Von der Idee ins Kino

Postkarten
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# FilmTipp:   mädchen, gamines, chicas, girls

Ideen für Filme gibt es viele, auch fertiggestellt werden viele dieser Filme.
Aber Filme drehen braucht Mitarbeiter, braucht Geld, braucht Kollegen, die an das jeweilige Projekt glauben und ihr Wissen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Damit herrscht bei nicht geförderte Filme immer auch eine grosse Menge Wohlwollen und (Selbst) Ausbeutung.
Und trotzdem, manche Geschichten wollen unbedingt erzählt und dann gedreht werden.

Im Frühjahr 2018 habe ich den ersten Entwurf meiner Kurzfilmidee zu Papier gebracht, schon damals waren die Reaktionen auf die Geschichte positiv.
So positiv, dass Kameramann Markus O. Grohs mir seine Mitarbeit anbot und dass Florian Lachinger mir erlaubte, seine Musik zu verwenden.

Der nächste Schritt war, zwei Mädchen zu finden, die bereit waren meiner Idee „Körper“ zu verleihen.

Als ich Zoe und Helena gesehen habe, wusste ich, dass ich nicht mehr weiter suchen musste, beide haben eine natürliche und selbstbewusste Ausstrahlung, genau so hatte ich mir meine „gamines“ vorgestellt. Die Geschichte von zwei Mädchen, in der die eine „zu viel“ und die andere „zu wenig“ Stoff trägt und eine Lösung gefunden werden muss.

Vom Exposé zum Dreh im August war nicht viel Zeit. Drehorte suchen, Termine, an denen alle Zeit hatten, waren zu vereinbaren und, obwohl wir ein sehr kleines Team waren, war das gar nicht so einfach.

Ein extrem eng berechneter Drehplan musste eingehalten werden, aber dank der Professionalität aller Beteiligten liess sich die vorgegebene Zeit perfekt einhalten – Profis eben.

 

Kinderwagen als Transporter für Kameraequipment
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Die Bilder, das Spiel, alles war genau wie ich es mir vorgestellt hatte, wodurch der Schnitt dann eigentlich wie von selbst ging.

So weit, so gut, aber ohne Tonmischung und ohne Farbkorrektur wäre das ganze Projekt dann doch nicht komplett, nicht wirklich fertig gewesen.
Also wieder Leute überzeugen, die besten Konditionen für professionelle Arbeit finden. Und wieder hat mädchen überzeugt und gefallen. Tobias Schreiber vom Tonstudio Blautöne hat eine tolle Vertonung und Mischung gemacht und Dank Michael Hochpöchler von 61 Color Grading haben die Bilder dann den letzten Schliff bekommen.

Was dann folgte, kennt wohl jeder, der Kurzfilme macht: Einreichen, Einreichen und noch mal Einreichen! Theoretisch läuft an jedem beliebigen Tag eines Jahres irgendwo auf der Welt ein Filmfestival. Manche verlangen Einschreibgebühren, die bei einem selbstfinanzierten Low Budget Film einfach nicht mehr drin sind. Da es prinzipiell immer „einfacher“ wird Kurzfilme zu machen, werden Festivals überschwemmt mit Angeboten, entsprechend oft heisst es dann:
„Sorry, wir hatten 8.000 Einreichungen für nur 50 Filme“.

Im Sommer 2019 hatte mädchen dann trotzdem eine Uraufführung beim internationalen Filmfestival in Voiron/Frankreich, als einer von 15 Filmen, als einer von fünf Filmen, die nicht aus Frankreich kamen!

Jetzt hat mein Film ein weiteres Mal überzeugt: Er kommt als Vorfilm ins Kino!
Ab 10. Januar 2020 läuft mädchen im Admiralkino als Vorfilm zum isländischen Film Milchkrieg in Dalsmynni 

Bleibt zu hoffen, dass er auch dort überzeugt, zum Nachdenken oder zum Schmunzeln anregt.

Weihnachtliches Popcornkino

Artis Kino, Wien
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Natürlich kann man am 24. Dezember am frühen Nachmittag noch gehetzt letzte Einkäufe machen, Geschenke in glitzerndes Papier hüllen, endlich den Boden schrubben oder im Wald spazieren gehen.
Man kann aber auch das gerade frisch in Kino gekommenen Weihnachtsmärchen anschauen, in der letzten Heiligabend Vorstellung, bevor das Kino feiertäglich schliesst.

