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Filmfestival online im Praxistest

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Screenshot_Lazarus‘ Hunger

Visions du Réel online ansehen

Die Idee, das Festival ins Internet zu „verlegen“, ist gut, allerdings gibt es einige Hürden und Schwierigkeiten.
So muss man sich erstmal durch das Kleingedruckte auf der Festivalseite lesen, um zu verstehen, dass man einen Account anlegen muss.
Ist dies dann erledigt, stellt man leider fest, dass die Langfilme der Nationalen-, also Schweizerauswahl nur in der Schweiz zu sehen sind.
Verständlich, aber schade.
Die Langfilme international sind erst ab der kommenden Woche abrufbar.
Auch das Limitieren der Zugriffsmöglichkeiten schafft Festivalgefühl, sorgt aber auch dafür, dass man eventuell schon zu spät ist, um bestimmte Filme anschauen zu können.

Der erste Versuch klappt wunderbar

Drei Kurzfilme aussuchen und nach kürzester Zeit gibt es die Bestätigungsmails, es kann losgehen.

Tente 113, Idomèni von Henri Marbacher, behandelt das Thema Flucht, Asyl, Schlepper und überfüllte Lager. Die schwarz-weiss Animation erinnert an böse Graphic Novels und schafft dadurch Abstraktion aber auch Spannung und Nähe.

Lazarus‘ Hunger von Diego Benevides, erzählt in traumhaften Bildern von einem eigenwilligen Ritual rund um den heiligen Lazarus und streunenden Hunde in Brasilien.

I Bought a Time Machine von Yeon Park, beginnt mit einer guten Grundidee, zeigt aber eine eher langweilige visuelle Umsetzung. Und so verpufft die Geschichte der bei Ebay gekauften Zeitmaschine in den faden Bildern.

Der nächste Versuch

Die neue Auswahl, diesmal mittellange Filme anzuschauen scheitert.
Einloggen geht, Film auswählen geht, aber dann geht nichts mehr.
Und natürlich sind einige Filme tatsächlich schon „ausreserviert“.
Nach mehr als zwei Stunden fröhlicher Versuche Filme auszuwählen und daran zu scheitern, dann plötzlich 11 (elf) Bestätigungsmails für zwei Filme!
Na immerhin, es kann also weiter gehen.

Trouble Sleep von Alain Kassanda zeigt eine wilde Choreografie um Taxifahrer in Nigeria. Menschen, Autos, Staub, Farben, alles scheint durcheinanderzuwirbeln, nur wer eingeweiht ist, findet seinen Weg durch das innere und äussere Chaos; sehr musikalisch, sehr schön.

We Are Russia von Alexandra Dalsbaek, junge Russen, die 2018 Navalnys Wahlkampf unterstützt haben. Monatelang in kleinen, meist ruhigen, Protestaktionen, mehr beständige Nadelstiche als Grobheiten, stellen sie sich immer wieder auch der Staatsgewalt in Form von Polizei und Gerichten in den Weg. Die Kamera folgt ihnen, manchmal zwar etwas hektisch, aber doch spannend.

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Screenshot_sold out
Resümee

Filmfestival vom heimische Sofa aus funktioniert. Auf der positiven Seite steht, man sitzt bequem, man muss sich nicht um den Sitzplatz streiten, Getränke der Wahl stehen bereit.
Dafür entsteht aber eben kein wirkliches Festivalgefühl, es fehlt die Atmosphäre im Kinosaal, das Publikum, der Applaus, die unmittelbare Reaktion. Man braucht Konzentration um nicht abgelenkt zu werden und den Filmen die zustehende Aufmerksamkeit zu widmen. Ein klein Wenig Festivalgefühl entsteht, während man auf Rückmeldung der Buchung wartet, oder feststellt, dass man für den gewünschten Film zu spät ist.

Alles in allem aber ist die Online Version eines Filmfestivals der völligen Absage vorzuziehen, allein aus Respekt vor der Arbeit der Filmschaffenden.
Mehr Filme aus Nyon hier und ab heute dann auch zur Auswahl Crossing Europe online.

