pietro Scalia
(c) ch.dériaz

 

Nachdem Pietro Scalia gestern Abend geehrt wurde, führt er am Vormittag ein Publikumsgespräch. Also rasch vor dem ersten Film vorbeischauen. Der Italiener, der in Aarau aufgewachsen ist, verliebt sich früh und nachhaltig ins Kino, der Zufall will es, dass er in New York und dann in Los Angeles Film studieren kann, der Rest der Geschichte ist Hartnäckigkeit und Glück. Viel Glück, möchte man in seinem Fall neidlos sagen.

 

 

 

 

Gerüchte

 

Der Tag beginnt wolkig und verspricht, schlechter zu werden. Nun gut, im Kino ist das egal. Auch in Ekskurzija von Una Gunjak überwiegt ein vorstädtisches Grau. Für Iman und ihre Mitschüler, Jugendliche um die 15, dreht sich eigentlich dauernd alles um Sexualität. Aber alle sind auch zu jung, zu unerfahren und zu linkisch, um darüber zielführend zu reden. Sie verlieren sich in Spielchen wie „Wahrheit oder Pflicht“, und protzen immer wieder mit angeblich bestandenen sexuellen Abenteuern. So kommt auch das Gerücht auf, dass Iman mit einem älteren Jungen geschlafen hat. Heimlich verliebt in ihn, befeuert sie die Gerüchte, legt noch mehr dazu, bis die Konsequenzen nicht nur ihr selbst über den Kopf wachsen. Auch wenn in dem Film viel geredet wird, sind doch die Figuren sehr schön gezeichnet, die jungen Darstellerinnen sehr gut und die Entwicklung der Geschichte plausibel. Erwachsenwerden war noch nie ein Spass, heute scheint es, noch ein bisschen nerviger zu sein.

 

 

(c) ch.dériaz

 

 

Gefühle

 

Gerade in den Kurzfilmen dominiert Gefühl als zentrales Thema. In diesem Program besonders augenscheinlich, wenn auch nicht besonders gelungen.

In ALEXX196 & la plage de sable rose von Loïc Hobi vermischt sich das tägliche Leben eines Jugendlichen mit seinen Abenteuern und vor allem Freundschaften in einem Computerspiel. Das Spiel scheint die einzige Verbindung zu einer emotionalen Welt zu bieten, umso schlechter das Gefühl des Jugendlichen, als sein einziger Freund die Verbindung kappt. Visuell recht interessant gestaltet.

Der Animationsfilm Pado (The waves) von Yumi Joung zeigt einen schwarz-weiss gezeichnten Strand als Metapher auf den Gang des Lebens. Hübsch und verspielt.

I mitera mou ine agia (My Mother Is a Saint) von Syllas Tzoumerkas. Erinnerungen an die Mutter, anscheinend anlässlich ihrer bevorstehenden Beerdigung, ein bisschen wirr, aber nicht uninterssant.

Der stärkste Film dieses Programms ist En undersøgelse af empati (A Study of Empathy) von Hilke Rönnfeldt. Nicht die Geschichte transportiert die im Titel erwähnte Empathie(fähigkeit), sondern die Bilder, ihre Montage, der Ausdruck der Schauspielerin. Die Kraft der Empathie, oder eben ihr Fehlen, schleichen sich so subtil ins Bewusstsein des Zuschauers, eine eigene Geschichte entsteht jenseits der Filmgeschichte.

Slimane von Carlos Pereira ist definitiv wirr. Dialoge vor statischen, menschenleeren Bildern, lange Einstellungen, die einen eher nicht einnehmen, sondern dazu verführen die eigenen Gedanken ,irgendwohin schweifen zu lassen. Beeindruckend eigentlich nur das letzte Bild, eine Nahaufnahme des Protagonisten in Stroboskoplicht, der erst lange nur steht und schaut, um dann plötzlich loszutanzen.