 

Artis Kino, Wien
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Der Saal im Artis Kino ist klein, aber es rummst, kracht und knallt, dass die Sitze vibrieren, hymnische Musik setzt ein, kein Zweifel, man sitzt im 9. Starwars Film, The Rise of Skywalker.

 

 

Wieso aber Weihnachtsmärchen?
Vordergründig ist da natürlich wenig Besinnliches.
Andererseits: Gute kämpfen gegen Böse, wobei den Guten manchmal ein Hang zum Bösen innewohnt und die Bösen dann doch nicht so ganz böse sind, und sich folglich kathartisch aus dem Film schleichen dürfen.

Nein, The Rise of Skywalker ist kein intellektueller Film, in manchen Szenen sollte man auch nicht zu genau hinhören, zu platt die Schlachtrufe der Guten, Starken und Unterdrückten, zu selbstgerecht, zu sicher ihrer Sache.

Im Kern aber werden mit viel Krach-Bumm und Action, mit niedlichen Plüschtieren und nett-versponnenen Androiden, konsensfähige Werte hochgehalten: Freundschaft, Solidarität, der Glaube an sich und, ein wenig, an die Liebe. Kurz bevor der Kitschkübel überzulaufen droht, folgen sicher Actionszenen, die Heldinnen und Helden bleiben, bei aller latenten sexuellen Anziehungskraft, dann doch sehr asexuell, verbunden allein in rührender Freundschaft; durch und durch familientauglich.

Ein Märchen also, mit einem wirtschaftlich kalkuliertem Filmstart in der Vorweihnachtszeit, ein Weihnachtsmärchen, etwas kitschig, etwas albern, auf jeden Fall spannend.

Artis Kino, Wien
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Und so wie manche eine ganze Tafel Schokolade oder einen vollen Teller Kekse in sich hineinfuttern, ohne das als Nahrungsaufnahme zu sehen, gönnen sich andere  142 Minuten Kinospektakel – weil es Spass macht, ohne grossen Anspruch zu stellen.

 

 

Wieder draussen huschen die letzten Einkäufer, Punschtrinker und Touristen durch die fast leere Innenstadt, auf dem Weg zu ihren Keksen, Schokoladen oder anderen Weihnachtsvergnügen.

Artis Kino, Wien
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#insKino Admiral

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Wer in Wien ins Kino gehen will, hat reichlich Auswahl, gerade was Programmkinos angeht. Und auch die Zahl der „Traditionskinos“ ist beeindruckend.
In der Burgasse 119, da wo der 7. Bezirk nicht mehr ganz so schick und gentrifiziert ist, gibt es seit 1913 das Admiralkino.
Das Kino selbst nennt sich Nahversorgerkino, also der „Tante-Emma-Laden“ oder die „Eckkneipe“ unter den Kinos.
Das ist eine hübsche, sympathische Idee und betont nebenbei den kulturellen Mehrwert, den ein Kino einem Wohnbezirk bringt, und das schon so viele Jahre.

 

Auch das Admiralkino ist nicht frei von Schatten, auch hier wurden die jüdischen Besitzer Margarethe und Ludwig Ebner vertrieben, ihr Betrieb „arisiert“; immerhin wurde im Fall des Admirals nach dem Krieg der Besitz zurückgegeben und die Familie hat das Kino dann verkauft.

 

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Vor etwa 11 Jahren war das Admiral von Schliessung bedroht, ein Aufschrei ging damals durch die Nachbarschaft, und schliesslich übernahm Michaela Englert das Kino.

 

Obwohl es mit digitaler Technik für die Filmvorführung ausgerüstet ist, steht der alte Filmprojektor noch funktionsfähig in der Vorführerkabine. Einer analogen Filmvorführung stünde nichts im Weg. Der Saal bekam kürzlich neue, bequeme Sitze mit reichlich Freiraum für die Beine, man sitzt gut.

Rote Sitze, was sonst
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Der Vorraum hingegen hat etwas Altmodisches an sich. Aber genau das macht den Ort aus, man freut sich auf die Vorstellung zu warten, dabei zu schauen und zu staunen, in Büchern zu stöbern und in Ruhe ein Glas Wein zu trinken.

Der Gang ins Kino: ein lineares und analoges Vergnügen, leise aber deshalb nicht weniger intensiv und schön.
Gezeigt werden hauptsächlich europäische Filme, oft solche, die es sonst nirgends zu sehen gibt, oder aber etwas später als in anderen Programmkinos, zum Nachsehen also.
Ein Kino für Menschen mit Zeit. Und an jedem ersten Donnerstag sogar für Menschen mit Hund, auch wenn das anscheinend mehr eine lustige Idee bleibt, denn ein Angebot, das wirklich genutzt wird – aber es könnte genutzt werden.