Filmfestivals in Quarantäne

VisoinsDuRéel_onlineProgramm (c) ch.dériaz
(c) ch.dériaz

Filmfestivals suchen alternative Wege

Die ersten Festivals, die aufgrund des Virus und der daraus folgenden Kontakt- und Versammlungssperren, abgesagt werden mussten, waren noch zaghaft mit dem Zeigen des Programms im Internet. Mittlerweile ändert sich das stark.
Festivalleiter suchen nach Wegen und Möglichkeiten ihre sorgsam ausgewählten Programme doch auf die eine oder andere Art an den Zuschauer zu bringen.

 

Der schweizer Weg

 

VisoinsDuRéel_onlineProgramm
(c) ch.dériaz

Das Dokumentarfilmfestival Visions du Réel hätte am 17. April seine 51. Ausgabe starten sollen. Statt aber im schweizerischen Nyon Filme in Kinos zu schauen, stellt das Festival das gesamte Programm online auf seiner Webseite zur Verfügung.

 


Die 14 internationalen Dokumentarfilme sind vom 25. April bis 2. Mai online zu sehen, die 13 nationalen (also schweizerischen) Dokumentarfilme sind vom 17. bis 29. April online. Die Burning Lights Sektion, mit 15 Filmen, die sich einer neuen, experimentellen Filmsprache bedienen, ist vom 25. April bis 2. Mai online.
Und auch die Filme der Regisseurin Claire Denis, der dieses Jahr ein Ehrenpreis zugedacht ist, werden online gezeigt. Wer also so beeindruckende Filme wie Beau travail oder White Material sehen oder wiedersehen möchte, kann das von 17. April bis 13. Juni machen.

Es werden aber nicht nur die Filme für ein hoffentlich grosses, interessiertes Publikum zur Verfügung gestellt, auch die Jury wird ihrer Arbeit nachgehen. Es wird also auch in diesem Jahr prämierte Filme geben. Beides, das Gesehenwerden wie auch der Gewinn von Preisen ist extrem wichtig für die Filmschaffenden und den Fortbestand der Filmindustrie.
Das Programm, mit allen Informationen, Trailern und Filmbeschreibungen ist auf der Festivalseite zu finden.

 

Der österreichische Weg

 

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In Linz hätte vom 21. bis 26. April die 17. Ausgabe des Festivals Crossing Europe stattfinden sollen.
Unter dem Titel: Das wär’s gewesen präsentiert das Festival sein Programm und unter Crossing Europe 2020 Extracts werden ausgewählte Filme auch hier online zur Verfügung gestellt.

 

Eröffnung anders

 

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Am 21. April wird es ab 20 Uhr live eine virtuelles Opening geben.
Festivalleiterin Christine Dollhofer wird Livegäste begrüssen und Michael Pfeifenbergers Dokumentarfilm The Linzer Candyboy, über den israelischen Regisseur Linzer Herkunft, Micha Shagrir, wird in Österreichpremiere gezeigt, gefolgt von Musikvideos diverser Linzer Künstler.

Darüber hinaus wird es auf der Plattform KINO VOD CLUB ausgewählte Filme des 2020 Programms ab 21. April für einen Monat zu sehen geben.
Nur einer von vielen, aber eindeutig eine Empfehlung: Ivana Cea Groaznica (Ivana die Schreckliche) von Ivana Mladenović, der in Locarno letztes Jahr mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet wurde.

In Linz wird es vorerst keine Preisträger geben, eventuell werden im Herbst, so es dann wieder „echtes“ Kino gibt, in den Sektionen Local Artists und Kurzfilm, Preise vergeben.

All diese neuen, alternativen Wege können natürlich ein Filmfestival nicht ersetzen, sie sind ein brauchbares Mittel, um die Filmindustrie am Leben zu halten, um Zuschauer zu halten, oder eventuell sogar neue Zuschauer zu erreichen. Aber ein echter Ersatz für den Austausch zwischen Filmschaffenden untereinander und mit ihrem Publikum könne solche Wege nicht sein.

Trotzdem, wer sich schon immer gefragt hat, wie das wohl ist, 4 bis 5 Kinovorstellungen pro Tag, mehrere Tage hintereinander zu besuchen, kann das ja auf diesem Weg mal testen.