 

 

(c) ch.dériaz

 

 

Tempo und Witz

 

Drei Stunden Tempo, Spass,Politisches und politisch Unkorrektes in:

Nu aștepta prea mult de la sfârșitul lumii (Do Not Expect Too Much From the End of the World) von Radu Jude.
Dass einem dabei nicht langweilig wird, liegt an Judes Talent für Timing, Tempo und Erzählkraft. Er mischt einen Film über die Filmbranche mit einem Film aus den 80er Jahren und kurzen TikTok-Clips. Die Basisgeschichte bleibt dabei in körnigem Schwarzweiss, während der 80er Jahre-Film (Angela goes on) in all seiner verwaschenen Farbkraft dagegenhält. Fast atemlos folgt der Film einer jungen Frau, die für eine Produktion als Mädchen für alles herhalten muss, Casting, Fahrtdienst, was gerade anfällt, und das unterbezahlt und in sehr langen Arbeitstagen. Autofahrten durch den Verkehr in Bukarest geraten so zu ihrer persönlichen Kampfzone. Zum Ausgleich politisiert sie, versteckt hinter einem schlechten TikTok-Filter, als Bobby sexistisch und ordinär zu Themen des Alltags, der Politik, der Sexualität. Der Film schafft eine umfassende Gesellschaftskritik mit den Mitteln der Komödie, der Übertreibung, aber immer auch der Montage. Allein die gegeneinander geschnittenen, sich ergänzenden oder kommentierenden Fahrszenen von heute und aus den 80erJahren wären eine umfassende Analyse wert. Trotz der Länge und der Komplexität der Erzählung sind fast alle Zuschauer bis zum Ende geblieben, der Saal war voll, und es gab reichlich Applaus.

 

 

Traktor der Männlichkeit

 

Ausser Konkurrenz, aber im Wettbewerb für den Grünen Leoparden läuft:
5 Hectares von Émilie Deleuze. Lambert Wilson, dieses Jahr Jury-Präsident in Locarno, spielt darin einen Neurowissenschaftler, der sich ein altes Bauernhaus mit 5 Hektar Land gekauft hat. Natürlich gibt es gleich bei der ersten Begegnung mit dem bäuerlichen Nachbarn Ärger. In Abwandlung eines Weitpinkel-Wettkampfs versucht der Zugezogene sich mittels Traktorkauf Respekt zu verschaffen. Alles recht seicht, nett auch, aber vor allem sehr absehbar. Nur für Freunde der seichten Unterhaltung.

Geregnet hat es dann heute Abend doch nicht mehr.

 

(c) ch.dériaz

 

 

#Locarno Das Kino ist zurück

 

PardoKuh in Gesllschaft
(c) ch.dériaz

 

Taschenkontrollen

 

Kontrollen werden in Locarno ernst genommen, das heisst, dass sowohl Impfbelege als auch Testnachweise nicht nur gescannt werden, sondern es werden auch wirklich die dazu gehörenden Ausweise geprüft. So kramt man ständig in Taschen oder Rucksäcken nach nach dem, was gerade vorgezeigt werden soll. Dafür sind diese Taschen dann wieder Objekt der Kontrolle und da wird dann der Ernst doch etwas übertrieben.
Selbst wenn man die Sinnhaftigkeit von Taschenkontrollen nicht in Frage stellt, dass man immer wieder über einzelne Trinkflaschen oder sonstigen Tascheninhalt „diskutieren“ muss, ist nervenaufreibend. Neueste Idee der Kontrollierer: Rucksäcke abgeben lassen.
Nein, so geht das nicht!
Die Reaktion auf die Weigerung brachte dann eine genaue Untersuchung des Tascheninhalts und der Rucksack durfte mit ins Kino.

Kurzfilme, wild

 

Neues bei den Kurzfilmen: Eine neue Sektion corti d’autori, also Kurzfilme von schon erfolgreichen Filmemachern, wurde ins Leben gerufen. Und seit diesem Jahr werden die nationalen und internationalen Kurzfilme nicht mehr in getrennten Programmen gezeigt , sondern gemischt mit den corti d’autori vorgeführt. Das erhöht das Sehvergnügen und die Vielfalt der einzelnen Programme.