 

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Für alle, die das Admiralkino also noch nicht kennen der Vorschlag:
Hingehen, anschauen, Ticket kaufen, entspannen, entschleunigen. Wer weiss, vielleicht ist ja ein Kinogutschein auch ein schönes Weihnachtsgeschenk.

 

Zurzeit läuft unter anderem noch der wunderbar skurrile nordmazedonische Film Gott existiert, ihr Name ist Petrunya (Gospod postoi, imeto i‘ e Petrunija).
Ein langsamer Film, der seine tolle Darstellerin Zorica Nusheva perfekt in Szene setzt. Schauen, wundern, Kopf schütteln, Freude haben; so geht Kino.

#FilmTipp LINA

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Ein Filmtipp für Kurzentschlossene.

Ein Film über eine kämpferische Frau, die Anfang 1900 gegen Konventionen und Vorurteile ihren Weg finden musste.
Wenn man Lina Loos überhaupt erwähnt, dann als Ehefrau des Architekten Adolf Loos.
Der Film Lina der Regisseure Walter Wehmeyer, Christine Wurm, Tino Rantfl und Andreas Scherlofsky füllt diese Wissenslücke. Porträtiert und dramatisiert die 4 Jahre Linas Ehe mit Loos, zeigt eine wilde, lebenslustige junge Frau, die glaubt, einen Seelenverwandten gefunden zu haben, einen der im bürgerlichen Konsens anders denkt. Aber auch Adolf Loos ist ein Kind seiner Zeit, sein avantgardistischer Blick reicht für seine Kunst, nicht aber für seine Frau. Auch eine kurze, heftige Affäre mit einem jungen Studenten befreit Lina nicht aus dem Korsett der Zeit.
Ein ruhiger Film, oft in langen stillen Einstellungen erzählt, um dann immer wieder kurz zu explodiert; ein Erzählfluss, entgegen dem was man heute „so macht“, aber perfekt geeignet für diese Geschichte.

Der Film läuft am 4. Dezember um 19:30 in den Breitenseer Lichtspielen, davor gibt es ein Konzert des Frauenchors Lokalkolorit. Eine Art Überraschungsei für Kunstliebhaber also, Konzert, Film und das alles im ältesten durchgehend bespielten Kino Wiens.

Den Trailer gibt es auch hier

#FilmTipp Little Joe

                                        FilmTipp oder FilmWarnung?

Little Joe
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Viel war schon zu hören von Jessica Hausners erstem in England und auf Englisch gedrehtem Film. Wettbewerbsbeitrag in Cannes, wo Emily Beecham den Preis der Besten Schauspielerin gewann. Auch der Trailer des Films verspricht dezent gruseliges Science-Fiction Kino; also ab ins Kino.
Aber, ach weh…..
Little Joe – Glück ist ein Geschäft enttäuscht die Erwartungen. Wobei, man kann gar nicht genug Lob für Martin Gschlachts grossartige Kamera aussprechen. In Kombination mit Szenenbild (Katharina Wöppermann) und Kostüm (Tanja Hausner) entstehen originelle, wunderbar verschrobenen Bilder. Licht, Farbe und Kadrierung lassen Bilder entstehen, die immer wieder an Hopper-Gemälde erinnern. Auch die Entscheidung, die handelnden Figuren am Rand des Bildes verschwinden zu lassen, und damit den Blick des Zuschauers auf Farben, Formen und Räume zu lenken ist gelungen und originell.
Wäre es nur auch die Geschichte, die da erzählt wird.
Stattdessen eine eher dünne Story um eine „böse“ Blume, die gut riecht, Menschen glücklich machen soll, aber die wohl böses im Schilde führt. Man kann das lesen als Kritik an einer allzu selbstverliebten Wissenschaft, in der alles, was machbar ist, auch gemacht wird, oder als Kritik an einer zunehmend egozentrischen Gesellschaft.
Im Kern ist es eine schwache Auflage der Frage: was tun, wenn um mich herum alle einem Wahn folgen; mitmachen und dazugehören oder ausgeschlossen werden?
Dennoch, bis zu den letzten 20 Sekunden könnte das alles noch irgendwie durchgehen, aber dann schiesst sich der Film selber ab. Die Schlusspointe ist im freundlichsten Fall als kindisch zu bezeichnen, eigentlich drängt sich „dämlich“ wesentlich mehr auf.
Irgendwie schade.