# Film in progress

Die Pardokuh mit Schutzmaske (c) ch.dériaz
DIe Pardokuh mit Schutzmaske
(c) ch.dériaz

Schneiden im Shutdown

 

Als Cutter ist man es ja gewohnt alleine zu arbeiten. Das heisst, alleine mit dem Werkzeug des Vertrauens und dem Material.
Was aber, wenn kein Material gedreht werden kann?
Was schneiden, wenn alle – oder fast alle – Aufträge storniert oder verschoben wurden?
Über die diversen Berufsverbände und andere Plattformen zur Vernetzung von Filmschaffenden trudeln Informationen ein wie man sich, als oft prekär Beschäftigter, vor dem wirtschaftlichen Ruin retten kann. Was man aber mit der Verordneten Nichtkreativität machen soll, bleibt jedem selbst überlassen.

Der Aufruf

Aber dann: ein Aufruf des Kollegen Oliver Driemel zu Kreativität und gegen Langeweile in den vier Homeschneideraum Wänden!
Ein Film soll entstehen, ähnlich wie das Kinderspiel, bei dem jeder etwas zeichnet und der nächste daran anknüpft. Heisst, jeder dreht ein Stück Film in seinem Umfeld, der nächste übernimmt den Faden, knüpft an, entwickelt weiter.
Das klingt spannend.
Also, anmelden und mitmachen, warten auf die „Los-geht’s“-E-Mail.

Los geht’s
to be continued...aber wie? (c) ch.dériaz
to be continued…aber wie?
(c) ch.dériaz

Die kommt dann, etwas überraschend, gegen 20 Uhr.
Das ist für die Lichtsituation natürlich nur bedingt klasse, aber gut.
Also, anschauen, was die letzten Kollegen gebastelt haben, Infovideo anschauen, nachdenken…..


Diverse Versuche mit dem Handy zu drehen scheitern, das geht so alles nicht:
zu dunkel, Handy festhalten, drehen und schneiden – nein, das geht so nicht.
Also Photoapparat, für den gibt es ein Stativ – schon viel besser.
Hinsetzen, „spielen“, drehen, anschauen, noch mal drehen, anschauen… so geht das eine Weile lustig dahin.
Und dann: der voll geladene Akku ist leer!

Der Avid fährt hoch (c) ch.dériaz
Der Avid fährt hoch
(c) ch.dériaz

Egal, vielleicht reicht das Material ja. Also alles in den Avid laden, schneiden und: ja, es reicht, die Idee funktioniert.
Die letzte Etappe, den fertigen Clip hochladen auf die Webseite und an den letzten Clip anhängen. Beim Kürzen des Vorgängerclips geht ein wenig der Musik verloren. Warum das denn? Keine Ahnung!


Alles in allem: ein grosser Spass, ein tolles Konzept, das – einmal mehr – zeigt, dass Cutter/Editoren/Schnittmeister mehr sind als „Knöpfchendrücker.

Der Film in progress kann hier gesehen werden.

Diagonale 2020 – Die Unvollendete

DiagonaleReport_Homeoffice_1 (c) ch.dériaz
DiagonaleReport_Homeoffice_1
(c) ch.dériaz

 

Abgesagt aber nicht unsichtbar

Die Unvollendete, diesen schönen, musikalischen Titel haben die Diagonaleleiter Sebstian Höglinger und Peter Schernhuber ihrer abgesagten Ausgabe gegeben.
Gleichzeitig haben sie jetzt tatsächlich einen kreativen Weg gefunden, zumindest einige der Filme fürs Publikum sichtbar zu machen.

Diagonale goes Online

Geplant war die diesjährige Ausgabe vom 24.3. bis 29.3. in diesem Zeitraum werden jetzt an verschiedenen Orten im Internet Diagonale-Filme gezeigt.
FM4, das „Jugendkulturadio“ des ORF bietet auf seiner Webseite Livestreams an:

Am 24. März 3freunde2feinde von Sebastian Brauneis um 20:15 und um 23 Uhr.
Am 25. März um 20:15 läuft an gleicher Stelle Robin’s Hood von Jasmin Baumgartner
und am 26. März um 20:15 gibt es ein Kurzfilmfilmprogramm

Der wunderbare Dokumentarfilm Die Dohnal von Sabine Derflinger wird vom 27. März bis 3. April im KINO VOD CLUB gezeigt. Dort gibt es auch weitere, von Schernhuber und Höglinger kuratierte, aber ältere, Diagonale Filme zu sehen.