Diese erste Auswahl ist insgesamt sensationell:
Caricaturana des Berlinale Siegers Radu Jude nimmt eine Idee Eisensteins bezüglich Daumiers Karikaturen auf, und baut daraus eine filmische Variation zum Thema Bewegung und Kontext. Sehr witzig und gewitzt.

Steakhouse von Špela Čadež ist ein böser Animationsfilm über (eheliches) Miteinander, das sich als toxisches Gegeneinander herausstellt. Schön gezeichnet, zunächst in Ellipsen und Parallelmontagen erzählt, um dann einer Art Horrorfilmmontage zu weichen.

In flow of words von Eliane Esther Bots ist ein einfühlsam erzählter Dokumentarfilm über Simultandolmetscher im Den Haager Tribunal. Essayistisch gestaltet, mit eigenwilliger Visualisierung der Einsichten und Ansichten der Dolmetscher. Und dabei auch ein Stück europäische Geschichte.

Es muss von Flavio Luca Marano und Jumana Issa erzählt von einer Frau, deren Tag alles andere als gut läuft. Kurz vor der Pensionierung wird sie entlassen, die Polizei hält sie wegen einer Nichtigkeit an, und summiert dann noch weiterer Fehler dazu; als wäre das noch nicht genug, folgt am Ende des Tages der Verlust des Solistenparts im Chor. In Summe: ein Scheisstag, mit einem schrägen, coolen Ende.

Les Démons de Dorothy von Alexis Langlois fährt alles auf, was man sich an Stereotypen zu lesbischen Gore-Porn-Horror-Filmen so ausdenken kann, nutzt alle visuellen, kostümbildnerischen und Maskentricks und schickt die arme titelgebenden Dorothy in einen Albtraum. Der Albtraum wohl vieler Filmemacher, die jenseits des Allgemeintauglichen Geschichten erzählen wollen. Ganz grossartig.

 

Lieblingssitz
(c) ch.dériaz

 

Heilige, Sünder und der Kommunismus

 

Definitiv so weit ein toller Festivaltag mit wirklich spannenden und ungewöhnlichen Filmen.
Auch Nebesa von Srdjan Dragojević reiht sich nahtlos ins filmische Vergnügen.
Der Film ist barock, böse und blasphemisch!
Die Geschichte spannt sich von 1993 bis 2026 – zählt der Film damit schon zum Sciencefiction Genre? – und fängt zunächst brüllend komisch an. Der liebenswerte, freundliche und kriegsvertriebe Stojan lebt mit Frau und Tochter in ärmlichsten Verhältnissen, bis ihm beim Wechseln einer Glühbirne plötzlich ein Heiligenschein wächst.
Die Nachbarn wittern den Teufel oder werfen sich vor dem frisch gebackenen Heiligen auf die Knie, die einzige Lösung den Heiligenschein loszuwerden, scheint: sündig werden. Leichter gesagt als getan. Bis es dann plötzlich doch sehr leicht wird, und damit das ganze Komödiantische ins Böse kippt. Ein Märchen über Gier, (Aber)Glauben, eine Welt in Veränderung, bevölkert von skurrilen Figuren, wahren und falschen Heiligen, und Realitäten, die instabil und unzuverlässig sind. Ein komplexes Weltbild, das man sich leicht ein zweites Mal ansehen kann. Und Heiligenschein wird man selbst dann nicht mehr los, wenn man sich in einen ausgemachten Dreckskerl verwandelt hat.

Selbstwahrnehmung

 

Auf der Piazza Grande, diesmal ohne Regen, der französische Film Rose von Aurélie Saada. Die Geschichte einer Frau – Mutter und Grossmutter – die mit 78, nach dem Tod ihres Mannes, lernt, sich aus sich selbst heraus zu definieren. Die Befreiung von Zwängen und das Ichwerden hat nette und lustige Seiten, aber insgesamt stellt sich doch die Frage, warum alte Frauen, die sich herausnehmen, „egoistisch“ zu werden, im Film immer auf Opposition der Familie treffen. Und warum müssen diese Geschichten fast immer in Form eher sanfter Komödien erzählt werden? Es wird Zeit für starke Frauenfiguren, auch jenseits der 70, die vielleicht auch mal richtig auf den Tisch hauen, „Ich“ sagen und ernstgenommen werden (dürfen).