Votiv Kino, Wien
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Wer sich selber ein Bild machen möchte, der Film läuft in zum Beispiel im Votiv Kino.

 

Gustav Deutsch

 

Österreich ist reich an Experimantalfilmern.
Seit heute allerdings um ein vielfaches ärmer.
Der Tod des Wiener Filmemachers Gustav Deutsch mit – kann
man sagen: nur? – 67 Jahren wird eine spürbare und grosse Lücke hinterlassen.

Deutschs Experimentalfilme waren nie beliebig, geschmäcklerisch oder „nur für Filmwissenschaftler“, er hatte das Talent, sei es aus Found-Footage oder aus selbst gedrehtem Material, immer eine intelligente aber eben auch greifbare Einheit zu kreieren.

Egal ob seine Film-ist Reihe oder Shirley – Visions of Reality, seiner experimentellen Umsetzung von Hopper Bildern in einen Langfilm, als Zuschauer fühlt man sich angesprochen, berührt.

Das ist viel.

Und das wird jetzt schmerzlich fehlen, nicht nur in Österreich.

Mehr zum Werk hier.

Viennale 2019

 

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Das Programm

Am 24. Oktober ist wieder soweit, zum 57. Mal findet in Wien die Viennale statt, das heisst: 14 Tage Filme zu fast allen Uhrzeiten.

Das Publikumsfestival bietet eine Art „Best of Festivals“, zusammengetragen und ausgesucht von Viennale Direktorin Eva Sangiorgi.

Die zuständigen Stellen der Kulturabteilung der Stadt Wien hat Sangiorgi bereits nachhaltig überzeugt, wurde ihr Vertrag doch jetzt schon, also nach „nur“ einem Jahr als Direktorin, vorzeitig verlängert.

Was auffällt, ist eine grosse Anzahl Filme aus Ländern der romanischen Sprachfamilie, aber auch Osteuropa und Asien sind in diesem Jahr stark vertreten.
Die Langfilme sind, erfreulicherweise, nicht nach Kategorien getrennt, und so finden sich Dokumentarfilme einträchtig neben Spiel- und Experimentalfilmen wieder.
Das tut der Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksform gut und bringt sicher auch den einen oder anderen „unaufmerksam“ kataloglesenden Zuschauer zu unerwarteten Kinoerlebnissen.

Neben dem Hauptprogramm gibt es auch dieses Jahr wieder eine Retrospektive in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Filmmuseum:
O Partigiano! Pan-European Partisan Film.
Sowie das Programm: Der Weibliche Blick, die Wiederentdeckung der Filme von Louise Kolm-Fleck in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria.

Zusätzlich zu den vielen zu entdeckenden Filmen gibt es wie immer auch ein buntes Rahmenprogramm aus Musik, Begegnungen, Gesprächen und Cocktails.
Und, kein Festival ohne Preise, ausser dem Viennale Publikumspreis gibt es noch den Wiener Filmpreis, den MehrWert Filmpreis und den FIPRESCI Preis der internationalen Filmkritik.

 

Auf jeden Fall zu empfehlen sind die Filme:

Space Dogs

Oroslan

Yokogao

Das gesamte Programm gibt es hier.

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#FilmTipp: Gatekeeper

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Metro Kino, Wien

Manchmal dauert es, bis ein Film seinen verdienten Weg von Festivals ins Kino findet.
So ist das auch bei Gatekeeper von Lawrence Tooley und Loretta Pflaum, ein Film der formale und inhaltliche Grenzüberschreitungen betreibt. Es ist ein ruhiger Film, der aber voller wilder Einfälle steckt.
Die Figuren bewegen sich wie Gefangene oder Laborratten in einem streng grafischen Beton/Holz Labyrinth, einzig der Blick über Dächer und auf den Himmel verspricht Freiheit.
Eine Frau, die mal blond, mal brünett ist, ein junger Rumäne, den sie erst anfährt, dann mit nach Hause und schliesslich in ihr Bett nimmt. Ein junger Mann? Oder doch zwei? Dazwischen ein Pakistani, der in einer Videoinstallation Kafkas Türhüterparabel erzählt. Die Erzählstränge laufen übereinander, durcheinander, vermischen sich, ergeben ein Neues, öffnen sich, die Figuren bleiben gefangen, egal wieviel sich klärt im Verlauf des Films. Das äussere Labyrinth entspricht der inneren Verstrickung der Figuren. Und trotz der visuellen Enge bietet der Film dem Zuschauer Raum zum träumen und spekulieren, wer sich darauf einlässt, wird mit einem tollen Kinoerlebnis belohnt.