Kino zu Hause

Nichts davon kann ein Festival ersetzen, aber es gibt immerhin einen kleinen Einblick in das, was hätte sein können. Und auch das Livestreamen zu festgesetzter Uhrzeit vermittelt, ein klein wenig, Kinogefühl.
Man kann sich also, allein oder mit den erlaubten Mitbewohnern, dem Getränk der Wahl, die Beine hochgelegt, vor einen ausreichend grossen Bildschirm setzen und – hoffentlich – geniessen. Und, wer weiss, vielleicht kann man ja auch zu Hause für ein bisschen Glamour sorgen.

 

DiagonaleReport_Homeoffice (c) ch.dériaz
DiagonaleReport_Homeoffice
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Kunst und Kultur in Quarantäne

CrossingEurope_Absage

Schliessungen und Absagen

Als die Absage der Diagonale in Graz bekannt gegeben wurde, waren die Kinos und Theater noch geöffnet, es bestand noch Hoffnung auf, wenn auch reduzierte, Möglichkeiten der Unterhaltung und des Kunstgenusses.
Mittlerweile sind die Kinos und Theater geschlossen, das Leben spielt sich in Wohnungen ab und weitere Filmfestivals geben Absage oder zumindest Verschiebung bis auf Weiteres bekannt.
Das schöne kleine Festival Film:schweiz in Berlin zum Beispiel oder Crossing Europe in Linz. Cannes verschiebt von Mitte Mai auf einen noch nicht festgelegten Termin.
Die Verleihung des Schweizer Filmpreises findet ohne Zeremonie und ohne Publikum statt, aber immerhin, der Preis kann vergeben werden, findet doch die Abstimmung darüber ohnehin online statt. Die feierliche Übergabe der Preise soll während des Festivals in Locarno, also im August stattfinden.

Das Leben mit und für Kultur steht still

Das ist nicht nur traurig, es ist auch bedenklich für viele Kunstschaffende, die oft freiberuflich, selbständig oder sonst wie unabgesichert arbeiten. Dass das in Zeiten von Krisen – welcher Art auch immer – ein Problem sein würde, war schon immer klar. Das Ändern dieser Arbeitsverhältnisse stösst aber immer wieder auf Mauern. Im Fall von Film- und Fernsehschaffenden, auf Mauern der Ablehnung seitens Produzenten, Fernsehsendern, Verantwortlichen. Seit Jahrzehnten ist die immer wieder, mehr oder weniger offen genutzte, Antwort darauf: „dann macht es halt ein anderer“.
Trotzdem haben die meisten von uns weiter ihre Jobs gemacht, aus Freude am Beruf, aus Liebe zum Produkt, aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Und jetzt, wo nichts mehr geht, wo niemand ins Kino kann, wo es langsam schwierig wird, Sendungen in gewohnter Qualität aufrecht zu halten, zeigt sich wie wenig diese Loyalität wertgeschätzt wurde und wird. Das ist deprimierend.

Die E-Mails zu diesem Thema häufen sich, die Berufsverbände arbeiten mit Hochdruck daran Regelungen, die nicht gesetzeskonform sind, zu verhindern, Unterstützung zu bieten. Das ist bitter nötig. Nicht nur, weil Kollegen, wie in vielen anderen Branchen auch, vor einem wirtschaftlichen Desaster stehen, sondern weil irgendwann ja auch wieder gearbeitet werden wird. Die jetzt abgesagten Drehs, stillstehenden Produktionen, geschlossenen Kinos, all das wird irgendwann wieder weiter gehen.

Unterhaltung

Wie wichtig Kunst und Kultur für alle sind, zeigt sich dafür jetzt besonders deutlich.
Der Mensch will beschäftigt, will unterhalten werden. Lesen ist eine Möglichkeit, aber die meisten verbringen vermutlich genau jetzt die meiste Zeit damit, auf Bildschirme zu schauen. Fernsehen, wegen der Nachrichten, Mediatheken, Streamingdienste, all das dürfte zur Zeit Hochkonjunktur haben. All das wurde von Kollegen hergestellt, die jetzt nicht nur nichts tun können, sondern eben auch in Gefahr sind ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Die Filmbranche wird also genauso Unterstützung brauchen, wie Fluglinien oder Autohersteller.