 

Stuhlfriedhof
(c) ch.dériaz

 

Die Stühle, die auf der Piazza jeden Abend verlässlich und laut zerbrechen, scheinen  einen feinen Sinn für Humor zu haben, und wählen gerne dramaturgische Pausen, um sich krachend  zu zerlegen.

 

Sommerstimmung

 

 

 

Morgensonne
(c) ch.dériaz

 

Einige Änderungen in Locarno sind wirklich schade, so wurde zum Beispiel das Forum Spazio Cinema, zwischen den grossen Mehrzweckhallen-Kinos, zurückgebaut. Was heisst, dass man in dieser Ecke so gut wie keine Möglichkeit mehr hat sich irgendwo halbwegs zivilisiert hinzusetzen. Die Zeit zwischen zwei Vorstellungen reicht aber nicht immer, wieder stadteinwärts zu gehen, so bleiben nur Wiesen in der prallen Sonne (oder im Regen), Bordsteinkanten und einige wenige Steinbänke. Auch ein Austausch mit anderen Festivalbesuchern wird so schwieriger. Gut ist hingegen, dass es endlich ein halbwegs verlässliches öffentliches WLAN gibt, für Besucher ohne Schweizer Handyvertrag nicht unerheblich.

 

Brüder

Ein sehr starker Erstlingsfilm ist Il legionario von Hleb Papou. Der Film vereint Bruderzwist, Rassismus in den Reihen der Polizei und Sozialkritik und macht daraus ein packendes Drama. Als einziger Schwarzer der Bereitschaftspolizei muss sich Daniel mehr behaupten, besser sein, und den Regeln mehr genügen als seine Kollegen. Gleichzeitig ist er aber auch in einem, seit 16 Jahren besetzten und selbstverwaltetem Haus aufgewachsen, in dem immer noch seine Mutter und sein Bruder leben. Er steht emotional und professionell zwischen den Fronten. Die Kamera zeigt diesen Konflikt in sehr nahen Aufnahmen, mit viel Hintergrundunschärfe, teilweise nervösen, schnellen Schnitten, teilweise bleibt sie lang auf Details oder Gesichtern und zieht den Zuschauer damit mitten in die Geschichte, lässt teilhaben am (Gewissens)Konflikt. Ein Film, der Nahe geht und nachdenklich stimmt.

 

Kurzfilme, komplex

Die zweite Runde der pardi di domani zeigt viele künstlerischen Einfälle, aber macht es teilweise trotzdem schwer den Geschichten zu folgen.

Hotel Royal von Salomé Lamas zeigt endlose Hotelflure, Hotelzimmer in verschiedenen Zuständen der Benutzung, darüber, im Off gesprochen, eine Art Szenenanweisung, die etappenweise in etwas konfuse Gedanken eines Teilzeitzimmermädchens abdriften. Die Bilder sind gut gewählt, durch die Wiederholung der Bildkomposition entsteht ein Sog, aber kein Verständnis.

Giochi von Simone Bozzelli zeigt die dunkle Seite vom Spielen. Ein kleiner Junge, der auf seine Mutter nicht mal reagiert, als diese zu ersticken scheint. Sein grosser Bruder, der von seinem Freund wissen will, was er an ein Mädchen aus einem Tanzkurs geschrieben hat. Beziehungen, die nicht so laufen, wie – mindest – eine Seite sie gerne hätte. Und dann ist da noch eine Katze, die zumindest für die Brüder die Emotionen bündelt.