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Ab 8. Oktober läuft der Film im Wiener Metro Kino, am Premierenabend in Anwesenheit des Teams.

#FilmTipp: Bewegung eines nahen Bergs

Bewegung eines nahen Bergs
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Der Mensch neigt dazu alles in – ordentliche, kleine – Schubladen zu packen.
Auch bei Filmen.
Und während man eine Einteilung wie Kurzfilm oder Langfilm gerade noch verstehen und einsehen kann, ist die Unterscheidung von Spielfilm und Dokumentarfilm nicht immer leicht zu treffen.

Dass das gut so ist, zeigt Sebastian Brameshuber neuer Film:
Bewegung eines nahen Bergs
Seine Uraufführung feierte der Film in Paris als Dokumentarfilm bei Cinéma du Réel, wo er gleich den Grossen Preis erhielt. Bei seiner Österreich Premiere auf der Diagonale in Graz lief er in der Kategorie Spielfilm, wo dann Kameramann Klemens Hufnagel den Preis für die beste Bildgestaltung (Spielfilm) erhielt.

Formal handelt es sich recht eindeutig um einen Dokumentarfilm, auch wenn einige poetisch-mystische Aspekte eingewoben werden.
Mitten in einer desolaten steierischen Landschaft arbeitet der Nigerianische Autowrackhändler vor sich hin, alleine, einsam vielleicht. Es ist schwere, schmutzige Arbeit, ein karges Privatleben, alles in schönen, stimmungsvollen Bilder gezeigt.
Und dann Bilder, die nicht in den Moment zu passen scheinen, Töne, deren Herkunft unklar ist, und Gedanken zu einem mythologischen Berg, zum Verhältnis von Erz und Arbeit.
Es bleibt dokumentarisch, vielleicht experimentell-dokumentarisch, fast verspielt. Dieser Film braucht keine Schublade.
Man kann ihn als Dokumentar- oder als Spielfilm sehen oder einfach als das was er wohl am ehesten ist: eine künstlerische Arbeit, die sich frei von Einteilung auf der Leinwand entfaltet.
Und das ist gut.

Ab Freitag, 27. September läuft der Film im Kino Le Studio in Wien, eine gute Gelegenheit nicht nur einen spannenden Film anzuschauen, sondern auch ein weiteres, neues Wiener Programmkino zu entdecken. Zur Premiere am 27. September ist Sebastian Brameshuber angekündigt.

#FilmTipp: Vom Lokführer, der die Liebe sucht

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Herbstbunt, melancholisch, skurril und sehr schön, das wäre die Kurzfassung zu Veit Helmers Film:
Vom Lokführer, der die Liebe sucht.

 

 

 

Ein Film, der ohne Wort, ohne Sprache auskommt und so universell in seiner Originalversion zu verstehen ist.
Ein alter Lokführer, auf seinen letzten Fahrten vor der Pensionierung. Er steuert seinen langen Güterzug, mal durch weite Steppe, mal gefährlich dicht zwischen Häusern durch. Und so wie sich auf Autoscheiben Insekten sammeln, sammelt der Zug beim Durchfahren der engen Stellen immer wieder Dinge auf, mal einen Ball, mal eine Decke, Dinge, die der Lokführer nach Feierabend versucht den Besitzern zurückzubringen. Auf einer Fahrt verfängt sich ein hübscher Spitzen BH in der Lok und verführt den Finder zum Träumen. Kaum in Rente macht sich der Lokführer auf die Suche nach der Besitzerin.
Wie der Prinz mit dem gläsernen Schuh, sucht er nach der Dame, die in den BH passt. Das ist abenteuerlich, schräg, oft witzig, manchmal traurig und gegen Ende sogar lebensgefährlich.
Was den Film so sehenswert macht, ist nicht nur die Geschichte, sondern die Farbkomposition, die zwischen kaukasischer Landschaft, Zug und Gebäuden die Melancholie des Lokführers spiegelt, die zarte unaufdringlich schöne Musik, die mit den Geräuschen das Fehlen von Dialogen vergessen lässt und die ausdrucksstarken Gesichter der Darsteller.
Ein Film, der bezaubert. Ein Liebesfilm mit einem unerwarteten, kitschfreien Ende.

             Vom Lokführer, der die Liebe sucht läuft in Wien im Admiral Kino.

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