Österreichische Kinos kann man derzeit unterstützen, in dem man hier  Filme „on demand“ schaut. Ein Teil der, niedrigen, Leihgebühr geht an die Partnerkinos.
Und hier können österreichische Filme digital ausgeliehen und angeschaut werden. Film,- Kunst,- und Kuturschaffende leben nicht in lässigem Saus und Braus. Nur weil sie Unterhaltung schaffen haben sie nicht automatisch ausschliesslich Spass bei der Arbeit, wie alle anderen auch. Aber sie sind diejenigen, die für die Unterhaltung und die gelungene Freizeitgestaltung aller sorgen.

Diagonale 2020 abgesagt

Diagonale Absage

Diagonalefreies Jahr

Heute und morgen hätte eigentlich das Programm der Diagonale präsentiert werden sollen. Erst in Graz, dann in Wien. Es wären die Kataloge verteilt worden in hübschen Taschen mit den ikonischen Diagonale Streifen, es wäre – vermutlich – ein schönes grosses Brillen- oder Displayputztuch drin gewesen, eventuell ein paar steierische Kürbiskerne.

Die Festivalleiter Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger hätten kurz über die Filme gesprochen, sie hätten den Sponsoren gedankt und Lust gemacht auf den Start am 24. März.

Nichts davon findet nun statt.

Es wird also auch nicht der Bundespräsident Van der Bellen bei der Eröffnung sprechen, man wird auch nicht einschätzen können, wie die noch neue Regierung zur Filmkunst steht. Wäre die grüne Kunststaatssekretärin Ulrike Lunacek gekommen? Hätte sie sich unter die Filmschaffenden gemischt, ein offenes Ohr für deren Anliegen gehabt?

Nichts davon werden wir wissen.

Diese Absage, so verständlich sie auch ist, ist nicht nur ein wirtschaftlicher Verlust, sie ist auch ein grosses künstlerisches Problem.
Einen Film in der Leistungsschau des heimischen, also österreichischen, Films laufen zu haben ist mehr als nur erfreulich. Es bietet die Möglichkeit gesehen zu werden, von Kritikern aus dem In-aber auch aus dem Ausland, es bietet die Möglichkeit mit zukünftigen Geldgebern in Kontakt zu treten, Werbung für sich und seine künstlerische Arbeit zu machen. Eine Arbeit für die es oft genug zu wenig Geld gibt, nicht nur aber auch gemessen an der oft langen Zeit, die es braucht, bis ein Film von der Idee auf die Leinwand kommt.

All das wird es dieses Jahr nicht geben.

Keine Show, kein Austausch, keine Preise, keine neuen Eindrücke vom aktuellen österreichischen Filmschaffen.

Das ist sehr, sehr schade.

#FilmTipp Born in Evin

Born in Evin_Tafel (c) ch.dériaz
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Persönlich und politisch

Schauspielerin und Regisseurin Maryam Zaree macht sich in Born in Evin auf die Suche nach ihren Anfängen, stösst allerdings auf eine massive Mauer aus Schweigen. Zaree wurde im iranischen Gefängnis Evin geboren, ihre Eltern Gefangene des Khomeni Regimes.

 

Stadtkino_innen (c) ch.dériaz
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Von dieser Ausgangslage aus erzählt Zaree einerseits chronologisch von ihrer Ankunft als kleines Kind in Frankfurt, von ihrem Leben dort mit dem abwesenden Vater, der erst später Gefängnis und Iran verlassen wird, und flicht andererseits ihre Suche nach Antworten im Heute dazwischen.

 

Suche

Weiter als bis zu: „Du wurdest im Gefängnis geboren“ ist sie bisher nicht gekommen, mit über 30 also der Wunsch mehr zu wissen, und das auch filmisch festzuhalten. Wie in vielen Familien mit massiven Traumata ist aber das Schweigen und das Wir-haben-es-überlebt grösser als der Wille die traumatischen Erfahrungen zu teilen.
So reist sie nach Paris zu Verwandten, zu Tagungen von Exiliranern, nach London, in die USA.
In kleinen Schritten lernt sie mehr von den Zuständen in Evin kennen. Kleine Schnipsel an Erinnerungen, enthüllt von Frauen, die dort waren, Grausamkeit und Folter bahnen sich einen Weg an die Oberfläche, doch ihr persönliches Schicksal bleibt weiterhin diffus.