Am spannendsten, auch visuell, ist Love, Dad von Diana Cam Van Nguyen. Teils Realbilder, teils Animation, eine Art digitaler Kollage, die wiederum ein Brief an den Vater ist. Ein Vater, der nur wirklich nah war, als er ein Jahr im Gefängnis verbrachte. Der Versuch einer Annäherung.

Auch die Figur in Chute von Nora Longatti sucht Nähe. Eine junge Frau, die immer wieder, scheinbar grundlos, umkippt. Im Verlauf sieht es aus, als würde sie gezielt in der Nähe von Menschen, die Stress haben, umkippen. Manche kümmern sich um die Gestürzte, andere gehen achtlos weg. Ein Schrei nach Aufmerksamkeit in einer Stadt, die leer erscheint und keine Nähe zulässt. Besonders schön sind die Bewegungen im und um die Stürzte, eine tänzerische Leichtigkeit, die surreal wirkt.

 

In der Hitze des Wahnsinns

Der soweit schrägste und intensivste Film ist Soul of a beast von Lorenz Merz.
Bilder, Geschichte., Ausstattung, Schnitt, alles schreit laut: Wahnsinn!
Ein alleinerziehender Vater, selbst noch ein Kind, der sich immer wieder kleine Ausbrüche in ein „normales“ Teenagerleben sucht, ein Leben, in dem Adrenalin und schwachsinniges Risiko dominieren. Ein Sommer, in dem die Welt aus – eventuell – kosmischen Gründen durchdreht, und eine neue Liebe, die eine Jungsfreundschaft und das ganze fragile Lebensgebilde auseinanderzureissen droht. Alles in hitzigen Bildern erzählt, oft mit hektischer, Kamera, immer wieder sehr dichte Nahaufnahmen, ein wilder, zunehmend durchdrehender Schnittrhythmus. Wild, wahnsinnig, sensationell, wenn auch an einigen Stellen etwas zu sehr ins Esoterische kippend. Atemlos.

 

Traumata und Rache

 

Was, neben der soweit sehr schönen Filmauswahl, am neuen künstlerischen Leiter Nazzaro auffällt, ist die entspannte Selbstverständlichkeit, mit der er auf der Bühne steht und agiert. Keine Scheu vor dem Publikum, kein sich Herantasten und erst Warmwerden, er scheint vom ersten Tag an ganz Zuhause zu sein auf der Bühne, und ist dabei freundlich, kompetent und vielsprachig .

Hinterland von Stefan Ruzowitzky ist der erste wirklich grosse Film auf der Piazza. Ein wuchtiges Werk, das die grosse Leinwand wirklich nutzt. Angesiedelt im Jahr 1920 zeigt der Film eine kleine Gruppe Kriegsheimkehrer, zerlumpt, verwundet, nach zwei Jahren Gefangenschaft gebrochen. Sie kommen in eine Welt, die nicht mehr die ist, aus der sie aufgebrochen sind. Aber nicht die Traumata und das soziale Elend der Zwischenkriegszeit sind das Thema, sondern die Ermittlung um einen grausamen Serienmörder, der es allem Anschein nach auf Kriegsheimkehrer abgesehen hat. Die solide, spannende Krimi-und Rachegeschichte ist aber nur ein Teil, der den Film so beindruckend und gewaltig macht. Der andere Teil ist das visuelle Konzept, ein nachgebautes, gemaltes, computergestaltetes Wien, das aussieht, als hätten sich Egon Schiele und Marc Chagall zusammengesetzt, um es zu malen. Häuser, Türme, Strassenschluchten, nichts ist gerade, alles kippt und fällt, wie schlechte Zähne, oder wie sich die Welt für die traumatisierten, verwirrten Soldaten sich anfühlen muss. Die dadurch entstehende Künstlichkeit der Szenen gibt dem Film etwas, das die reine Krimigeschichte nicht hätte. Sehr beeindruckend.

 

Leoparden überall
(c) ch.dériaz

 

 

Cinema is back steht vor jedem Film kurz auf der Leinwand. Was die ersten Tage in Locarno angeht, stimmt das sicher. Ins Kino gehen, in all seinen Facetten ist wieder machbar.