Verweigerung

Die Mutter verweigert sich, will, obwohl studierte Psychotherapeutin, nicht verstehen, warum diese Antworten wichtig für ihre Tochter sein sollen.
Rückschläge und kleine Fortschritte, viel Schweigen und dann doch Menschen, die ihre Geschichte teilen wollen. Und langsam findet die Regisseurin zu einem, für sie akzeptablen Ergebnis der Suche: nicht die blanken Antworten sind wichtig, sondern die präzise und laut gestellten Fragen an die Mutter.

Bilder

Born in Evin_Plakat (c) ch.dériaz
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Born in Evin ist aber nicht nur wegen seines Themas interessant, sondern auch wegen seiner filmischen Machart. Trotz der vielen sehr privaten Momente bleibt die Kamera sachlich, ohne es dabei an Empathie mangeln zu lassen. Die Mischung von privaten Video Aufnahmen aus der Anfangszeit in Deutschland gemischt mit den vielen Momenten, in denen Zaree sucht, nachfragt, lästig ist oder einfach still verzweifelt, ergeben einen sehr dichten Film. Und sie findet auch immer wieder sehr schöne, stimmige symbolhafte Bilder, die den Prozess des Suchens und Findens verdeutlichen und weitertragen, aber auch, durch ihre Künstlichkeit, entspannend wirken.
Und ganz nebenbei zeigt sich wie wichtig und universell das Thema der verdrängten Traumata ist.
Der Film ist aktuell im Stadtkino in Wien zu sehen.

Stadtkino_aussen (c) ch.dériaz
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#FilmTipp FrauenPower

Die Dohnal_Plakat
Die Dohnal_Plakat
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  Die Dohnal

Kinokasse
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Donnerstagabend, nicht gerade der beste Kinomoment möchte man meinen.
Aber Sabine Derflingers Dokumentarfilm Die Dohnal zieht Menschen ins Kino, auch in der bereits zweiten Spielwoche. Das Wiener Filmcasino ist voll.

 

 

Frauenpolitik

Johanna Dohnal, erste Frauenministerin in Österreich, eine starke, kämpferische und freundliche Politikerin. 16 Jahre, von den späten 70er bis Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, war sie massgeblich verantwortlich für frauenpolitische Themen und deren politische Umsetzung.

Derflinger nutzt das reichlich vorhandene ORF Material über die Politikerin, kombiniert es mit Interviews von Weggefährtinnen, Zeitzeugen, Familie und Frauen aus Kultur und Politik, die von Johanna Dohnal beeinflusst sind. Daraus entsteht nicht nur ein faszinierendes Porträt einer hochinteressanten Frau und Politikerin, es entsteht auch eine Art Geschichtsstunde über den Verlauf der Frauenpolitik, nicht nur in Österreich

 

Lästig bleiben

T-Shirts mit Dohnal Zitaten (c) ch.dériaz
T-Shirts mit Dohnal Zitaten
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Der Zuschauer lernt eine Frau kennen, die weiss, dass ihr Weg lang ist, dass sie Anfeindungen und Blödheiten wird trotzen müssen, die aber dennoch fast immer ein freundliches Gesicht zu wahren weiss und, noch wichtiger, die stets sachlich bleibt, und damit ihre Gegner schlecht aussehen lässt. Selbst Ex-Kanzler Vranitzky, der die Dohnal letztlich nach 16 Jahren aus der Regierung warf, sieht im heutigen Interview unsouverän aus, wenn er versucht zu erklären, warum er damals nicht schaffte, wie sein Vorgänger Kreisky, die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen zu besetzen.


Szenenapplaus

Selten erlebt man ausserhalb von Filmfestivals, dass es im Kino Szenenapplaus gibt, dass munter reagiert wird auf Gezeigtes und dass ein Film Schlussapplaus erhält. Die Dohnal schafft das.

Der Dokumentarfilm zeigt letztlich, dass auch im 21Jahrhundert Frauenpolitik noch nicht beendet ist, ganz im Gegenteil.
Es gilt also weiterhin ein Dohnal Zitat: lästig bleiben.

Die Dohnal läuft weiterhin in Wiener Kinos.

 

Filmcasino_Dohnal (c) ch.dériaz
Filmcasino_Dohnal (c) ch.dériaz

 

#FilmTipp: It must be heaven

Vom Giessen des Zitronenbaums (c) ch.dériaz
Vom Giessen des Zitronenbaums
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Wahr, warmherzig, witzig

Vom Giessen des Zitronenbaum (It must be heaven) von Elia Suleiman ist weniger ein Filmtipp als eine dringende Empfehlung.

Der Film macht schlicht glücklich.

Eine zarte Posse, ein unverstellter Blick auf den Zustand der Welt, Slapstick ohne jedes Tempo und ein Regisseur-Hauptdarsteller, der sich in symmetrischen Bildern in Szene setzt, um mit stoischem Blick die Interpretation des Gesehenen dem Zuschauer zu überlassen.
Das klingt komplizierter als es ist.
Vom Giessen des Zitronenbaums bedient sich virtuos filmischer Stil- und Handwerksmittel. Etwas untersichtige Einstellungen, die eine kindliche Perspektive suggerieren, Schnittfolgen, die Beziehungen herstellen und so dialogisches Erklären unnötig machen, Bildausschnitte, die Unerwartetes mit grosser Leichtigkeit in Komisches verwandeln.
Mit diesen starken visuellen Mitteln erzählt der palästinensische Regisseur Suleiman seinen Alltag in Nazareth, zeigt skurrile Nachbarn und begibt sich auf eine Reise nach Paris und New York. Auch dort scheint der kindliche Blick bedrohlich Situationen einzufangen, während der Schnitt dann Absurdes enthüllt. Auf der Suche nach Finanzierung durch ausländische Produzenten wird die Geschichte gleichermassen grotesk und politisch.
Unangenehm wahr: die Szene bei einem Pariser Produzenten, der, spezialisiert auf Filme aus dem arabischen Raum, dem, wie ein Schuljunge beim Direktor, sitzenden Regisseur erklärt, der Film sei nicht palästinensisch genug; sprich: Das Drehbuch entspricht nicht den Erwartungen des Westens an eine Geschichte aus dem Nahen Osten.
Dass solche Szenen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt die lange Liste der koproduzierende Länder des fertigen Films: Kanada, Frankreich, Deutschland, Qatar, Türkei…
Poetisch-versponnen Filme passen nicht ins politische Konzept, obwohl, wie dieser Film zeigt, sehr viel Politik und universell Gültiges mit den Mitteln der Komik vermittelt wird.

Am Ende des Films möchte man sofort zurück zur Kasse gehen, sich eine neue Eintrittskarte besorgen, um den Film gleich noch einmal anzuschauen.

Zurzeit ist das in Wien im Top Kino und im Le Studio möglich.

Top Kino Wien (c) ch.dériaz
Top Kino Wien (c) ch.dériaz

 

#FilmFestival Solothurn 55_7

(c) ch.dériaz

 

Die Preise

Die 55. Ausgabe der Solothurner Filmtage, die erste Ausgabe unter der neuen Leitung von Anita Hugi endet mit folgenden Preisträgerfilmen:

Der Prix de Soleure geht an Boutheyna Bouslama für den Dokumentarfilm
A la recherche de l’homme à la caméra, leider nicht gesehen.
Der Prix du Public geht an Baghdad in my Shadow von Samir.

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Thematisch dominierten Familiengeschichten und, ganz stark, Filme, die Identitätsfragen zum Thema hatten. Seine Identität hat der schweizer Film längst gefunden, sie ist vielfältig, vielsprachig, neugierig. Die Regisseure und Regisseurinnen blicken in der Wahl ihrer Themen auf ihre Wurzeln, erschliessen sich neue Perspektiven und tragen so zu einer bunten Mischung bei. Der wahre Gewinner dieser Mischung ist auf jeden Fall das Publikum. Bleibt also dem Publikum ausserhalb der Landesgrenzen viele schweizer Filme zu wünschen.

Das, letztes Jahr, unterzeichnete Abkommen zur Gleichstellung und Diversität in der Filmbranche wurde insofern erfüllt, dass mehr Filme von Regisseurinnen gezeigt wurden, auch wenn die Zahl immer noch etwas niedriger ist, als Filme von Regisseuren, einzig bei den Kurzfilmen wurde eine 50:50 Verteilung erreicht. Bei den Gewinnerfilmen ist dieses Jahr die Verteilung ausgeglichen.

 

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Das genaue Datum für die Solthunrer Filmtage 2021 steht noch nicht fest, aber wer gegen Ende Januar noch nichts vorhat, könnte ja über eine Reise in die Schweiz nachdenken.